„Wie kann denn das geschehn? Wie macht denn das der liebe Gott?“ – Der Rosenkavalier an der Staatsoper unter den Linden, Aufführung vom 27.12.2023
In der Dokumentation über Herbert von Karajans Rosenkavalier bei den Salzburger Festspielen von 1960 kommt auch André Heller zu Wort. Mit einem Glitzern in den Augen berichtet er von einem Erlebnis aus seiner Kindheit: Die Gesamte Familie wurde vor dem Radiogerät versammelt, alle in ihrer besten Sonntagskleidung, dem Hausmädchen wurde sogar ein neues Kleid besorgt. Dies alles um eben jenem Dirigat Maestro von Karajans vor dem Radio zu lauschen. Es war an sich schon etwas besonderes, daß das neue Festspielhaus in Salzburg nicht mit Mozarts Don Giovanni aufgeführt wurde, sondern eben mit dem zeitlosen Meisterwerk des kongenialen Duos Strauss von Hofmannsthal. Karajan, der Strauss ja selbst noch persönlich gekannt hatte, wusste, daß es nicht nur die Liebesgeschichte zwischen Sophie und Octavian ist, die den Rosenkavalier als Werk so besonders macht. Die gesellschaftliche Kritik, die durch die Figur des Baron Ochs auf Lerchenau oder den briefgeadelten Faninal herausgearbeitet wird und nicht zuletzt die Frage nach Zeit und Vergänglichkeit, die durch die Feldmarschallin aufgezeigt werden – sie alle sind im Rosenkavalier in zeitloser Gültigkeit aufgezeigt worden. In Verbindung mit Karajans grandiosem Dirigat und den makellosen Partien von Lisa Della Casa, Otto Edelmann, Sena Jurinac, Anneliese Rothenberger und Erich Kunz erlangte dieser Rosenkavalier den Status einer Referenzaufnahme, zu dem das Festhalten auf Film selbstverständlich seinen Teil beitrug. Beim jungen André Heller erzeugte das von ihm geschilderte Erleben dieses Rosenkavaliers den Wunsch, einen Beruf zu ergreifen, in welchem er in irgendeiner Art und Weise einmal mit dem Rosenkavalier zu tun haben würde.
Auch Otto Schenks Wiener Inszenierung von 1968 war stark von diesem Salzburger Rosenkavalier beeinflusst, gewissermaßen fußte sie ihn ihrer Bildsprache durchaus darauf, war auch hier Ernie Kniepert wie bereits in Salzburg für die Kostüme verantwortlich und baute ihn weiter und höchst opulent aus. Diese feierte unter dem Dirigat Leonard Bernsteins Premiere, Christa Ludwig sang die Feldmarschallin, Walter Berry den Ochs, Dame Gwyneth Jones den Octavian, Reri Grist die Sophie und Erich Kunz trat auch hier erneut als Edler von Faninal auf. Karajan selbst dirigierte den Rosenkavalier in Wien tatsächlich nur einmal und zwar am 07.06.1962 in Wien, also noch in der vorhergehenden Inszenierung von Josef Gielen aus dem Jahr 1955. Karajan nahm 1984 „seinen“ Rosenkavalier in Salzburg noch einmal auf, Otto Schenks Inszenierung hingegen avancierte nicht nur zum Dauerbrenner, der im März seine 409 Vorstellung erleben wird. Er wurde zur neuen Referenzinszenierung, die wie keine andere die visuelle Idee der Geschichte um den jungen Octavian prägte.
Nun stellt sich begründeterweise die Frage, wie lange das Juwel Otto Schenks an der Wiener Staatsoper noch überleben wird, denn wie bekannt wird dort unter dem Vorwand der „Verjüngung“ der Oper ein Kulturkampf geführt, der beim Publikum zwar nicht auf Gegenliebe stößt, dieses jedoch geflissentlich ignorierend das Repertoire der Staatsoper sukzessive durch Regietheater-Produktionen austauscht.
Derweil ist es – wie hinlänglich bekannt – André Heller nicht nur gelungen eine breite, künstlerische Karriere einzuschlagen. Bereits 2020 hat er für die Staatsoper Berlin den Rosenkavalier in Szene setzen dürfen und zu Recht muss nun festgestellt werden, daß Herrn Heller nicht nur eine passable Inszenierung gelungen ist. Tatsächlich ist das, was wir an der Lindenoper erlebt haben mit Fug und Recht als neue Referenzproduktion zu bezeichnen.
Denn Heller inszeniert den Rosenkavalier nicht einfach nur. Er entwickelt ein vollumfassendes Konzept, welches sich weitgreifend mit den Ideen Strauss und von Hoffmansthals auseinandersetzt und sie weiterentwickelt. Strauss und von Hofmannsthal legten die Geschichte des Rosenkavaliers in ein fiktives Wien unter der Herrschaft Maria-Theresias. Fiktiv nicht nur, da sie eine eigene Variante des Wienerischen entwickelten, weder eine Feldmarschallin oder ein Feldmarschall von Werdenberg existierte und auch niemals ein Faninalsches Palais an der Wiener Adresse „am Hof“ zu finden war. Insbesondere mit der Verwendung des Walzermotives bedienten sie sich eines bewusst gewählten Anachronismus: Zu Zeiten war der Walzer musikalisch nicht bekannt, erst mit dem Wiener Kongress setzt er sich weitläufig durch und erreicht den Höhepunkt seiner Popularität um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts. Die Nutzung von Polyphonie im Rosenkavalier weist gar auf die kommende Moderne und den künstlerischen Umbruch hin, also in die damalige Zukunft. Der Rosenkavalier steckt somit zwar in einer Gewandung des 18. Jahrhunderts, nutzt aber musikalische Formen die bei seiner Veröffentlichung zeitgenössisch waren und ermöglicht es so, zahlreiche Bezüge auf die Gesellschaft der Wiener Ringstrassen Ära anzusprechen, ohne diese direkt zu nennen. Nicht zuletzt zeigt das Werk somit auch, wie anachronistisch sich die Gesellschaft in Wien (aber auch sonst in Europa) gerierte, während Technik, Wissenschaft, Leben und Kunst bereits in vollem Umbruch befindlich waren.
Ein kluger Zug, der etwaige Kürzungen durch die Zensur vermied, mehrere Erzählebenen öffnet und dessen Idee nun wiederum durch André Heller aufgegriffen wird. Dieser setzt nämlich den Rosenkavalier in die Zeit Strauss und von Hofmannsthals und stellt so wiederum die Frage, ob wir in unserer heutigen Zeit, die sich gerne als progressiv geriert, nicht ebenfalls zahlreichen Anachronismen anheim gefallen sind und nicht die brennenden Fragen von morgen mit Antworten aus dem vorletzten Jahrhundert beantworten wollen?
Herr Heller und sein Team stellen diese Frage ausserordentlich charmant und ansprechend, da sie eben genau nicht der Versuchung verfallen, die üblichen Provokationsversuche des Regietheaters zu nutzen und eine leergefegte Bühne im grau-braun-grünen Einheitsbrei vollkommen vermeiden. Diese musste man im kommunistischen Ostberlin lange genug erleben, sie wären insbesondere dort noch unangemessener, als sie es ohnehin sind. Nein, im Gegenteil hier wird in bester Tradition nicht nur ein Fest für die Ohren, sondern auch für die Augen inszeniert: Bereits vor dem ersten Akt sehen wir auf dem Vorhang eine Projektion eines originalen Besetzungszettels von 1917, der uns das Set-Up also ankündigt und zum ersten Akt den Blick auf ein Schlafzimmer der Feldmarschallin, welches im japanischen Stil eingerichtet ist und deren Seidentapeten entsprechende Blumenmotive aufzeigen, die Einrichtung erinnert an die Möbel der Wiener Werkstätte. Die Wiener Künstlerin Xenia Hausner hat hier wirklich prächtiges geschaffen, mit klugen Lichteffekten wird dieses Schlafzimmer zu einem funkelnden Ort der Hoffnungen und Träume – nicht nur Octavians und der Feldmarschallin, sondern auch all jener Bittsteller, welche zum Levée ihre Aufwartung machen und natürlich auch der Hoffnungen des Ochs. Die Parallelen zu einem Zirkuszelt drängen sich spätestens dann auf, als während der Arie des italienischen Sängers (den Andres Moreno Garcia mit so viel Finesse, Elegance und herrlichem Schmelz singt, dass sogar die Bühnenarbeiter auf der Bühne erscheinen und seiner Arie lauschen – ein Schmäh Hellers, der die Grenzen zwischen Spiel und Realität bewusst verschwimmen lässt und der tatsächlichen Qualität dieser Passage Tribut zollt – bravo!) ein danebenstehender Harlekin eine Papierpalme immer weiter in den Himmel wachsen lässt, welche exakt mit dem Wutausbruch des Ochs bei den Worten „als Morgengabe“ in sich zusammenfällt.
Das Frühstück der Feldmarschallin wird durch eine Hebebühne im Boden heraufgefahren und bei Bedarf wieder abgesenkt, ein erwachsener Mohammed kredenzt ihr das Frühstück und steckt ihr keck ein Stück Croissant in den Mund, hinzu kommt eine Opulenz in den Kostümen von Arthur Arbesser, die sich ebenfalls am Art Deco der Ringstrassenära orientieren. Und natürlich darf da Gustav Klimt nicht fehlen, welcher im zweiten Akt nicht nur zitiert wird. Denn als das Palais Faninals wird hier das Wiener Secessionsgebäude gezeigt, die Überbringung der silbernen Rose findet vor dem Beethovenfries statt. Klimt selbst taucht unter den geladenen Gästen auf, begleitet von seinen Modellen, von Adele Bloch-Bauer bis hin zu Fritza Riedler. Die Livree in blau und weiss, das Wappen Faninals tragend, vergrößert mit ihrem Spalier den optischen Reichtum, auch hier erleben wir wieder ein sattes, strahlendes Bild, welches streng im Art Deco gehalten ist – bis auf Octavian. Trug dieser zum Ende des ersten Akts die Uniform der britischen Scots Guards (nur ohne Bärenfellmütze), überbringt er die Rose nun in just jenem silbernen Kostüm wie wir es aus Otto Schenks Inszenierung kennen. Eine Verbeugung Herrn Hellers und gleichzeitig die Referenz auf die ursprüngliche Verortung des Stücks.
Der dritte Akt ist schließlich im Palmenhaus des Schönbrunner Schlossparks angesiedelt, in welchem Octavian – tatsächlichen Gepflogenheiten der Zeit entsprechend – ein Beduinenzelt hat aufstellen lassen und umgeben von asiatischen Lampions eine Atmosphäre des Exotischen kreiert. Ochs tritt passend auch hier ins Fettnäpfchen, nämlich in Lederhosen auf. Wenn dann schliesslich die Feldmarschallin in einer atemberaubenden Abendrobe erscheint und die Palmenkulissen einem funkelndem Sternenhimmel weichen kann der Rahmen für das finale Terzett kaum schöner sein.
Und auch das heitere Ende bekommt bei Herrn Heller eine neue Lesart: Mohammed wird nicht als kleiner, flinker Kerl geschickt um das Taschentuch zu suchen. Er findet dieses zufällig als er vorbeiflaniert. Erkennt es und riecht sehnsüchtig an ihm, den Duft der Feldmarschallin gleich erkennend. Ist er gar ein geheimer Verehrer seiner Herrin? Vielleicht wird er ihr nächster Liebhaber sein, wer weiss das schon?
Sicher ist, dass die Inszenierung Herrn Hellers und seines Teams in jeder Hinsicht Maßstäbe setzt brillant, farbenfroh und reich an ästhetischen Möglichkeiten, geben sie dem Auge unzählige Möglichkeiten Details zu beobachten oder auch sich im Farbenspiel des Ganzen treiben zu lassen. Inhaltlich eröffnet er neue Perspektiven auf das Stück, die weitere Zugänge zu ihm bieten und zeitgenössische Fragestellungen hinzufügen ohne dabei moralisierend zu sein. Die Werktreue wird dabei nie verlassen, gleichzeitig mit höchster Kreativität etwas neues geschaffen. Bravi, bravissimi André Heller, Xenia Hausner und Arthur Arbesser, so geht die Verjüngung von Oper, so werden Maßstäbe gesetzt, so wird’s gemacht!
Maßstäbe werden an diesem Abend auch musikalisch gesetzt. Julia Kleiter zeichnet das Bild einer Feldmarschallin, die sich ihres Standes durch und durch bewusst ist. Diese herausragende Position hat sie absolut verinnerlicht, jeder Ton wird in atemberaubender Präzision herausgeschliffen, brilliert durch absolute Klarheit und jeder Buchstabe wird ebenso klar artikuliert. Überhaupt sind an diesem Abend alle Partien höchst präzise verständlich. Doch Frau Kleiter füllt ihre Passagen mit einer Anmut, die uns auf edlen Schwingen in das Wunderland der Strausschen Musik trägt. Im positivsten Sinne eine erwachsene, reife Stimme, die jedoch keine lähmende Schwere zeigt. Auch in ihrem Monolog über die Zeit schlägt sie mitnichten eine düstere Seite an, sondern vielmer eine von Weisheit gespeiste Gefasstheit. Diese Feldmarschallin hat gelernt die Dinge zu ertragen und stets Haltung zu bewahren – komme was wolle. Nur in den kurzen Momenten mit Octavian erlaubt sie es sich, kurz zu entfliehen und ein Stück weit ihre Jugend nachzuholen, die sie aufgrund ihrer Hochzeit nicht haben konnte, wohlwissend, dass die Realität vor nichts halt macht. Die jugendlichen, teils kindlichen Züge Octavian erinnern sie an ich früheres ich und die Grandezza mit der eben jener Monolog über das Altern im ersten Akt von ihr gebracht wird, lässt dann nicht die Uhren, sondern tatsächlich auch dem Publikum den Atem stehen. Alleine für diese Passage lohnt sich der Besuch des Abends und das finale Terzett krönt ihren Auftritt zurecht mit einem Moment der völligen Glückseligkeit. Bravissima Julia Kleiter, so schön kann Musik sein, herzerwärmemd, inspirierend und unbeschreiblich schön, auf einem Niveau wie es heute nur ganz ganz wenige beherrschen.
Dem steht Marina Prudenskaya in nichts nach, denn nur im Spiel weiste diese eben jene Sprunghaftigkeit auf, die zeigt, dass Octavian eigentlich ein Grünspan erster Güte ist, der noch gar nicht so richtig weiss, was er hier tut. Wenn in die Feldmarschallin belehrt, dass jedes Ding seine Zeit hat, beisst dieser lieber in das Kipferl anstatt zuzuhören, mit fast schon kindlicher Freude stellt er fest, dass die Feldmarschallin wohl um ihn Angst gehabt haben muss und kreist in seinem Tun und Handeln nur um seinen kindlichen Erfahrungshorizont ohne es zu merken. Erst mit dem zweiten Akt setzt die Entwicklung zum heranreifenden, jungen Mann ein denn auch erst hier trifft Octavian tatsächlich die Liebe in Gestalt von Sophie.
Gesanglich ist es schon ab den ersten Tönen beim „Wie Du warst“ ist es eine Freude ihrem lebendigen Mezzo zu lauschen, die Hingabe welche in „das ich vergeht im Du“ liegt, reisst uns mit, die fast schon kindliche Freude.Spiegelt sich in immenser Dynamik ihrer Stimme wieder, die sich dann im Verlauf des Abends, passend zur Entwicklung Octavians in gereifte und getragenere Bestimmtheit wandelt. Die Wärme, die Frau Prudenskaya schließlich in ihre Stimme legt, lässt keinen Zweifel daran, dass auch hier eine Künstlerin allererster Güte auf der Bühne steht, bravissima Marina Prudenskaya: „Geht all‘s sonst wie ein Traum dahin vor meinem Sinn!“
Dass Golda Schultz eine ebenso außergewöhnliche Sophie singen kann, ist seit ihrem Debut in dieser Rolle bei den Salzburger Festspielen von 2015 nichts neues mehr, in der Tat beweist sie an diesem Abend einmal mehr, daß sie diese Rolle wahrlich gemeistert hat. In der Tat ist das, was sie an diesem Abend wieder in dieser Rolle leistet „wie ein Gruß vom Himmel“, ihre Stimme ist von einer betörenden Süße und trifft in unnachahmbar Klar- und Zartheit due höchsten Tön, wie man es sonst nur von 60 Jahre alten Aufnahmen kennt. Es ist pures Gold, welches da in Tönen erklingt, von fast transparenter Fragilität und doch deutlich und kräftig im Klang. Wir können uns gar nicht daran satt hören und um so trauriger ist es, daß Frau Schultz mit dieser Seria Abschied von der Rolle nimmt. Verständlich natürlich und doch ein riesiger Verlust! Um so mehr genießen wir den Abend und freuen uns auf die zukünftigen Rollen, die diese Ausnahmesopranistin in Zukunft singen wird – bravissima Golda Schultz, es „ist ein Traum, kann nicht wirklich sein“!
Und noch zwei Personen gilt es abschliessend zu erwähnen, die an diesem Abend mehr als durchschnittliche Leistungen aufweisen: Zum einen ist das Wilhelm Schwinghammer, der erst am Vortag als Einspringer für den erkrankten Günter Groissböck als Ochs zur Verfügung stand, extra aus Genf einflog, wo er erst einen Abend zuvor die Partie in der Produktion von Chrostoph Waltz sang und in einem fast gänzlich unbekannten Bühnenbild und zu großen Kostümen einen Ochs vom Feinsten präsentierte: selbstverliebt, präpotent, uneinsichtig, unsensibel, ja regelrecht abgestumpft. Herr Schwinghammer gibt einen skrupellosen, unberechenbaren Widerling, der oftmals an Prominenz der heutigen Tage erinnert, er könnte Nationalratspräsident, Immobilieninvestor oder auch Staatsoperndirektor sein – ein herausragendes Spiel, welches einen tiefen Einblick in die dunklen Seiten Österreichs gibt. Weil das auch gesanglich bestens sitzt, wird mit diesem Ochs wahrlich keine Nacht zu lang und das tiefe G zum Ende des zweiten Akts ist eine wahre Lust und Freude, bravo Wilhelm Schwinghammer!
Schließlich ist noch das Dirigat von Joana Mallwitz zu erwähnen. Und das klang anders als sonst. Tatsächlich hat sie einene eigenen Stil in den Rosenkavalier gebracht, ist stets sehr sauber, nimmt teilweise das Orchester sehr stark zurück, um dieses Collier an Stimmjuwelen wirken zu lassen. Offensichtlich hat sich Frau Mallwitz lange mit der Akustik der Lindenoper auseinandergesetzt, denn diese nutzt sie hier bestens aus. Der erzeugte Klang ist also neu, aber nicht falsch, in gewissem Sinne sogar bewusst feminin. Das passt mehr als ausgezeichnet wenn beispielsweise im ersten Akt über die Zeit monologisiert und betont ihre Sensibiliät und Empathie ist dabei aber gleichzeitig so fein und sauber, dass diese nichts mit Verletzlichkeit oder gar Wehrlosigkeit zu tun hätte. Im Gegenteil, dieses Dirigat ist so sehr durchdacht, dass es wiederum eine neue Perspektive auf das Werk ermöglicht. Frau Mallwitz nutzt dabei ebenso die Stärken der wirklich außerordentlichen Staatskapelle Berlin, spielt mit ihrem einzigartigen, „deutschen“ Klang und kitzelt klangliche Kleinodien im Laufe des Abends heraus, die Lust auf mehr machen. Brava Joana Mallwitz!
jlljlllllllllllAls Fazit des Abends sind also zwei Dinge zu ziehen: Zum einen durften wir Zeuge eines brillanten Opernabends werden, der weit über dem durchschnittlichen Niveau sonstiger Rosenkavaliere lag und sowohl musikalisch als auch theatralisch Maßstäbe gesetzt hat. Zum anderen hat die Staatsoper Berlin mit einem Repertoire ihre Möglichkeiten eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Unter idealer Nutzung der akustischen Gegebnheuten, wurde ein Repertoirewerk aufgeführt, das wegweisend inszeniert ist und musaklisch herausragend besetzt ist.
„Wie macht denn das der Liebe Gott?“ – Da fährt man aus Wien kommend über Dresden nach Berlin und findet sich plötzlich in einer musikalischen Welt wieder, die in Wien nur noch als seltener Ausnahmezustand erlebt werden kann. Wenn Christian Thielemann nun ab der Saison 2024/ 25 die Leitung dieses ohnehin herausragenden Klangapparates übernehmen wird ist schlicht davon auszugehen, dass die Staatsoper Berlin das mit Abstand beste Haus im deutschsprachigen Raum und für Oper des deutschen Fachs sein wird. „War ein Haus wo, da warst du drein, und die Leut‘ schicken mich hinein, mich gradaus in die Seligkeit! Die waren g’scheit!“
E.A.L
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