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BERLIN/ Staatsoper: KING ARTHUR von Henry Purcell – aufgepeppte Premiere

16.01.2017 | Oper

Berlin/Staatsoper: KING ARTHUR“ von Henry Purcell, aufgepeppte Premiere, 15.01.2017

King Arthur, Anett Fritsch (Philidel) und Hans-Michael Rehberg (Merlin), Foto Ruth Walz
Anett Fritsch (Philidel), Hans Michael Rehberg (Merlin). Copyright: Ruth Walz)

Wenn René Jacobs kommt, ist die Staatsoper im Schillertheater ausverkauft. So auch diesmal bei „King Arthur“ von Henry Purcell, einer weitgehend unbekannten Semi-Opera, einer Melange aus Musik, Text und Tanz. Musiktheater, wie es seinerzeit Mode war.

König Arthur ist der Gründungsmythos Britanniens schlechthin, doch der Text von John Dryden (1631-1700) war wohl den Regisseuren Sven-Eric Bechtolf und Julian Crouch zu old fashioned und trotz der märchenhaften Zutaten zu geradlinig.

Daher wird hier die Handlung zusätzlich in den Zweiten Weltkrieg verlegt, den Kampf Englands gegen Hitler-Deutschland. Aus dem mythischen König Arthur wird mitunter ein Bomberpilot, der beim Einsatz – womöglich am D-Day – ums Leben gekommen ist. Beide Ebenen kreuzen sich immer wieder während der mehr als 3-stündigen Aufführung.

Anfangs sitzen 13 Personen auf Stühlen vor dem geschlossenen Vorhang mit Marionetten in den Händen, die verpuppten Hauptpersonen des Stücks. Es geht jedoch um den 8. Geburtstag des kleinen Arthur (Ferdinand Kraemer in stummer Rolle), ein aufsässiges Kind, das den Vater vermisst und der Mutter Sorgen bereitet.

Ihm schenkt der Großvater – aus dem Veteranenheim im Rollstuhl zur Feier gekommen – ein Buch mit dem Arthur-Epos und liest ihm auch daraus vor. Wenn der Vorhang aufgeht, ist das abgestürzte Flugzeug zu sehen (Bühnenbild ebenfalls Julian Crouch).

Nach diesem länglichen Vorspann hat endlich René Jacobs das Sagen. Für ihn, zum 24. Mal an der Staatsoper zu Gast, ist es das erste Purcell-Stück, das er dirigiert, nachdem er als Chorknabe oft dessen Werke gesungen hat. Und es liegt sicherlich nicht an ihm, dass die Akademie für Alte Musik Berlin zwar satten und gut differenzierten Schönklang produziert, jedoch Purcells markante Brillanz manchmal vermissen lässt.

King Arthur, Anett Fritsch (Philidel), Sigrid Maria Schnückel (Mathilda), Michael Rotschopf (Arthur) und Meike Droste (Emmeline), Foto Ruth Walz
Anett Fritsch (Philidel), Sigrid Maria Schnückel (Mathilda), Michael Rotschopf (Arthur), Maike Droste (Emmeline). Copyright: Ruth Walz)

Gesungen wird auf Englisch, gesprochen auf Deutsch. In den Sprechrollen werden Folgende tätig: als König Arthur Michael Rotschopf ( früher beim Wiener Burgtheater), als Großvater und als Zauberer Merlin Hans-Michael Rehberg, als Conon und späterer Hausarzt Axel Wandtke und als Mönch Aurelius Steffen Schortie Scheumann. Sie alle auf britischer Seite.

Zu den Briten gehören auch die beiden Damen Meike Droste (!) (vom Deutschen Theater) als Mutter des kleinen Arthur und blinde Prinzessin Emmeline sowie Sigrid Maria Schnückel als ihre Amme und Begleiterin.

Emmeline liebt Arthur und er sie, doch auch der heidnische Sachsenführer Oswald (Max Urlacher), der mit seinen Leuten die Insel erobern will, begehrt sie. Sein Zauberer Osmond (Oliver Stokowski) soll ihm dabei helfen, will selbst aber auch die Schöne haben. Den Erdgeist Grimald, hier ein verdreckter Stadtstreichertyp (Kostüme: Kevin Pollard), gibt humorig Tom Radisch.

Diese Verdoppelung der Hauptrollen durch die Hinzufügung der Familien-Story ist eine Weile ziemlich verwirrend. Vielleicht sollen alle Vorkommnisse und fantastischen Ereignisse der Purcell-Oper als Fieberträume des kleinen Arthur gedeutet werden, der den Kriegsberichten in einem Radio von anno dunnemal lauscht und ansonsten krank in seinem Bett auf der Bühne liegt.

Auch die Sägerinnen und Sänger leihen ihre Stimmen mehreren Personen. Die aber sind voll zu loben, allen voran Anett Fritsch als Philidel, darüber hinaus als Schäferin, Nymphe, Venus usw. tätig. Eine, deren Sopran ebenso klar durch den Saal schwebt wie sie selbst durch die Lüfte.

Außerdem eine, die der blinden Emmeline das Augenlicht herbeizaubert und ihr einen Spiegel in die Hand drückt, so dass sie sich selbst sehen kann und ihren geliebten König Arthur – einen steifen Helden nicht im Fliegerdress, sondern im Goldpanzer. Und was geschieht jetzt? Der kleine Arthur steckt das Liebespaar in sein Bett und deckt es fürsorglich zu. Vermutlich sein Wunschtraum genau wie der Gang an Vaters Hand durch den Zauberwald.

Sehr gut gestaltet auch die Sopranisten Robin Johannsen ihre diversen Partien. Und wenn beide Damen später in blauen, täuschend echt wogenden Wellen verführerisch singend den König Arthur ins wallende Wasser locken, sind sie die Vorgängerinnen von Wagners (drei) Rheintöchtern.

Ja, zum Gucken und Staunen gibt es vieles an diesem Abend vieles, dazu ist dem Regieteam so manches eingefallen, recht Grausliches, wie die Pferdeopferung der Sachsen an ihren Gott Wotan, oder eher Lustiges wie ein Schrank in Klein-Arthurs Zimmer, der auch mal als Kältekammer dient.

Zitternd trotz des weißen Overalls kriecht der Genius heraus. Stimmbebend wg. angeblicher Unterkühlung singt der Bass Johannes Weisser diese „Eis-Arie“, schon etwas erwärmt von der Liebe, die Cupido (auch Anett Fritsch) auf dem Schrank hockend verströmt.

Diese originelle Arie gefällt sehr, zumal sich der Chor (einstudiert von Martin Wright) ebenfalls tonschön-zähneklappernd anschließt. – Altus Benno Schachtner, die Tenöre Mark Milhofer  und Stephan Rügamer sowie der Bass Arttu Kataja können ebenfalls punkten.

Andererseits wird Purcells Schäferidyll mit dem Lazarett gekoppelt. Während die Damen und Herren fröhlich ihr glückliches kriegsfernes Leben und die Liebe besingen, swingen die Herren mit Karnevalshütchen auf dem Kopf in ihren Rollstühlen. Ein etwas irritierendes Versehrtenballett. (Choreographie: Gail Skrela). Die Liebe macht wohl nirgends halt.

King Arthur, Anett Fritsch (Philidel), Tom Radisch (Grimbald) und Ferdinand Kraemer (Kleiner Arthur, Foto Ruth Walz
Anett Fritsch (Philidel), Tom Radisch (Grimbald), Ferdinand Kraemer (kleiner Arthur). Copyright: Ruth Walz

Vielleicht ist das die immer wiederkehrende Botschaft. Insbesondere die beiden letzten von Purcells sieben musikalischen Szenen handeln von Versöhnung und umfassend besungener Liebe, die Britannia letztendlich zur Heimat eines glücklichen, wohlhabendes Volkes machen wird. Schmetternder Nationalstolz von Henry Purcell und John Dryden. Im hier hinzugefügten realen Leben, lässt Arthurs Witwe schließlich das Trauern und heiratet den Hausarzt, doch Klein-Arthur sitzt traurig da, den Kopf auf der Tischplatte.

Zuletzt großer Jubel für alle Mitwirkenden. Auch das Regieteam wird gefeiert. Der Cocktail hat offenbar gemundet. Und die Aufforderung zu wärmender Liebe ist jedenfalls die richtige Empfehlung für kalte Wintertage.  

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 17., 19., 21. und 22. Januar, aber sämtlich ausverkauft.

 

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