Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Staatsoper: DIE ZAUBERFLÖTE (neu) als Marionetten-Kinderoper

09.03.2019 | Oper


Julian Prégardien mit den drei Damen. Foto: Monika Rittershaus

Berlin/Staatsoper: „DIE ZAUBERFLÖTE“ (neu) als Marionetten-Kinderoper, 08.03.2019

Die Warnung steht gleich im Programmheft und lautet etwa wie folgt: Wir sollen alles, was wir in der neuen Zauberflöte sehen, mit Kinderaugen betrachten, wieder das kindliche Staunen lernen und nicht nach Erwachsenenart darüber nachdenken, wie irrational und widersprüchlich diese Oper ist. Das war sie schon bei der Uraufführung im Jahr 1791, sei gleich hinzugefügt.

Dass Mozarts „Grosse Oper“ manche Regisseure und Regisseurinnen zu sehr eigenwilligen Interpretationen animiert, ist unübersehbar. Bei den Salzburger Festspielen im Vorjahr ließ Lydia Steier das weltbekannte Werk in einer kommunistischen Diktatur spielen, mit Sarastro als dem Diktator.
An der Staatsoper Unter den Linden verwandelt nun der junge amerikanische Regisseur Yuval Sharon die Zauberflöte in ein kindertaugliches, prall farbiges Marionettentheater. Störend ist, dass die Zwischentexte nicht von den handelnden Personen gesprochen werden, sondern, vorab von Kindern gelesen und aufgenommen wurden. Nun ertönen sie vom Band.

Immerhin ist diese neue Zauberflöte der Staatsoper Berlin eine zumeist freundliche Variante, die alles mixt, was die Kids heutzutage im Fernsehen oder auf ihren Smartphones betrachten können: Eine kunterbunte Kunstwelt, gemacht von Erwachsenen (!), die sich die Kinder jedoch schnell zueigen machen. Die Sänger-Darsteller und –Darstellerin agieren, entsprechend ausstaffiert, als relativ steife Playmobil-, Lego- und japanische Manga-Figuren (Kostüme: Walter Van Beirendonck).

Als Marionetten hängen sie an Seilen und müssen – oft recht hoch über der mit ständig wechselnden Requisiten garnierten Bühne pendelnd – ihre Rollen singen. (Bühnenbild: Mimi Lien). Da sie offenbar alle jung und fit sind, können sie das, ohne nach Atem zu ringen. Dem gut trainierten Julian Prégardien als Tamino gelingen beim Schweben sogar einige artistische Körperdrehungen. Dabei überzeugt sein warmer kraftvoller Tenor in jeder seiner Lebenslagen.

Läuft hier also alles wie am Schnürchen? Ja und Nein. Dass Anna Prohaska, die die Pamina singen sollte, sich wegen einer Kehlkopfentzündung zurückzog, und der vorgesehene Dirigent Franz Welser-Möst wegen Kniebeschwerden absagte, gab und gibt Anlass zum Nachdenken. Die junge Dirigentin Alondra de la Parra ist kurz vor der Premiere am 17. Februar eingesprungen und leitet in der nun 8. Vorstellung die in mozartisch kleiner Besetzung sehr angenehm spielende Staatskapelle Berlin mit Schwung und Einfühlvermögen.


Serena Sáenz Molinero (Pamina) und Florian Teichtmeister (Papageno), Foto Monika Rittershaus

Die Rolle der Pamina singt Serena Sáenz Molinero, eine junge Frau aus dem internationalen Opernstudio der Staatsoper und nutzt ihre Chance. Ihr klarer Sopran ist in doppeltem Sinn höhentauglich und geschmeidig. Sie hat sich diese Rolle hörbar angeeignet. Ihre verzweifelten Klagen (Ach, ich fühl’s..) bei Taminos unerklärlichem Verhalten während der Prüfungen sind ebenso glaubhaft wie ihr Jubel, als sich endlich alles zum Guten wendet.

Die Partie des Vogelfängers Papageno ist mit Florian Teichtmeister, einem Schauspieler, sehr passend besetzt, wie es ähnlich bei der Uraufführung mit dem Librettisten Emanuel Schikaneder der Fall war.

Dass Teichtmeister nicht wie ein Profi singen kann, ist logisch, macht dieses Manko jedoch mit lebhaft-humoriger Darstellung wett. Er verkörpert den einfachen Menschen, der mit gutem Essen und Trinken zufrieden ist, aber auch eine Papagena haben möchte. Mit Sarah Aristidou beeindruckt eine weitere Sängerin aus dem Opernstudio. Junge Interpreten passen gut zu der zur Kinderoper mutierten Zauberflöte.

Chapeau vor allem für die junge, schon international gefragte finnische Koloratursopranistin Tuuli Takala. Ihre Partie, die Königin der Nacht, zählt hörbar zu ihren Paraderollen. Die Spitzentöne, vor allem bei der Zorn-Arie im 2. Akt („Der Hölle Rache“..) steigen wie Leuchtraketen in den Saal, und die Worte sind auch genau zu verstehen!

Ähnlich war das stets bei ihrem Landsmann Matti Salminen, und dessen tiefer Bass fehlt hier. So nobel Kwangchul Youn den Sarastro (am Boden bleibend) singt – die ganz tiefen Töne (basso profundo) erreicht er nur hauchend oder gar nicht. Das Publikum hat’s wohl nicht bemerkt und spendet ihm zuletzt kräftigen Beifall.

Einiges gefällt mir von Anfang an nicht: die in einem Fatsuit mit riesigen Brüsten steckenden drei Damen. Hatte da jemand einen Mutterkomplex? In diesem „Panzer“ und hoch über den Boden schwebend, müssen Adriane Queiroz, Cristina Damian und Anja Schlosser singen, und sind dafür wirklich zu loben.

Und wie ein Spielzeugmännchen trägt der Monostatos (Ziad Nehme) einen Schlüssel zum Aufziehen im Rücken. In weiteren Rollen Stephan Rügamer und David Oštrek als 1. und 2. Geharnischter, David Oštrek und Linard Vrielink als die beiden Priester, Solisten des Tölzer Knabenchors sowie Lauri Vasar als Sprecher.

War im 1. Akt fast alles noch recht spaßig, so überkugeln sich im 2. Akt Yuval Sharons Einfälle. Diese pausenlose Bilderwelt mit immer mehr bunten, umher wieselnden Personen sowie die Videos (von Hannah Wasileski) drängen Mozarts Musik zu sehr in den Hintergrund.

Darüber hinaus muss der Staatsopernchor, einstudiert von Anna Milukova, im Graben singen, ehe er zuletzt sichtbar und klanggewaltig mit „Heil sei euch Geweihten“ beeindrucken kann. Die aber stehen aber keineswegs im Tempel, sondern in einer simplen Einbauküche, hantieren mit Geschirr und schneiden Gemüse. Statt einer Feier plötzlich der schlichte Alltag. Beginnt nun die wahre Bewährungsprobe ihrer Liebe?

Ganz zuletzt sind auch die „Strippenzieher“ zu sehen: einige Kinder, die kleine Marionetten an ihren Fäden in einem Glaskasten tanzen lassen. Was wir gesehen haben, war demnach Kasperletheater mit Musik.

Bei der Premiere gab’s , wie zu erfahren war, lautstarke Proteste gegen diese neue Zauberflöte. Intendant Matthias Schulz hat es geahnt und schon zuvor mitgeteilt, dass die alte Everding-Inszenierung ebenfalls weiterläuft. Also zwei Zauberflöten im selben Opernhaus – das ist ein Novum. Nun können sich alle ihre Zauberflöte aussuchen, außerdem noch je eine an den beiden anderen Berliner Opernhäusern.

An diesem 8. März erscheint diese Vorsicht unbegründet, wird doch die „Neue“ heftig bejubelt. Weitere Termine, 10., 12. und 16. März.

Ursula Wiegand

 

Diese Seite drucken