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BERLIN/ Staatsoper: LOHENGRIN. Premiere auf „Arte“

14.12.2020 | Oper international

 

Alo
Roberto Alagna. Foto: Youtube

Staatsoper Berlin: LOHENGRIN , Premiere auf Arte , 13. Dezember 2020

Knapp vor dem erneuten allgemeinen Lockdown in Deutschland wegen der immer präkärer werdenden Infektionszahlen durch Corona zeigt die Berliner Staatsoper unter Ausschluß cder Öffentlichkeit die Premiere von Wagners Lohengrin auf ARTE.

CALIXTO BIEITO führt Regie. Einst Infant terrible ist er inzwischen zum etablierten Regisseur geworden, der international in engem Takt Inszenierungen ausstößt. Hier bei Lohengrin bleibt seine szenische Sprache doch recht starr und plakativ. Regietheater-Mätzchen, ästhetisch bereits überholt, spicken seine Lesart und eine stringente Aussage ist nicht zu erkennen. Der Abstand haltende, auf festen Positionen beharrende Chor hebt Wort-Schilder in Castorf- oder Konwitschny- Manier der 80er Jahre, winkt in großen Gesten oder schminkt sich zu Clowns. Überhaupt berührt sich niemand, sicher eine Art Sicherheitskonzept, was aber bei dem heftigen Aerosolausstoß von so viel Beteiligten auf doch engem Raum gar keinen Sinn macht. Hoffentlich sind alle regelmäßig gestestet.

Recht simple Symbolsprache weist den Weg: ein winziger Papierschwan, etliche Puppen, ein Spielzeugauto werden bedeutungsschwanger bespielt. Ein unsinnlicher Gerichtssaal ist das Ambiente, in dem erst Elsa, später auch Telramund in einem Käfig gefangen gehalten wird. (Bühnenbild: REBECCA RINGST). Ansonsten ist alles, vielleicht auch der Pandemie und etwas der Dramaturgie des Stückes geschuldet, sehr statuarisch. Die Kostüme (INGO KRÜGLER)  bedienen Erwartetes: die Guten in weiß, Ortrud in Neid- Gelb, der Rest in Anzügen. Unvermeidliche Videoszenen degradieren die Vorspiele zur Filmmusik (Video: SARAH DERENDINGER). Wären nicht intensive Sängerdarstellerleistungen einiger Protagonisten, wäre es ein szenisch schaler Abend.

Musikalisch hat MATTHIAS PINTSCHER die Zügel straff in der Hand, reizt aber die Agogik und Klangsinnlichkeit wenig aus. Das Instrumentarium ist  ausgedünnt, das Blech spielt ungehemmt kraftvoll, die Holzbläser klingen exzellent und die Streicher sind unterbesetzt. Um zu kompensieren, dass man weniger Musiker im Graben hat, wird man den Eindruck nicht los, als wolle man umso dramatischer und lauter spielen lassen, manchmal langstreckenweise im Dauerforte. Mehr Momente des Innehaltens und der Intimität wären sehr wünschenswert. Der Chor (Einstudierung MARTIN WRIGHT), speziell der Frauenchor klingt sehr warm und leuchtend.

Mit großer Spannung war ROBERTO ALAGNAs Debüt als Lohengrin erwartet worden. Und man darf sagen, dass er stimmlich keine Wünsche offen lässt. Sein fließender, großer Tenor strömt satt durch die Phrasen. Die deutsche Artikulation ist erstaunlich gut, wenngleich er nicht jede Phrase inhaltlich durchdrungen haben dürfte und sich auch szenisch nicht gerade verausgabt. Seine Erzählung im dritten Akt gelingt ihm stimmungsvoll und strahlendst.

Ebenfalls debütiert VIDA MIKNEVICIUTE als Elsa. Die dramatischen Passagen gelingen ihr noch zwingender als manche lyrische. Aber auch sie gibt ein gelungenes Rollenportrait, mehr durch Schwermut und Ernst als jugendlicher Unschuld geprägt.

Eine Sensation ist ELENA GUBANOVA als Ortrud. Vokal so üppig und farbig lodernd hat der Rezensent diese Rolle noch nie gehört. Ihr Mezzosopran erklingt grenzenlos, und das in einer so gefürchteten Partie. Dazu ins Detail gestaltend auch im Spiel mit vielfältigen Nuancen von Bösartigkeit, die aus Verletzungen resultieren. Ihr Bühnenpartner Telramund wird von MARTIN GANTNER  intensiv und ehrlich gestaltet. Sein heller, sehr hoch liegender Charakterbariton kommt mit den Klippen gut zurecht und er macht sich die Rolle weniger mit der Stimmwucht eines Stentors als mit präziser Diktion und Intelligenz zu eigen.

Mehr als eine Bank für die Staatsoper ist RENE PAPE, diesmal als König Heinrich. Balsamisch gibt er seinem Bass Größe und spürt dem Sinn jeder Phrase nach wie kein zweiter. Eine parkinsonsche Hand und leichtes Gesichtszucken machen ihn zur gebrochen Figur. ADAM KUTNY  spielt und singt den Heerrufer. Er soll den Kasperl/ Spielmacher geben, übermotiviert von der Regie im Kontrast zu allen anderen, die eher psycholigisch ihre Partien begreifen. Stimmlich forciert er anfangs, findet dann aber seinen Weg. Die vier brabantischen Edlen seien nicht vergessen, die wortverständlich ihre kurze Stelle markant präsentieren.

Durch diese großteils exzellenten Sängerleistungen ist es ein insgesamt gelungener Abend.

Man wünscht und hofft für alle Beteiligten, dass dieser auch bald vor Publikum gezeigt werden kann.

Christian Konz

 

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