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BERLIN/ Staatsoper: SALOME. Premiere

Der große Abend des Thomas Guggeis!

04.03.2018 | Oper


Copyright: Monika Rittershaus

BERLIN / Staatsoper Unter den Linden: SALOME.  PREMIERE, 4.3.2018

Der große Abend des Thomas Guggeis!

Es gibt da etwas ungemein Positives an dieser  – erwartungsgemäß – umstrittenen Premiere. Ein junger gerade einmal 24 Jahre junger Dirigent erhält die Chance seines Lebens und darf von keinem geringeren als Christoph von Dohnányi, der angeblich im Zorn schied,  die gesamte Salome- Serie übernehmen. Dabei ist Dohnányi seinerseits schon für den verletzten Zubin Mehta eingesprungen. So findet eben ein überfälliger Generationenwechsel statt, ein durchaus erfreuliches Phänomen im Großen Opernzirkus der so oft immer selben Namen gerade bei den Dirigenten. Thomas Guggeis ist der neue Heißsporn, er hatte bereits die Generalprobe am 1. März dirigiert und ist seit der Saison 2016/17 Assistent von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim und Korrepetitor der Staatsoper. Jetzt hat er bereits einen Dirigentenvertrag mit Stuttgart in der Tasche und wird sicher seine Karriere machen. Was Guggeis aus der Partitur holt, wie er Spannungen aufbaut, und Details hörbar macht, den ganzen Farbenreichtum der Oper auffächert und glühen lässt, ist großes Opernkino. Auch sind seine Bewegungen fließend schön und von konziser Kraft. Intendant Jürgen Flimm hilft ein  bisschen beim Start, indem er vor der Oper vor den Vorhang schlüpft und erklärt, in der Oper sei es wie beim Fussball, da wechseln auch öfter die Trainer. Als Flimm  auch noch erwähnt, dass der junge Mann das volle Vertrauen des Orchesters und der Sänger hat, gibt es einen Auftrittsapplaus wie weiland bei den ganz Großen. Ein bewegender Moment in der Operngeschichte…

Hans Neuenfels zeichnete für die Regie verantwortlich und lieferte eine interessante hochästhetische Inszenierung, die sowohl die literarische Vorlage des Oscar Wilde ernst nimmt als auch wundervolle Theatermomente bietet. Neuenfels sieht „Salome“ als ein Stück über Sexualität, fetischhafte Besessenheit und Christentum, das auf Unterdrückung baut, im Falle des Textdichters Oscar Wilde  wegen dessen im viktorianischen London nicht geduldeter Homosexualität. Für Neuenfels dreht sich alles um die drei Hauptfiguren Salome, den Propheten Jochanaan und Herodes. „Herodes wird immer unterschätzt. Er ist ein Amokläufer vor sich selbst, Angst und Schrecken wuchern in ihm. Er ist planlos und steht immer unter 100 Volt“, sagte Neuenfels der Berliner Morgenpost. „Salome ist dagegen mit einem Plan radikalisiert. Jochanaan bebt vor Verboten und Anschuldigen der anderen, eigentlich nur, um seine eigene Gefährdung durch die Leibeswünsche zu überdecken.“ Bühne und Kostüme (Reinhard von der Thannen) sind ganz in schwarz weiß gehalten. Ein leerer Raum mit Sesseln, der „berühmte“ silberne Jochanaan Käfig gleicht eher einer überdimensionierten Patrone oder einem Raketenkopf als einem Penis. Ein stilisierter geometrisch angeordneter Boden wie aus einem griechischen Palais, ein Vorhang, der die Bühne nach hinten begrenzt, das ist alles. Neuenfels führt als deus ex machina, als advocatus diaboli Oscar Wilde selbst auf die Bühne. Christian Natter als Dichter mischt sich in das Geschehen, er öffnet die Türe zu Jochanaans Gefängnis, er vollführt mit Totenkopfmaske und in einem weiß schwarzen Glitterkorsett mit Salome den Tanz der sieben Schleier, um Macht und Tod, Verführung, Anziehung und Abstoßen, Auszehrung der vordergründigen Freiheit bis zum Kannibalismus – eine der besten und packendsten Regieeinfälle dieser Arbeit. Ansonsten ist die Personenregie konventionell, die freigelegten Leidenschaften entsprechen den Hitzegraden im Orchestergraben. Damit ist Neuenfels Ansatz wesentlich musikalischer und stringenter als dies bei Claus Guths Salome an der Deutschen Oper der Fall war. Am Ende fährt ein Tableau wie ein Schachbrett mit 42 Köpfen auf die Bühne. Salome singt auf diesem Schachbrett des Grauens ihren Schlussgesang, assistiert von Oscar Wilde himself. Einer der Köpfe zerbricht, Salome küsst den Scherben mit dem Mund, am Ende wird sie von den Wachen erstochen.


Copyright: Monika Rittershaus

Das Problem der Aufführung ist eindeutig und entgegen aller Vermutungen nicht die Regie, sondern die Besetzung der Titelrolle mit Ausrine Stundyte. Wie schon bei ihrer Charlotte in Schrekers Gezeichneten an der Komischen Oper Berlin, kultiviert die Sopranistin einen eigenartig manierierten Mischstil aus Deklamation, mezza voce und forcierten Höhen. Die Stimme ist im piano klangschön, ihr fehlen aber Tiefe, Durchhaltevermögen und Volumen, um mit den Orchestermassen zurecht zu kommen. Der erste Solovorhang gerät beinahe zu einem Buhorkan. 

Dafür ist Thomas J. Mayer ein prächtig orgelnder Jochanaan comm eil faut, Gerard Siegel ein fantastisch dekadenter und höhensicherer Herodes und Marina Prudenskaya die frischeste und beste Herodias, die ich je auf einer Bühne erlebt habe. Nikolai Schukoff ist für die kleine aber schwierige Rolle des Narraboth eine ausgesprochene Luxusbesetzung mit tollen Höhen, Annika Schlicht überzeugt als Page der Herodias. Der Rest der Besetzung ist rollendeckend, mehr nicht.

Am Ende viel Beifall auch für Hans Neuenfels und sein Team. Dirigent Thomas Guggeis wurde von Publikum, Orchester und Ensemble frenetisch gefeiert. A Star is born! Das ist der Stoff, aus dem die (Opern)Träume sind. Ein seltener, erhabener Moment.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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