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BERLIN/ Staatsoper: LOHENGRIN. Andreas Schager, Elza van den Heever und Ekaterina Gubanova sorgen für ein veritables Sängerfest (Kurzkritik)  

06.12.2021 | Oper international

BERLIN / Staatsoper Unter den Linden „LOHENGRIN“, 4.12.2021

 

Andreas Schager, Elza van den Heever und Ekaterina Gubanova sorgen für ein veritables Sängerfest

 

Kurzkritik

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Ekaterina Gubanova (Ortrud). Foto: Monika Rittershaus

 

Ein Opernhaus ist immer so gut, wie  das Repertoire funktioniert. Also klappte es in der Staatsoper Unter den Linden diesmal grosso modo vorzüglich. Bei einer Vorstellung von Lohengrin, dessen Premiere am 13.12.2020 pandemiebedingt noch ohne Publikum über die Bühne gehen musste, war das Haus diesmal dank der Berliner Corona-Politik, die es diesmal mit der Kultur (noch) gut meint, ziemlich voll. Das Plus der kulanten 2G Plus Regel verlangt vom Publikum nämlich nur als das Tragen einer Maske, aber keinen Test. In den Pausen kann man – natürlich ganz ohne – gemütlich seinen Wein trinken. 

 

Die Premiere 2020 brachte endlich das Lohengrin-Rollendebüt des tapferen Roberto Alagna, assistiert von der für Yoncheva eingesprungenen Vida Miknevičiūtė als Elsa und René Pape als Heinrich der Vogler. Es dirigierte der Komponist  Matthias Pintscher. Die umstrittene Produktion, über die ich mich hier nicht äußern will –  es gibt im Netz genügend lesenswerte Versuche einer Entschlüsselung, wie auf der Website concerti.de – lag in den Händen des für Extravaganzen bekannten Produktionsteams Calixto Bieito (Regie), Rebecca Ringst (Bühne) und Ingo Krügler (Kostüme).

 

In der Wiederaufnahme, deren zweite Vorstellung ich besucht habe, waren von der Premierenbesetzung noch Martin Gantner (Friedrich von Telramund), Ekaterina Gubanova (Ortrud) und Adam Kutny (Heerrufer des Königs) präsent. Thomas Guggeis, designierter Generalmusikdirektor des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, dirigierte diesmal die prächtig disponierte Staatskapelle Berlin. Im Gegensatz zu Pintscher legte Guggeis das Hauptaugenmerk auf eine differenzierte Dynamik, kostete die vielen Piani in den Streichern genüsslich aus und ließ so das mystisch-geheimnisvolle der Partitur voll zu ihrem Recht kommen. Ein Extralob verdient die brillant virtuose Bläsersektion der Staatskapelle. Die Posaunen waren in den Proszeniumslogen postiert, was eine enormen Raumwirkung erzeugte. Das letzte Mal habe ich etwa das Morgenlied und den Aufzug der Heere so aufregend musiziert an der Wiener Staatsoper unter Abbado gehört.

 

Eine goldene Palme, wenn es sowas für die Oper gäbe,  gebührt Andreas Schager als Lohengrin. Schager ist ein echter, robuster Heldentenor mit durchschlagenden Höhen, aber auch einer belastbaren und klangschönen Mittellage. Derzeit kann ihm in diesem Fach wohl niemand das Wasser reichen. Im großen Duett mit Elsa im dritten Akt und in der Gralserzählung hat er sich für seine Verhältnisse auch erstaunlich zurückgenommen. Als Bühnenfigur ist Schager darstellerisch präsent und charismatisch. Sein Lohengrin, der sicher nicht der zart besaiteten Vorsichtsfraktion angehört, ist an diesem Abend eine Offenbarung an mächtigem Wagner-Gesang. 

 

Die größte positive Überraschung des Abends bot für mich Elza van den Heever als Elsa. Im Besitz eines jugendlich dramatischen, cremig dunklen timbrierten Soprans, schöpft sie stimmlich aus der Vollen. Selbst die Spitzentöne gelingen leicht und üppig. Eine Grenze war da nirgends zu spüren. Das Repertoire der niederländischen Sopranistin, auch sie eine begnadete Darstellerin, reicht von Barockmusik (an der MERT wird sie im März 2022 die Titelpartie in Händels „Rodelinda singen) über Belcanto bis zu jugendlich dramatischen Partien im deutschen Fach (2022 Chrysothemis und Fidelio). 

 

Die dritte im Bunde der memorablen Gesangleistungen an diesem Abend bot zweifelsohne Ekaterina Gubanova als Ortrud. Sie ist keine hochdramatische Sopranistin, sondern ein sehr jung und frisch klingender dramatischer Mezzo mit unerschöpflicher Höhe. In dieser Inszenierung ist Ortrud eine am Ende vollkommen hysterische, weil abgehalfterte Karrieristin. Da sich der Regisseur in der Personenführung offenbar am meisten für die Psychologie der beiden Frauen interessiert hat, gelingen hier auch überzeugende szenische Lösungen. Etwa im zweiten Akt, wenn Elsa vor dem großen Duett mit Ortrud in einen langen Schleier wie in einen Kokon gehüllt die Bühne betritt und zu sich selbst sprechend ihr Innerstes preisgibt. Die in anschließenden Zwiegesang intime Nähe zu Ortrud und die unerfüllbare Sehnsucht der beiden nach dem Glück mit den zur Verfügung stehenden Männern werden hier erhellend offenbar.  

 

Martin Ganter mit seinem höhenlastigen, metallisch hell timbrierten Bariton ist leider ganz und gar kein glaubhafter Telramund. Die Dämonie und Durchtriebenheit der Figur ist in keinem Moment weder stimmlich noch darstellerisch wahrnehmbar. Eine Fehlbesetzung. Auch Gábor Bretz enttäuscht als König Heinrich. Mit einem monochromen, von Volumen und Expansionsfähigkeit her limitierten Bass bleibt er als Figur und insbesondere neben den Stimmkalibern von Schager und van den Heever auch akustisch blass. Den Heerrufer von Adam Kutny, der sich hier als Clown gebärden muss, fand ich sehr gut und was die Bühnenpräsenz anlangt, beeindruckend profiliert. 

 

Der Chor mit seinen umfangreichen Aufgaben wurde wie schon  für die Premiere von Martin Wright einstudiert. Die Chorleistung insgesamt war grandios und ließ kaum Wünsche offen. Es gab ein paar Wackelkontakte mit dem Orchester, die aber den Gesamteindruck nur wenig schmälerten.

 

Am Ende viel Jubel und ein einsamer Buhrufer beim ersten Vorhang für Schager, der in Anbetracht der überwältigenden Zustimmung des restlichen Publikums diese einzelne Meinungsäußerung richtigerweise auf die leichte Schulter nahm. 

 

Hinweis: Am 12.12. gibt es noch die Gelegenheit, die Produktion in dieser Besetzung zu erleben. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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