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BERLIN/ Staatsoper: DIE ZAUBERFLÖTE. Premiere

Ein Trauerspiel in zwei Akten

18.02.2019 | Oper


Julian Prégardien (Tamino). Foto: Monika Rittershaus/Staatsoper

BERLIN/ Staatsoper: „DIE ZAUBERFLÖTE“ – Ein Trauerspiel in 2 Akten. Premiere am 17.2.2019

Braucht eine Stadt vier Zauberflöten? Nachdem jedes der drei Opernhäuser Berlins eine Inszenierung aus prominenter Regiehand sein Eigen nennen darf, gönnt sich die Staatsoper unter den Linden nun gar den Luxus einer Zweiten, die parallel zum Klassiker von August Everding im Schinkelschen Bühnenbild laufen soll. So richtig gewagt hatte Intendant Matthias Schulz die Absetzung dieses Publikumslieblings nämlich nicht, daher wohl der Kompromiss, der so dekadent wie unnötig scheint. Der Bayreuther Shootingstar Yuval Sharon, der mit seinem nachtblauen Lohengrin dem „grünen Hügel“ einen ordentlichen Erfolg verschafft hatte, bekam nun die fast unlösbare Aufgabe, Mozarts Unterhaltungsstück für Groß und Klein neu zu erfinden. Sein Konzept mag reizvoll klingen, die Ausführung und mitunter die Optik ist es allemal nicht. Das Publikum ist dazu verdammt, einer Schar Kinder dabei zuzuschauen, wie sie die Geschichte von Prinz und Prinzessin mit Marionetten und allerlei Spielzeug auf einem überdimensionalen Puppentheater aufführen.

Der geöffnete Vorhang gibt den Blick auf Tamino frei. Dieser baumelt an neongelben Seilen fast nackt in seinem hölzernen Körper als Marionette über die Szenerie. Später werden auch Pamina und Papageno auf diese Weise eingeführt, wo sie halsbrecherische Aktionen in schwindelerregender Höhe mitzumachen haben. Leider sind die Kostüme von Walter Van Beirendonck alles andere als ansehnlich und so mutiert das Liebespaar zu Manga-Horror-Püppchen ohne jegliche Mimik. Als wäre dies nicht genug Beschneidung der Ausdrucksmittel, werden zusätzlich den Darstellern, mit Ausnahme von Papageno, die Dialoge entzogen. Gelesen von Kinderstimmen aus dem Off (jedoch wesentlich zu lang) kommen Sie dennoch und ziehen den Abend unnötig in die Länge. 

In diesem Papiertheater wechselt nun Szenerie von einem Stilmix zum Nächsten, wobei letztendlich nur die Auftritte der Königin der Nacht vollends szenischen Eindruck hinterlassen und die Möglichkeiten der Bühnentechnik erahnen lassen. Mit der Feuer- und Wasserprüfung konnte Sharon offenbar wenig anfangen und ignoriert alle Möglichkeiten, die ein phantasievolles Puppentheater eigentlich zu bieten hätte. Seine Lösung ist gewollt intellektuell, für die sich wohl kaum eines der Kinder, die hier die Spielleiter sind, begeistern könnte. Pamina und Tamino müssen sich nämlich mit den Tücken des Alltags herumplagen und in einer Puppenstubenküche beweisen, dass sie auch irdische Alltäglichkeiten wie das Schnippeln von Gemüse als Paar des 21. Jahrhunderts bestehen. Prompt beschließt ein „Buh“ die Szenerie. Es sollte nicht das einzige bleiben. Bereits zur Pause lassen die Berliner ihren Unmut über den Inszenierungsversuch hören, was sich zum Schlussapplaus zu einer Wand der Ablehnung erhebt. So sieht wohl ein Flop aus, dem die Zuschauer so schnell als möglich entkommen wollen. Ein zweiter Solovorhang für die Sänger wirkt erzwungen, eigentlich ist das Spektakel da schon vorbei und die Berliner gedanklich auf dem Heimweg oder in die nächste Bar, um das Erlebte zu verdrängen und dem Abend einen Sinn zu geben.

Denn nicht minder unspektakulär geriet auch die musikalische Ausführung dieser Premiere. Nach dem Ausstieg von Franz Welser-Möst nur wenige Wochen zuvor, gehört der Taktstock nun Alondra de la Parra, einer in unseren Breitengraden noch recht unbekannten Mexikanerin, die aber, so wird zumindest medial suggeriert, auf der Überholspur zur Karriere ist. Brav, aber kantig schlägt sie den Takt, kann der Staatskapelle dennoch nur wenig zauberhafte Klänge entlocken. 


Florian Teichtmeister (Papageno). Foto: Monika Rittershaus/Staatsoper

Bei den Sängern sieht die Sache nur bedingt besser aus und man muss allgemein feststellen, dass das Niveau für eine Premiere an einem ersten Haus erschreckend niedrig ist und man selbst in Repertoirevorstellungen mitunter mehr verwöhnt wird. Julian Prégardien ließ zumindest einen schönen und textdeutlichen Tamino erkennen, von dem man sich jedoch geschmeidigere Höhen wünscht. Ihm zur Seite sollte eigentlich Ensemblemitglied Anna Prohaska als Pamina stehen, welche jedoch krankheitsbedingt ersetzt werden musste. Fragwürdig ist allerdings, dass die Hausleitung diese Aufgabe einem recht jungen und unerfahrenem Mitglied des Opernstudios anvertraut und so blieb es bei Serena Sáenz Molinero lediglich beim Versuch, in so grosse Fusstapfen wie die einer Tiana Lemnitz oder Dorothea Röschmann an diesem Haus zu treten. Sie schlug sich tapfer, ließ aber deutlich erkennen, wieso sie ursprünglich als Papagena in selbiger Produktion angesetzt war. Schade, dass das Haus da nicht auf bewährtere Kräfte zurückgreift. Der Vogelfänger wurde, auf Wunsch Welser-Mösts, vom österreichischen Schauspieler Florian Teichtmeister gegeben. Dirigenten und Regisseure berufen sich ja nur zu gern darauf, dass Uraufführungs-Papageno Emanuel Schikaneder selbst „nur“ Schauspieler gewesen sei, missachten offenbar aber die Tatsache, dass eine Ausbildung seinerzeit wesentlich spartenübergreifender war als heutzutage. Und so darf man von diesem Papageno auch keine gesanglichen Wunder erwarten, wenn er auch mikrofonverstärkt sein Bestes gibt. Was in den Solonummern tatsächlich zu funktionieren scheint, kommt in Duetten und Ensembles schnell an seine Grenzen. Hier konnte Teichtmeister nur schwer die Harmonien finden und mogelte sich unsicher durch die Nummern. Am Ende kassiert auch er dafür viele Missfallensbekundungen. Seine Dialoge allerdings waren klug angelegt und hinterfragend beleuchtet, was dem routinierten Zauberflöten-Besucher durchaus neue Facetten erkennen ließ. Als Sarastro bestätigt Kwangchul Youn leider den Eindruck, den man schon von seinem Banquo zuletzt bekam, nämlich dass hier eine Stimme ihren Abschied nimmt. Zu ausladend war das Vibrato und zu wenig fundiert und müde die Tiefe. Die junge Finnin Tuuli Takala, Ensemblemitglied der Semperoper Dresden, gibt abermals in Berlin die Königin der Nacht mit gestochen scharfen Koloraturen, aber all zu braver Stimme für die höllischste aller Mutterrollen. Florian Hoffmann singt seinen Monostatos rollendeckend, wohingegen von Sarah Aristidou als Papagena nur wenig zu hören ist. Ein stimmlich blasser Sprecher ist Lauri Vasar. Als ehemaliger Tamino steuert Stephan Rügamer in der Rolle des 1. Geharnischten ein paar schöne Töne bei. Die drei Damen in Gestalt von Adriane Queiroz, Cristina Damian und Anja Schlosser sind als Einheit mitunter einfacher zu ertragen, solistisch leider weniger. 

Abschließend wiederhole ich meine Frage: braucht eine Stadt vier Zauberflöten? Ich sage: Nein, diese hier ist überflüssig. Dem enttäuschten Zuschauer sei die Wiederaufnahme der Everding-Produktion am selben Ort ans Herz gelegt, die zum Teil auch mit besserer Besetzung punkten kann. 

Stefan Wieser

 

 

 

 

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