Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Staatsoper: SAMSON ET DALILA

12.12.2019 | Oper

Bildergebnis für berlin staatsoper samson et dalila
Elina Garanca und Brandon Jovanovich beim Finale. Foto: Staatsoper Berlin

Berlin: „SAMSON ET DALILA“ – 11.12.2019

Besuchte ich zwar am Vorabend die „Salome“ in einer ausgezeichneten Aufführung, galten jedoch das Hauptinteresse während einer Privatreise nach Berlin meinen musikalischen Begierden „Samson et Dalila“ (Camille Saint-Saens) und vor allem Elina Garanca in der Staatsoper Unter den Linden. Eigentlich wollte ich nur genießen, jedoch  von den Glanzleistungen der Akteure animiert kribbelte es  in meinen Fingern und  brachte meine Eindrücke zu Papier.

 Nach über einem Dutzend div. Inszenierungen genoss ich nun diese optisch interessante Produktion fernab jeglicher Regietheater-Auswüchse. Damián Szifron erzählte die Geschichte in ihrer textlichen Urform, beleuchtete die konfliktreiche Beziehung der Titelpartien akribisch, die Hassliebe Dalilas ja sogar im dritten Aufzug mit Anzeichen von Reue, reichte sie dem verhöhnt Geblendeten einen Trinkbecher, ersticht den verhassten Oberpriester, man könnte sagen in erneut unterschwellig entflammter Liebe, lagen offenbar Samsons beeindruckende Stärken nicht nur in der Kraft des Haupthaars?

Einer Felsenschlucht in fahlem Mondlicht sowie gleißendem Sonnenstrahl wurde man im ersten Bild gewahr, Dalila empfing nicht in pompösem Haus, nein in schlichter Höhle mit Feuerstelle und Lammfell-Unterlage. Ètienne Pluss schuf die stimmige Optik und erschloss die prunkvolle Bühnen-Welt erst in der Tempelszene. Dezent einfach ohne Schnickschnack ebenso die Kostüme (Gesine Völlm) wurden ebenso im letzten Akt opulenter, sowie davor beim  Auftritt der unterdrückenden Philister. Die blutigen Gewalt- und Folterszenen empfand ich als überflüssig, im Gegensatz wirkte das Bacchanal zu brav in teils unfreiwilliger Komik. Vorzüglich das Lichtdesign (Olaf Freese), obwohl es mancher Szenerie mehr Helligkeit bedurfte.

Daniel Barenboim am Pult der bestens disponierten Staatskapelle Berlin betonte zunächst im ersten Aufzug die Bezüge des Werkes zum Oratorium. Verhalten, düster erklang das Vorspiel, sich allmählich orchestral steigernd unterzog Barenboim die Partitur einer genauen Analyse ohne jegliche Effekthascherei. Maestro hatte alles unter Kontrolle, mit peniblem Gespür für Tempi  navigierte der erfahrene Dirigent sein Instrumentarium und die Sänger durch die heiklen Ensembles. Technisch sehr versiert zeigte sich der Klangkörper besonders bei den Holzbläsern, den herrlich intonierenden Streichern und behielt selbst während den eruptiven Forte-Wuchten stets eine ausgewogene Klangbalance.

Überwältigend die Bühnenpräsenz der unvergleichlichen Elina Garanca selbst in zunächst schlichter Gewandung, in genialer großartiger Darstellung prädestinierte sich die Künstlerin geradezu als ideale Dalila. Während eines Recitals vor wenigen Wochen gewährte mir die grandiose Sängerin wiederum Einblicke in die immensen Steigerungen ihres inzwischen ins dramatische Fach gereiften herrlichen Mezzosoprans. Man braucht kein Fan zu sein um die überragenden Leistungen der Dame zu preisen: warm timbriert erklang ihre Auftritts-Arie Printemps qui commence, ohne Pause folgte im zweiten Akt geprägt von unterschwelliger Leidenschaft Samson, recherchant ma présence mit den exzellent bewältigten Oktavsprüngen in zuweilen abgrundtiefen dunklen Altlagen. Realistisch, in atemberaubend-musikalischer Konsequenz, alle Tücken der Intervalle meisterhaft absolvierend bewies Garanca im Duett J´ai gravi la montagne – Samson, me disais-tu mit dem Oberpriester stets die vokale Oberhand. In Rückenlage mit angewinkelten Knie die einladende Verführung pur, welcher Samson (Mann) könnte da widerstehen, formte Elina Garanca Bögen mit unendlich scheinendem Atem, zauberte betörend, sinnlich erotisch knisternd Mon coeur s´ouvre á ta voix fügte in höchst dramatischem Aplomb Mais!..non! Que dis-je, helas! hinzu, brachte letztlich triumphierend Samson zu Fall und ab war der Zopf! Bravo – welche Extremleistungen innerhalb von 95 Minuten! Ein wahres Kinderspiel dagegen das Final-Ensemble Gloire á Dragon vainqueur! Aus meiner Sicht scheint Elina Garanca nach dieser kolossalen Leistung von ihrem persönlichen „Mount Everest“ nur noch wenige Zentimeter entfernt!

Der phänomenalen Dalila stand ein ebenso großartiger Samson zur Seite. Brandon Jovanovich ließ sich zwar als erkältet ansagen, jedoch zeigte der amerikanische Tenor keinerlei vokale Schwächen. Vom Erscheinungsbild der ideale Rächer der Hebräer, groß, schlank ein attraktives Mannsbild, die schwarzen Locken später im Zopf gebändigt bot er seiner verführerischen Dalila vokale Paroli. Höchsten Respekt verdienten diese überwältigenden Ressourcen, die nuancenreiche Stimme ließ keine Wünsche offen. Temperamentvoll schier spielerisch jonglierte Jovanovich sein herrlich timbriertes Material in tenoral-dynamische Steigerungen bereits beim ersten Auftritt Arrétez, ó mes fréres, während des Duetts,  der Szene im zweiten Akt En ces lieux, malgré moi – Ah! Cresse d´affliger mon coeur. Kraftvoll manövrierte der Sänger die Mittelbereiche seiner klangvollen Stimme in strahlende Höhenbereiche und überzeugte jeden Moment ob während des Gebets Seigneur, inspire-moi bis zum expressiven Finale Souviens-toi de ton serviteur. Wahrhaft ein ideales Traumpaar der Oper!

Dem Oberpriester verlieh Michael Volle mit sehr voluminösem Charakterbariton eine gefährliche Autorität und beeindruckte mit einer Fülle dunkel-markanter Vokalfarben und verhalf mit dem bereits erwähnten Dalila-Duett zu einem weiteren optimalen Highlight.

Vergeblich verhallten die sonoren Warnungen des alten Hebräers (Wolfgang Schöne), schwarze Basstöne verlieh Kwangchul Youn dem Abimelech und schönstimmig fügten sich Andrés Moreno-Garcia, Jaka Mihelac, Javier Bernardo als Philister und Bote ein.

Vortrefflich demonstrierte der Staatsopernchor (Martin Wright) in ausgewogener Führung, bester Stimmführung und klanglicher Souveränität die gewaltigen Chorparts.

Lautstarke Begeisterung des Publikums insbesondere für Garanca, Jovanovich und Barenboim. Für mich ein nachhaltig-grandioses musikalisches Erlebnis, allein dafür lohnte sich die Anreise.

Gerhard Hoffmann

 

 

Diese Seite drucken