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BERLIN / Staatsoper: „FESTKONZERT 450 Jahre Staatskapelle Berlin“

12.09.2020 | Konzert/Liederabende

450 Jahre Staatskapelle Berlin
Staatskapelle Berlin. Copyright: Peter Adamik

Berlin / Staatsoper: „FESTKONZERT 450 Jahre Staatskapelle Berlin“, 11.09.2020

450 Jahr Staatskapelle Berlin – das soll und muss auch während der anhaltenden Corona-Pandemie gefeiert werden. Groß sind die absichtlich gelassenen Lücken in den Sitzreihen der Staatsoper, erscheinen in den Rängen noch auffälliger als im Parkett.

Auch die Bühne wurde umgestaltet und erhält in dieser neuen Kargheit einen angenehm modernen Touch. Vorne ein großer Teil mit anthrazitfarbenem Grund, dahinter ein vierstufiges Podium aus hellem Holz. Dort oben stehen später bei Wagner und Beethoven die Bläser.  Also Platz mit Abstandswahrung für die Instrumentalisten/innen der 450 Jahre alten und doch so jungen Staatskapelle Berlin, die an diesem zweistündigen Abend unter der Leitung von GMD Daniel Barenboim mit Verve Modernes, Romantisches und Klassisches mit sichtlicher Freude darbietet.


Foto: Peter Adamik

Live Musik endlich wieder vor Publikum – das ist halt etwas anderes als die vorherigen kleinen Konzerte im ansonsten menschenleeren Raum, die dann dankenswerterweise gestreamt wurden, so das am 8. Mai 2020 anlässlich 75 Jahre nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs.

Den Anfang an diesem Festabend, dessen Programm den Umständen angepasst wurde, macht „Initiale“, komponiert 1987 von Pierre Boulez, der seit 1990 mit der Staatskapelle verbunden war und 2005 zu ihrem Ehrendirigenten ernannt wurde. Sieben Blechbläser (jeweils zwei Hörner, Trompeten und Posaunen sowie eine Tuba) verteilen sich vorne auf dem dunklen Boden. Ein Kurzporträt, dirigiert von Daniel Barenboim, das in seiner gewissen Schrillheit noch das Kriegsgeschehen im Hintergrund zu haben scheint, dann aber doch entspannt endet.

Danach sind bei einem außergewöhnlichen Jubiläum auch Reden fällig. Deutlich erfreut äußert sich Intendant Matthias Schulz zum 450jährigen Geburtstag dieses großartigen Klangkörpers. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier weiß zwar, dass einige deutsche Kapellen noch etwas älter sind, betont aber, wie sehr gerade die Staatskapelle Berlin mit dem Auf und Ab der deutschen Geschichte verbunden ist.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller weist vor allem auf das Engagement des Bürgertums für die Staatskapelle, und alle drei Redner spenden dem Chefdirigenten Daniel Barenboim, der ab 1992 dieses Orchester mit großem, auch internationalem  Erfolg leitet, höchstes Lob. Im Jahr 2000 wurde er von der Staatskapelle zum Dirigenten auf Lebenszeit gewählt, 2020 feiert der Unermüdliche sein 70. Bühnenjubiläum!

Mit jugendlichem Elan dirigiert er gleich danach Richard Wagners Vorspiel zu „Die Meistersinger von Nürnberg“. Wagner liegt Barenboim bekanntlich am Herzen, und er gestaltet dieses Vorspiel mit Enthusiasmus. Wie weit aber gerade diese Oper mit den Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte verwoben ist, wurde von den Rednern nicht erwähnt.

Vielmehr wird dieses Meistersinger-Vorspiel zur klangprächtigen Geburtstagshymne, die sich die nun auf beiden Bühnenteilen schwungvoll musizierende Staatskapelle selbst meisterlich kredenzt. Starker Beifall und Bravos sind der verdiente Lohn.  Auch Barenboim applaudiert seinen Musikern/innen.

Wurde vorher übrigens der besonders warme Grundton der Staatskapelle von den Rednern betont, so fällt nun auch der etwas anders geartete Klang des großen Saales mehr und mehr auf. Offenbar kommt durch das lockere Sitzen der Musizierenden und das noch stärker aufgelockerte Sitzen des Publikums ein neuer klarer Klang zustande, gepaart mit dem deutlicheren Heraushören der einzelnen Instrumente oder Gruppen.

So der Höreindruck aus dem 2. Rang, 2. Reihe links. Womöglich könnte dieses reine Klangbild den Vorstellungen von Daniel Barenboim nahe kommen, das er bei der Sanierung der Staatsoper durch den Einbau eines modernen Saals in die historische Hülle erreichen wollte, was jedoch Nostalgiker verhinderten und  dann mit der Anhebung der Saaldecke annähernd erreicht wurde.

Doch zurück in die Gegenwart und zur Uraufführung eines Auftragswerks von Jörg Widmann (geb. 1973). Den Titel „ZEITENSPRÜNGE“ 450 Takte für Orchester (2020) hat Widmann nicht nur passend gewählt. Der an Differenzen reichen Komposition ist dieser Parcours durch schlechte und gute Zeiten auch zu vernehmen.

Barenboim und die Seinen stellen das neue Werk mustergültig vor. Beim kräftigen Beifall springt denn auch Widmann auf die Bühne, strahlt übers ganze Gesicht und umarmt Barenboim. Tatsächlich! Die beiden kennen sich gut und müssen wohl nicht voneinander wegrücken.

Nach kurzer Pause ist ein weiteres Geburtstagskind an der Reihe, das durch die Corona-Zwangspause in den vorangegangenen Monaten in den Hintergrund treten musste: Ludwig van Beethoven.

Daniel Barenboim, der gerade dabei ist, sämtliche Beethoven-Sinfonien zu dirigieren und so zwangsweise Versäumtes nachholt, stellt nun Beethovens Siebte im optimistischen A-Dur als Höhepunkt an den Schluss des Festkonzerts. Auch diejenigen, die „Ludwig van“ nicht unbedingt als Säulenheiligen einstufen, sind an diesem Abend vermutlich mit diesem Meisterwerk und wie es dargeboten wird, sehr zufrieden. (Selbstverständlich wird diese Sinfonie in der Staatsoper zur Gänze geboten und nicht als Begleitmusik einer Performance in einzelne Sätze zerhackt).

Frühere Zeitgenossen äußerten sich allerdings sehr unterschiedlich zur Siebten. Carl Maria von Weber meinte bei all’ dem hineinkomponierten Überschwang, Beethoven gehöre ins Irrenhaus, während Richard Wagner das Werk eine „Apotheose des Tanzes“ nannte. Romain Rolland bezeichnete die Siebte als „Orgie des Rhythmus“, und ähnlich wird sie nun in der Staatsoper mit einem fast tanzenden Barenboim musiziert. Dennoch – der bekannte Trauermarsch schreitet so wunderbar daher, dass einige sicherlich gerne „da capo“ rufen würden.

Aber nein – die Trauer und Angst wollen wir ja alle in gemeinsamer Anstrengung überwinden. Die Zuversicht – auch die damalige des ertaubenden Beethoven – soll also, gekrönt mit einem rasanten Trommelwirbel, den Weg weisen. Jubel bricht danach aus und mündet in verdiente „standing ovations“. Auch Barenboim feiert seine Staatskapelle mit anhaltendem Beifall und bedankt sich bei anderen auch mit dem neumodischen Ellbogengruß.  Ursula Wiegand

Heute schließt sich für alle Live-Musikfans noch bis 22 Uhr „Ein Tag für die Staatskapelle Berlin“ an, doch ab dem Nachmittag sind fast alle dieser Gratis-Konzerte ausverkauft.

Ursula Wiegand

 

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