Berlin/ Komische Oper: „DIE PERLEN DER CLEOPATRA“ von Oscar Straus besitzt Dagmar Manzel, Premiere am 03.12.2016
Dominik Köninger als Silvius, Dagmar Manzel als Cleopatra, Foto Iko Freese I dramma-berlin.de
„Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann“, dieser kesse Uralt-Song der Trude Herr, den einst meine Tante trällerte, tönte kürzlich mal wieder aus dem Radio. Dagmar Manzel, die hier nicht mehr ganz taufrische Kaiserin Cleopatra, will auch keine Schokolade, nee, nee. Sie will ja ihre Figur halten und mixt in dieser Oscar-Straus-Operette von 1923 sicherheitshalber Liebesperlen in den Rotwein, um ihre diversen Lover auf Touren zu bringen.
Dagmar Manzel mittenmang der Tanztruppe und Chorsolisten, Foto Iko Freese I dramma-berlin.de
So gesehen muss der Weinverbrauch enorm sein, und bei großer Enttäuschung muss es auch eine Flasche Schnaps sein. Als letztendlich der Sieger Marcus Antonius leicht taumelnd mit dem Flachmann in der Hand auftaucht, tut’s auch Gerstensaft aus der 0,5 Liter-Dose. „Gibt ja Schlimmeres als Berliner Bier,“ meint Frau Manzel. Wenn er als Triumphator des Römischen Reiches mimt (ganz köstlich Peter Renz) und kräftig singend den Degen zieht, bringt sie unschuldig frivol, „Steck den Degen in die Scheide“… (Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald).
Bis dahin gute zwei Stunden allerbester Unterhaltung mit turbulentem Einsatz aller Mitwirkenden. Dennoch – was Besseres als die Manzel in dieser Rolle gibt’s garantiert nicht, diese perfekt-charmante Mischung aus Komödiantin, Diseuse und mannstoller Berliner Göre auf der Suche nach der wahren Liebe. Nach Fritzi Massary dereinst in dieser Partie ist Dagmar Manzel für Regisseur Barry Kosky nun die ideale, einzig mögliche Besetzung, äußert er im Programmheft. Recht hat er.
Sofort für Stimmung sorgen die rasanten, knusprig-knackigen Tänzerinnen und Tänzer (Choreografie Otto Pichler), ohnehin ein Markenzeichen der Komischen Oper. Zunächst silbrig glitzernd in einem Fast-Nichts, zudem mit Masken und Perücken, später in grünem Federdress. Ja, die Grünen sind nun da. Derweil macht Dagmar Manzel in edlen Kaiserinnen-Roben (Kostüme Victoria Behr) bella figura, schockiert später auch kurz im Fatsuit. Mit dieser „Frau, die weiß, was sie will“ (ebenfalls von Oscar Straus) kann ein Regisseur Pferde stehlen.
Wie im gut geölten Galopp läuft die gesamte Super-Show, angefeuert durch den jungen Dirigenten Adam Benzwi. Der bringt Schmackes ins ohnehin fitte Orchester der Komischen Oper Berlin. Gemeinsam mit den von David Cavelius prima präparierten Chören und dem Lindenquartett läuft auch die Musik zwischen Wiener Walzer, Berliner Luft der Zwanziger Jahre und frühem US-Jazz wie geölt.
Vor den Jugendstil-affinen Schwarz-Weiß-Dekorationen (Bühnenbild: Rufus Didwiszus) tobt dabei fast immer das Leben. Nein nicht immer. Manchmal plaudert die Pharaonin nur mit der hinzu erfundenen Katzen-Handpuppe Ingeborg, die sich stets vorlaut einmischt. Selbst bei den Gesprächen mit ihrem Minister Pampylos, herrlich überdreht verkörpert von Dominique Horwitz.
Ihrem Affen Zucker geben sie alle, spielen ihre teils skurrilen Rollen mit Augenzwinkern und singen mit prächtigen Stimmen. Umwerfend Dominik Köninger, der als römischer Offizier Silvius zunächst in ein reichlich knappes Helden-Silber-Outfit schlüpfen muss. Mit seinem kräftigen, wohlklingenden Bariton himmelt er zunächst die junge Hofdame Charmian, die Kleine mit der Trompete (seine Verlobte) an, von Talya Lieberman mit Pepp und wohlgeschultem Sopran gestaltet. „Ich will mein Herz dir schenken,“ verspricht er, will ihr „die Sterne vom Himmel holen“.
Na ja, das schmettert der noch vom Kampf staubige Krieger bald danach auch der Kaiserin entgegen, und dann ab ins Himmelbett. Ob das wohl nur an den Liebesperlen im Wein liegt? Gegen diesen rauen unparfümierten Kraftprotz hat solch ein Softie wie Beladonis (nomen ist hier wirklich omen), der fein gekleidete Prinz von Persien trotz der Liebesflöte, keine Chancen. Hätte Cleopatra jedoch den warm strahlenden Tenor von Johannes Dunz vernommen, wäre es wohl nicht nur um den Meerbusen gegangen, den er ihr abhandeln möchte.
Nein, sie will den athletischen Offizier und muss später sanft lyrisch beklagen „Ein Frauenherz ist eine goldene Laute, auf der nicht jeder spielen kann“. Dass sie nicht nur die Kaiserin ist, die untüchtige Lover den Krokodilen zum Fraß vorwerfen lässt, sondern als Frau mitunter „ganz anders kann“, betont sie immer wieder. Eigentlich soll Silvius wegen eines Rendez-vous’ mit Charmian sterben, zumal er als stolzer Römer nicht um Gnade bittet.
Sie lässt die beiden ziehen, denn sie hat ja noch andere Aufgaben. Das Volk ist in Not, weil der Nil fast ausgetrocknet ist. Also auf zur Pilgertour, doch bei dem schönen, schwarz gelockten Priester ist es wohl nicht nur beim Beten geblieben. Jedenfalls hat sich ihr Einsatz gelohnt, der Nil füllt sich wieder mit dem dringend benötigten Wasser. Das Volk feiert sie. „Ja, was tue ich nicht alles für euch..“, singt Frau Manzel.
Großartiges hat sie nun hier – zusammen mit allen Mitwirkenden –für diese aus der Versenkung geholte Operette und das Publikum getan. Riesenapplaus für alle, wenn sie erscheint, wird begeistert getrampelt. Kosky sinkt nieder und küsst ihr nicht die Füße, aber immerhin die Schleppe des Kleides. Hingehen!
Ursula Wiegand
Weitere Termine: 07., 10., 13., 15., 19., 21., 28. und 31. Dezember, am 20. Januar, am 02. und 11. Februar sowie am 12. Juli