BERLIN/ Staatsoper: FIDELIO Premiere am 3.10.2016
Den Tag der Deutschen Einheit beging die Berliner Staatsoper mit der Premiere von Beethovens „Fidelio“. Was hätte ein Paukenschlag werden können, entpuppte sich recht schnell als laues Lüftchen. Nämlich schon mit der von GMD Daniel Barenboim gewählten Ouvertüre. Unter seiner Stabführung scheint es nur eine Wahl zu geben, die recht sperrige und versatzstückhafte sogenannte „Leonore 2“, die Beethoven einst für die Urfassung vorgesehen hatte. Mag der Maestro mit seiner fabelhaften Staatskapelle noch so zaubern und ihnen die herrlichsten piani entlocken zu können, so kommt doch der Abend schon dadurch nicht in den gewünschten Gang. Verhaltener Applaus folgt.
Was danach musikalisch geboten wurde, hatte durchaus Premierenniveau. Nur wollte da dann wiederum die Inszenierung von Altmeister Harry Kupfer nicht mitspielen und verwehrte sich jeder Anbiederung an den Zuschauer. Zu Beginn sind alle Sänger des Abends in Privatkleidung und mit Klavierauszug in der Hand zu sehen, aufgereiht vor der Kulisse des Wiener Musikvereins. Diese sackt plötzlich in sich zusammen und gibt für die nächsten zwei Stunden auf die schwarze Einheitsbühne von Hans Schavernoch frei. Dann verschwinden die meisten Sänger und kommen zu ihren jeweiligen Auftritten in Kostümen wieder. Dieses Heraustreten aus der Figur ins Private bleibt den ganzen Abend unverständlich, zu inkonsequent bleibt diese Regieidee. Auch sonst wirkt der Abend relativ bieder, es wechseln Rampensingen mit Fidelio-Allerwelts-Inszenierung. Die Handschrift Harry Kupfers ist an diesem Abend schwer zu entziffern. Dabei steht ihm durchaus gutes Personal zur Verfügung inklusive einem hervorragend einstudiertem Staatsopernchor.
Den Reigen der Sänger eröffnet Evelin Novak als Marzelline, die mit schönem lyrischen Sopran ihre unbefriedigte Sehnsucht nach Fidelio glaubhaft macht. Ihre besten Momente gelingen in den Ensembles, wo sie mühelos ihre Soprankollegin überstrahlt und sich somit als künftige Leonore empfiehlt. Ihr Partner ist der attraktive Florian Hoffmann als Jacquino, der gar nicht so trottelig und unbeholfen daherkommt und beinahe forsch nach seinem „Schätzchen“ veralangt. Als Florestan ist der österreische Tenor Andreas Schager besetzt, dem nun endgültig der Sprung aus dem Operettenfach in heldische Gefilde gelungen ist. Vielleicht sogar etwas zu sehr, geht er doch die Partie mit viel Druck und wenig Kantilene an. Seine treue Gattin alias Leonore ist die dem Hause nicht unbekannte Camilla Nylund, die nach der Figaro-Gräfin oder der Ariadne in ihrer bisher anspruchsvollsten Partie an der Staatsoper zu Gast ist. So rein und schwebend ihr ätherischer Sopran auch strahlt, dennoch muss man bei dieser Leonore gewisse Abstriche machen. Die Stimme erreicht nicht immer die gewünschte Durschlagskraft und muss vor allem in der Mittellage einbüssen. Als Rocco darf man noch einmal den großen Bass Matti Salminen erleben. Mit sonorem Sprechgesang rettet er sich durch die Partie, bleibt als Figur entsprechend (groß)väterlich und ist nach wie vor eine Instanz auf der Bühne. Imposant auch der Don Pizarro von Falk Struckmann, dessen extrem deklamierte Dialoge gewöhnungsbedürftig daherkommen, der aber umsomehr stimmlich auftrumpfen kann und einen Fiesling erster Güte abgibt. Der nicht minder renomierte Roman Trekel wusste als Don Fernando zu gefallen, obgleich ihm die Partie etwas zu tief in der Kehle liegt. Leider wurde seinem Auftritt die geringste Regie zugedacht. Er gesellt sich eben zu seinen Kollegen auf die Bühne und keiner hinterfragt, wer der hochgewachsene Mann im Smoking da plötzlich ist.
Man darf auf die restlichen Neuinszenierungen in der letzten Saison im Schillertheater gespannt sein, aber für diesen Kupfer-Fidelio in der Light-Variante hätte man den Vorgänger nicht entsorgen müssen.
Barbara Rosenrot