Rene Pape (Falstaff. Copyright: Staatsoper Berlin
Berlin Staatsoper: Nicolai: Die Lustigen Weiber von Windsor. Vorstellung am 11. Oktober 2019
In unseren Tagen wird eine Verrohung der Sprache beklagt, ein respektloser Umgang miteinander.
Im Theater, dem Spiegel unserer Gesellschaft, ist in letzter Zeit diese Tendenz auch in den Inszenierungen spürbar.
Otto Nicolai´s Oper, die als Neuproduktion an der Staatsoper n Berlin jetzt zu erleben ist, behandelt in bester Spieloperntradition des 19 Jahrhunderts den Falstaff-Stoff. Regisseur DAVID BÖSCH zieht das Geschehen in eine Parade der Geschmacklosigkeit und auf soutterranes Niveau. Alle Akteure sind Knallchargen, keine Figur hat Würde. Falstaff ist ein fett- ausstaffierter Altrocker, der im Müll zuhause ist. Die Familien Reich und Fluth wohnen in Reihenbungalows, benehmen sich aber ebenfalls wie schlimmste Proleten und das junge Paar entflieht mit Drogen als fade Karikatur linksautonomer Jugendlicher. Wenn das deutscher Humor ist, dann wissen wir zurecht, warum man uns in der Welt diesen gerne abspricht. Es fehlt die Fallhöhe: etwa, wenn sich Herr Fluth eine zweite Identität gibt, um sich an Sir John heranzumachen. Den angeblich reichen Fluth gibt es vormals gar nicht, und so gibt es auch nur eine dämliche Perückenverwandlung. Der Stoff ist selbst in der biedermeierlichen Sicht des Librettisten Mosenthal schillernd und delikat.
Nichts davon hier: die Bühne von PATRICK BANNWART und schwankt von ödem Eins-zu-eins Realismus bishin in abstraktere Räume, immer darauf bedacht, möglichst geschmacksverdorben zu sein. Desillusionierende Kostüme (FALKO HEROLD) erklären die Charaktere, ohne dass sie noch irgendetwas spielen müßten und verdammen sie zu outrierenden Stereotypen.
Ein bisschen Grönemeyer,- Dialoge in verschiedenen, nicht von allen sonderlich beherrschten Dialekten.Unzählige Requisiten werden knapp angespielt, um sie gleich mit einem nächsten auszutauschen; die Situationen unter den Personen bleiben ungenau: nichts hat Bedeutung, schon gar nichts Größe.
Und so bekommt man schnell ein schales Gefühl inhaltlicher Leere und ist eher genervt als erheitert bei zunehmend fortschreitender und dadurch monoton wirkender Handlung.
Aber es git noch die Staatskapelle und DANIEL BARENBOIM. Und besonders in der Ouvertüre zeigten sich die Musiker von ihrer erlesensten Seite. Subtil schwingt die Melodik und auch die Sommernachtstraum-ähnlichen flirrenden Holzbläser- und Streicherfiguren geraten filigran. Später, auch durch das wuchtige Agieren oben auf der Bühne, gerät manches zu massig und zu laut. Das bravouröse Violinsolo, wunderbar gespielt von LOTHAR STRAUß, darf nicht unerwähnt bleiben.
Die Sängerbesetzung kann sich hier hören lassen.
Besonders ANNA PROHASKA gelingt ein – als Gothik- Girlie Anna- berückendes vokales Porträt mit warmem, edel- phrasierenden Sopran. PAVOL BRESLIK als ihr Liebhaber Fenton hat den passenden tenoralen Schmelz für die heikle Lerchenarie und spielt einen wenig selbstsicheren Jungspund. Dem Ritter John leiht RENE PAPE seinen unverwechselbar, schönen Baß. Auch ihm hört man jede Sekunde gerne zu, so sinnfällig gewichtet sind bei ihm Klang und Wort. Als Herr Fluth dauer- poltert MICHAEL VOLLE raumgreifend und wuchtig-überzogen deklamierend. Sein Nachbar Reich wird von WILHELM SCHWINGHAMMER etwas vornehmer und zurückhaltender mit warmem Baß gesungen. Die Damen Fluth und Reich können dieses vokale Niveau nicht halten. MANDY FRIEDRICH´s leichter Sopran hat zu wenig Farbe und Nuance, um die zentrale Rolle der Hauptangebeteten interessant zu gestalten und MICHAELA SCHUSTER´s Alt ist (inzwischen) zu unausgeglichen und nicht immer klangschön. Angemessen, wenn auch nicht Aufhorchen lassend, integrieren sich LINARD VRIELINK als Spärlich und DAVID OSTREK als Cajus in die Gruppe. Der Chor der Staatsoper singt und spielt überzeugend.
Solisten und Chor outrieren ihre Rollen teils schamlos und manche haben sicher aus Spaß dabei.
Je tröger ein Kalauer hingerotzt wird, desto mehr amüsiert sich das adrett- bürgerliche Publikum im Saal und spendet kräftig Beifall.
Und das ist bezeichnend, um zum Ausgang zurück zu kommen, für den Zustand unserer Gesellschaft. Anstatt wirkliche Fragen oder gar im Humor versteckte Gesellschaftskritik, die in diesem großartigen Stoff enthalten wäre, auf die Bühne zu bringen, begnügt sich die Regie mit seichter, ja niveauloser Unterhaltung und es wird goutiert.
„Die lustigen Weiber“ hätten eine szenisch weit kostbarere Behandlung verdient. Musikalisch erfüllt der Abend die Erwartungen.
Christian Konz