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BERLIN/ Staatsoper: LA STRANIERA – konzertant mit Edita Gruberova

11.06.2015 | Oper

Berlin/ Staatsoper:LA STRANIERA“ konzertant mit Edita Gruberova, 10.06.15

Edita Gruberova + Staatskapelle Berlin in La Straniera, Foto Thomas Bartilla
Edita Gruberova mit der Staatskapelle Berlin. Foto: Thomas Bartilla

Sie kam, sah und siegte. Wiederum. Edita Gruberova, die unglaublich dauerhafte, noch immer und zu Recht anerkannte Diva assoluta.

Nur zweimal hat sie in der ausverkauften Staatsoper im Schillertheater die Alaide in Vincenzo Bellinis Melodramma „La Straniera“ (die Fremde) gesungen, eine fast vergessene Oper, die speziell für sie wiederentdeckt und vielerorts aufgeführt wurde und wird. Mal konzertant wie jetzt in Berlin, mal szenisch, wie z.B. in Zürich oder kürzlich in Wien.

Doch das Siegen fällt der Triumphgewöhnten an diesem 2. und letzten Berliner Abend hörbar schwer. Die wunderbaren Glissandi, die Modellierung einzelner Töne und Phrasen, die ihr noch bei der hiesigen Norma-Premiere am 29.10. 2011 zumeist bestens gelangen, sind „gone with the wind“.

Fast 4 Jahre sind in einer fortgeschrittenen Lebensphase eine lange Zeit. Mit all’ ihrem technischen Können und ihrer rd. 45jährigen Bühnenerfahrung stemmt sie sich jedoch gegen den Tribut, den die Zeit auch ihr abfordert. Eine Königliche nach wie vor, der man/frau die verkappte Regentin Agnese abnimmt. Schon an Edita Gruberovas Haltung und ihrer nach wie vor guten Figur könnte sich manch eine Jüngere ein Beispiel nehmen. 

Dennoch lässt der 1. Akt sensible Menschen angstvoll zittern. Die Schwierigkeiten beim Erreichen der anspruchsvollen Spitzentöne sind unüberhörbar. Ganz vorsichtig werden sie angesetzt, auch mal von unten angeschliffen, nicht immer vollends erreicht oder scharf herausgeschleudert. In der Mittellage scheint es an Kraft zu fehlen. Die klingt öfter kaum nach Belcanto, obwohl Frau Gruberova von der Staatskapelle Berlin unter Peter Valentovic auf Händen getragen wird. Doch die Romanze „Sventurato il cor che fida“ gelingt und wird sogleich mit Bravos und sogar Bravissimos belohnt. Das muss wohl Liebe sein, die sich so überschwänglich äußert und anderes nicht zur Kenntnis nimmt.

Auch Sonia Ganassi, die Isolettain der „Norma“ als Adalgisa in sehr angenehmer Erinnerung – scheint anfangs etwas indisponiert oder nervös zu sein, klingt doch ihr Mezzo zunächst etwas heiser. Dagegen können die Herren aus dem Stand überzeugen, José Bros (mit Belcanto-Tenor) als Arturo di Ravenstel und noch mehr Alfredo Daza als Valdeburgo, eigentlich Alaides Bruder Leopoldo. Mit Klangreichtum gefällt der junge Jan Martiník aus dem Ensemble der Staatsoper in der Doppelrolle Signore di Montolino / Prior. Den Intriganten Osburgo gibt Jonathan Winell.

Was aber sofort positiv auffällt, sind die gelungenen Bemühungen der Interpreten, ihren Rollen trotz der konzertanten Aufführung Leben einzuhauchen und ihre Gefühle auszudrücken, was den 2. Akt, als sich das Drama zuspitzt, aufwertet und hörbar aufpoliert. Während sich Frau Gruberova darstellerisch etwas zurückhält, lässt uns Sonia Ganassi, die ungeliebte Braut, an all’ ihrer Verzweiflung mit einem nun perfekten Mezzo in der Arie „Ah! se non m’ami più“ teilhaben.

Großartig steigern sich José Bros als in Alaide wahnsinnig Verliebter Arturo und Alfredo Daza, der beim Duell fast das Leben einbüßt. Speziell Daza singt die Wut und Enttäuschung über seinen Ex-Freund Arturo mit Temperament und dunkel eingefärbtem Bariton und zorniger Mimik imponierend heraus und bekommt dafür sofortigen Beifall. Glänzend auch der von Frank Flade einstudierte Staatsopernchor, der von Anfang an die Aversionen der Bevölkerung gegen die rätselhafte Fremde hören lässt, sie dann aber „wendehalsig“ feiert, als zuletzt ihre Stellung als Königin offenbar wird.  

Edita Gruberova in La Straniera, Foto Thomas Bartilla
Edita Gruberova beim Schlussapplaus. Foto: Thomas Bartilla

Und Edita Gruberova? Sie findet nach dem langen Anlauf fast zu früherer Form zurück, bringt vor allem die lyrischen Partien – ihr Schwanken zwischen Liebe und Verzicht – mit schönen Piani und berührender Innigkeit. Die letzten Spitzentöne schmettert sie kraftvoll heraus, schon konditionell eine Leistung, die allen Lobes wert ist.

Dass sie ihren Zenith überschritten hat, weiß sie sicherlich. Sie selbst hat ja die Messlatte in ihrer Glanzzeit in eine Höhe gelegt, die nicht viele erreichen werden. Doch die oft zu hörenden/lesenden Ratschläge, endlich aufzuhören, wird sie, wenn sie gesund bleibt, vermutlich noch eine Weile ignorieren. So lange sie die Häuser füllt und der Schlussapplaus mitsamt standing ovations sie umbrandet, wird sie sich kaum zurückziehen wollen. Oder? Noch immer ist sie auf ihre Art ein Ereignis.

Ursula Wiegand

 

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