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BERLIN/ Tipi: GEORGETTE DEE singt vom fliegenden Teppich. Premiere

25.04.2015 | Konzert/Liederabende

BERLIN/ TIPI PREMIERE Georgette Dee singt vom fliegenden Teppich, 24.4.2015

Dschinn reimt sich auf Gin und Marlenes charmantes Erbe

 „Frühling wird´s, ein Sperling piept Duft aus Blütenkelchen, bin in einen Mann verliebt, weiss nur nicht in welchen …“

Georgette Dee trotz oder gerade wegen Ü 50 in Höchstform und ihr getreuer Begleiter am Flügel Terry Truck musizierten in einer zu Recht umjubelten Premiere im Berliner TIPI neben dem Bundeskanzleamt ihre Wolkenlieder und Reisemärchen. Allbekanntes aus der eigenen Feder (Da sein, Für die Fremde, Nachtgebet) haben die beiden gekonnt mit Liedern von Tom Waits bis Ira Gershwin, von Friedrich Hollaender bis Robert Schumann (Die Stille), Brahms (Feldeinsamkeit)und Schubert (Des Baches Wiegenlied) zu einem nachdenklich stimmenden Cocktail-Reigen gemixt. Bitter-süß wie die vielen Gin-Tonics, die die Künstlerin an diesem Abend trinken wird. 

 Unverwechselbar die Intensität und Spontaneität des Vortrags der berlinerischen „Sappho“. Was Georgette Dee vollends zu so etwas Besonderem macht, ist die existentielle Notwendigkeit des vergänglichen Moments, die Melange aus kämpferischer Suche nach Recht und Gerechtigkeit und eigener Betroffenheit als empfindsamer Mensch in einer kalten Welt, wo es nicht immer einfach ist, „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt zu sein“. Ihre politischer Klarsicht vom Fliegenden Teppich trotz Platz-, Flug- und Höhenangst herunter und ihre hohe vokale Wandlungsfähigkeit machen Georgette Dee zu einer legitimen Nachfolgerin vom Marlene Dietrich. Ü 50 hin oder her, Diven werden doch erst im Spätsommer geboren. In wallender blonder Mähne und einem wuchtigen blauen Schal als neben dem Glas einzigem dramaturgischem Requisit genügen, um einen poetischen Kosmos angesiedelt zwischen dem schwarzen Gürtel Berlins und vielen Reisereminiszenzen nach Afrika, Kuba, Brasilien erstehen zu lassen. In Wien ist Georgette Dee ja noch aus der Peymann Ära von ihren regelmäßigen Auftritten am Wiener Burgtheater in bester Erinnerung.

 In ihrer Interpretation nähern sich Georgette Dee und Terry Truck dem Ideal Adornos an, der bekanntlich forderte, die künstlerischen Wiedergaben sollen einer Röntgenaufnahme gleichen. Na ja, ein bisschen Haut ist schon drauf auf der im blauen Licht durchscheinenden innersten Struktur. Aber Hand aufs Herz: Wenn Georgette Dee das letzte Lied aus Schubert „Müllerin“ einem jungen Kubaner widmet, der sich in einem Boot in die nahe USA und Freiheit aufmachte, nur dort leider nie ankam, und diesen Augenblick mit einer stimmlichen Magie veredelt, darf man einem jener raren Momente an Entäußerung an der Kante des Lebens beiwohnen, den man in rein klassischen Konzerten aus lauter hoher Kunstfertigkeit oft vermissen mag. 

Dass die Abende im TIPI (oder in der Bar jeder Vernunft) zu etwas atmosphärisch so Besonderem werden, dazu trägt auch eine zweite Marlene bei. Sensationell groß, schlank, blond, elegant und mit eher wienerischem als Berliner Charme empfängt diese spektakulärste aller lebenden Marlenes das Publikum, moderiert, und überreicht unnachahmlich Blumen an die schließlich glücklich erschöpften Künstler. Die schönste männliche Hommage an das weibliche Geschlecht. 

 Fazit: Wieder ein wunderbar kathartischer Abend im TIPI. Man möchte doch all diese Lieder selber so singen können, so voller Sehnsucht, Trauer, Freude und Humor  und uns „eher vergeben lassen als nach weiter nach Rache streben zu wollen….“ Ja Ü 50 ist gut!

 Am 9. Mai  wird Georgette Dee mit diesem Programm auch in Wien auftreten.

 Dr. Ingobert Waltenberger

 

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