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BERLIN/ Waldbühne: Selbst der Wettergott liebte ANNA NETREBKO & YUSIF EYVAZOV

01.09.2017 | Konzert/Liederabende

Berlin/Waldbühne: Selbst der Wettergott liebt Anna Netrebko und Yusif Eyvazov, 31.08.2017

Anna Netrebko und Yusif Eyvazov im Duett, © DAVIDS
Anna Netrebko und Yusif Eyvazov bei der Zugabe  „Brinidisi“. Copyright: Davids

 Am Morgen noch rund 30 Grad, dann Gewitter und Schauer. Abends ein Temperatursturz und erneut dräuende Wolken. Doch während es im großen Berlin anderenorts schüttet, ziehen weitere angekündigte Schauer haarscharf  an der Waldbühne vorbei. Der Wettergott weiß, was sich gehört, wenn die Anna Netrebko Open Air in Berlin auftritt, nun erstmalig hier mit ihrem Ehemann Yusif Eyvazov.  Beide mit Stimmen, die wohl auch ohne die hier übliche Verstärkung bis in die Wipfel der hohen Bäume reichen würden.

 Für die musikalische Begleitung und Auffüllung des Programms sorgen der eher unauffällige Neue Kammerchor Potsdam sowie das engagiert aufspielende Ungarische Staatsopernorchester unter der Leitung von Michangelo Mazza. Leider lässt die Übertragung einiges zu wünschen übrig, so dass die Stimmung in der nicht ausverkauften Waldbühne bei der anfänglichen Nabucco-Ouvertüre noch recht kühl bleibt. Nach der Pause, beim allseits bekannten Carmen-Vorspiel, klatscht das Publikum begeistert im Takt mit.

 Eines ist jedoch klar – die rd. 15.000 Zuhörerinnen und Zuhörer wollen Anna plus Mann erleben, doch nicht wenige brechen in amüsiertes Lachen aus, als sie mit langem Blondhaar zum schwarzen Glitzerkleid erscheint. Dass sie seit einiger Zeit erblondet ist, hat sich bei vielen Berlinern und den zahlreich angereisten Gästen noch nicht herumgesprochen. Und sie haben nicht ganz unrecht. Das ursprünglich schwarze Haar rahmte ihr schönes Gesicht weit besser.

Natürlich bringen die beiden Stars zu einem solchen Event die Hits mit, was (fast) alle kennen und hören wollen, das „best of“ an Opernarien. Ganz so leicht möchten es aber Anna und Yusif ihren Fans doch nicht machen. 

Bravourös startet sie mit Verdis “Macbeth” und lässt als machtgierige Lady Macbeth mit „Nel di della vittoria…Ambitioso spirto… bereits erkennen, wie sie ihren ebenfalls machtgierigen, aber schwächlichen Mann zum Mord antreiben wird, um die geweissagte Königskrone zu erringen.

Eine „Stimm-Übung“ der Sonderklasse mit dramatischen Höhen und einer vollen gurgelnden Tiefe. Diese stets fein differenzierte und klangreiche Spannbreite, der bruchlose Gang durch die Register ist Anna Netrebkos Markenzeichen. Hätte sie nicht diese stupenden Höhen, läge die Frage nahe, ob sie mal später gänzlich ins Mezzo-Fach wechselt.

Yusif Eyvazov schließt an mit „Ah si, ben mio…Di quella pira“, Verse, die Manrico in „Il Trovatore singt“, was bestens zu Jusifs knackigem Tenor passt. Power pur, effektvolle und sichere Höhen. Man/frau glaubt diesem Manrico (= Eyvazov), dass er alles wagen wird.

Und es bleibt trotz eines zunächst angenehmen Pianos bei dieser gewissen Heldenhaftigkeit, selbst wenn Eyvazov das bekannte „Celeste Aida“ singt. Anna macht das differenzierter und zeigt ihr zerrissenes Herz. Sie wünscht ja ihrem geliebten Radames mit „Ritorno vincitor!“ den Sieg über den eigenen Vater und sein Heer! Bei Anna Netrebkos Premiere als Aida kürzlich in Salzburg ging dieser großartig gesungene und mimisch dargestellte Zwiespalt zu Herzen und war der Höhepunkt der gesamten Aufführung.

So intensiv wie im Opernhaus wirkt nun in der Waldbühne nicht. Doch ihre Stimme leuchtet durch die Beinahe-Nacht. Schließlich noch beide im Duett mit „Pur ti riveggio, mia dolce Aida“.  Insgesamt betrachtet, macht sich also Anna Netrebko die von ihr selbst als schwierig bezeichnete Aida-Partie nun mit ihrem Ehemann noch weiter zu eigen. Ein Genuss für die Zuhörerinnen und Zuhörer.

Danach lautstarke Bewunderung, als Anna Netrebko in rot schillernder Königinnen-Robe als männermordende Turandot die Mitteltreppe hinab schreitet und dort „In questa reggio“ singt, die raffinierten Fragen, die die Begehrte den Herren stellt, die sie heiraten wollen. Sie alle bezahlen das mit ihrem Leben, nur einer ist ihr über, in diesem Fall ihr Gatte.

Der schmettert das „Nessun dorma“ nur so in die Wolken, der Beifall platzt schon in die letzten Noten hinein. Dennoch ist die Waldbühne keine Arena di Verona, und in Berlin schreit leider niemand „bis!“, wie es die Italiener tun, wenn sie eine Wiederholung fordern. Der nach dieser gelungenen Leistung sichtlich erleichterte Eyvazov hätte dafür genügend Reserven und prächtige Spitzentöne.

Das Lyrische ist dagegen nicht so sein Ding, aber er ist mit der darstellerisch so begabten Anna an seiner Seite, die gerade so wunderbar zärtlich „O  mio babbino caro“ aus Gianni Schicchi  gesungen hat, bereits etwas lockerer geworden. Er weiß sichtlich auch, was er singt und mit welchen Problemen die gerade verkörperten Opernfiguren zu kämpfen haben, der Maler Cavaradossi mit der bevorstehenden Hinrichtung und dem Ende allen erträumten Glücks.

Eyvazovs „E lucevan le stelle“ kommt zunächst fast sanft. Mit Pavarotti und Kaufmann lässt sich das allerdings nicht vergleichen, wird aber dennoch bejubelt. Er freut sich merklich darüber und sagt auf Deutsch: „Berlin, ich liebe dich!“ Lacher im Publikum, denn so dick brauchen wir Berlinerinnen und Berliner das eigentlich nicht (und zum Glück kommt nicht à la John F. Kennedy: „Ick bin ein Berliner“). Das Duett „Non ti scordar di me“ von Ernesto de Curtis hören dann alle gerne.

Und nun kommt, was kommen musste, die Werbung für die erste gemeinsame CD der beiden, betitelt „Romanza“. Schon am Konzertabend wird sie angeboten und ist seit 1. September im Handel.

Anna Netrebko und Yusif Eyvazov beim Schlussjubel © DAVIDS
Yusif Eyvazov und Anna Netrebko beim Schlussapplaus. Copyright: Davids

Anna – inzwischen im hellblauen Frühlingskleid, das Blondhaar als Zopf gebunden – wirkt nun wie ein junges Mädchen, und die beiden singen, na klar, Liebeslieder, für sie komponiert von Igor Krutkov. Anna schmiegt sich beim „La Fantasia“ an ihren Mann, macht gar ein paar Tanzdrehungen mit ihm. Melancholie ist bei seinem Solo „Ricominceró“ angesagt, und nach beim Duett „Cantami“ prasselt der Beifall erneut los. Als Belohnung bekommt das applausfreudige Publikum noch eine schmissig-swingende Zugabe: Das Trinklied Brindisi, ein Hit in/aus Verdis „La Traviata“. Erneut heftiger, lang anhaltender Beifall, Blumen en masse für Anna und ein nun übers ganze Gesicht strahlender Yusif. – Das Konzert wird übrigens am 10. September um 22 Uhr im ZDF ausgestrahlt.    

Ursula Wiegand

 

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