Berlin/ Staatsoper: Mozarts „IDOMENEO“, Premiere, Liebe unterm Totenkopf. 19.03.2023
Anna Prohaska; Movement Group. Foto: Bernd Uhlig
Premiere der Neuinszenierung wird diese „Idomeneo“-Aufführung genannt, doch sie war schon im März 2020 angekündigt und fiel dann der Corona-Pandemie zum Opfer. Immerhin ist alles genau so wie damals. Simon Rattle schwingt den Taktstock und himmelt Wolfgang Amadeus Mozart detailverliebt an. Aber kein Zweifel – der hat es mehr als verdient.
Ob ihm jedoch der riesige Totenkopf gefallen hätte, der mit hohlen Augen und verbundenem Mund fast knapp vier Stunden lang das Publikum böse anblickt? Soll der vielleicht den Gott Poseidon darstellen, der Menschenopfer mag.
Genau um ein solches geht es in dieser alten Sage. Und es war wirklich sehr gefährlich, diesen unwirschen Meeresgott in vermeintlich hoffnungsloser Sturmsituation um Hilfe zu bitten und ihm ein solches Opfer zu versprechen. Idomeneo tut es und will dem Poseidon den ersten Menschen opfern, der ihm an Land begegnet.
Das ist ausgerechnet sein Sohn Idamante, gut gesungen und gespielt von Magdalena Kožená in der Hosen- bzw. Mantelrolle. Erschreckt wendet sich Idomeneo – der britische Tenor Andrew Staples – ab und hält dann Abstand zu seinem darüber enttäuschten Filius.
Des weiteren füllen im ersten Akt zwei sich liebende, aber wie verloren wirkende Menschlein die ansonsten (von Vicki Mortimer) relativ bunt gestaltete große Bühne. Es sind Idamante, sozusagen der gute Mensch von Kreta, der allen Gefangenen die Freiheit gegeben hat, darunter auch der Trojanischen Prinzessin Ilia.
Anna Prohaska singt sie sehr gekonnt und in einer erstaunlich edlen Robe (Kostüme: Gabrielle Dalton), die wenig zu ihrer Situation passt. Jedenfalls haben sich die beiden jungen Menschen sofort ineinander verliebt, wagen aber lange nicht, das einander zu offenbaren.
Und überhaupt – im Text von Giambattista Varesco wollen alle, die nicht ihren Liebsten oder ihre Liebste bekommen, sogleich sterben. Eine Alternative fällt ihnen nicht ein. Auch die Tanzeinlagen der Movement Group, teils mit Samurai-Schwertern, peppen das Geschehen kaum auf.
Erst im 2. Akt wird die Handlung interessanter und von Mozarts Musik auch zugeschärft. Heftiger Zwischenbeifall gilt alsbald dem Tenor Linard Vrielink als Arbace, der dem König rät, seinen gefährdeten Sohn zusammen mit Elettra außer Landes zu schicken. Er singt das mit erkennbarer Überzeugung.
Das gleiche gilt für Olga Peretyatko als Elettra, die mit perfekten und temperamentvollen Koloraturen verrät, wie sie Idamante betören will, damit er sich ihr zuwendet und Ilia vergisst.
Noch mehr Leben entsteht auf der Bühne, als ein Seeungeheuer erscheint, das die Abreise des ungleichen Paares unmöglich macht und ganz Kreta in Angst und Schrecken versetzt.
Nun kommt der Staatsopernchor, einstudiert von Martin Wright, mit Stimmgewalt zum Einsatz, und auch die Staatskapelle Berlin dreht nun, von Rattle animiert, kräftig auf. Idomeneo, der sich selbst opfern will, um das Ungeheuer zu besänftigen hat jedoch keine Chance.
Idamante versucht nun, beim Kampf gegen das Ungeheuer den Tod zu finden, doch stattdessen besiegt er es. Also zückt Idomeneo doch noch sein Schwert, um den Sohn zu töten und damit sein Gelübde zu erfüllen. Idamante küsst, wie er singt, sogar die Hände des geliebten Vaters, der ihn umbringen wird. Nur durch Mozarts Musik lässt sich solches ertragen.
Jedenfalls erinnert diese Szene an Abraham, der seinen Sohn Isaak auf Gottes Befehlt opfern sollte. In der Bibel lässt sich Gott durch Abrahams Gehorsam erweichen, in der Sage geschieht es durch die von Ilia gezeigte Liebe und Opferbereitschaft. Köpfe der Religionsführer, wie einst in der Neuenfels-Inszenierung an der Deutschen Oper, fallen hier jedenfalls nicht….
Unter den Gesängen von Florian Hoffmann als Oberpriester des Neptun und Jan Martiník als die Stimme wird das junge Paar zum König und der Königin von Kreta ernannt. Doch mehr begeistert die vor Ärger tobende Elektra das Publikum. Das applaudiert zuletzt heftig und rafft sich noch zu „Standing Ovations“ auf.
Ursula Wiegand
Weitere Termine am : 23., 26., 28. und 30. März.