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BERLIN/ Staatsoper: DER ROSENKAVALIER

2. Vorstellung, eine fabelhaft gesungene Farce?

14.02.2020 | Oper

Berlin/ Staatsoper: „DER ROSENKAVALIER“ von Richard Strauss, 2. Vorstellung
Eine fabelhaft gesungene Farce? 1
3.02.2020

Kurz vor dem Ende von Richard Strauss’ beliebter Oper „Der Rosenkavaliers“ bringt die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg (Camilla Nylund) endlich Ordnung in das Orientalische Speiselokal mit inkludiertem Zelt, das ein Doppelbett enthält.

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Foto: Ruth Walz

Auf einem der von fleißigen Bediensteten am Boden verteilten Sitzkissen hockt der Baron Ochs auf Lerchenau (Günther Groissböck) und lässt sich eine üppige Mahlzeit schmecken, auf die das sich schüchtern gebende „Mariandl“ , bekanntlich der verkleidete Oktavian, keinerlei Appetit hat.

Der Baron hingegen hat immer Appetit und besonders auf Frauen aller Art. Das hat er gleich zu Beginn der Oper seiner fürstlichen Cousine in allen Einzelheiten geschildert, Passagen, die bei vielen Rosenkavalier-Aufführungen gestrichen werden, um diesen Dreiakter nicht zu sehr in die Länge zu ziehen.

Auch Regisseur André Heller, bekannt als Multitalent, weiß um den Wert der Zeit. In einem im Programmbuch zu lesendem Interview bezeichnet er die Zeit als das Kostbarste, „was wir außer unser Gesundheit im Leben besitzen“ und fragt sich, ob er „liebevoll und behutsam genug mit der Zeit des Publikums“…umgehe.

An der Staatsoper Berlin bleibt das Theorie. Es werden diesmal – einschließlich zweier Pausen – genau fünf Stunden, hat Heller doch die Langfassung gewählt. Darüber hinaus bringt er so ziemlich alles, was die Donaumetropole an Wichtigem zu bieten hat.

Personell sind das Xenia Hausner, Gestalterin des Bühnenbilds, und den neuen Modetrendsetter Arthur Arbesser, der inzwischen in Mailand lebt. Heller selbst hat einen Zweitwohnsitz in Marokko.

Sie alle sorgen für eine farbenträchtige Szenerie, zunächst mit Japan-Flair, gefolgt vom Jugendstil und einem schon angedeutetem Abstecher in den Orient. Bunt in der dunklen Jahreszeit wirkt positiv, und so schickt Heller den Baron, gekleidet in österreichischer Tracht, und sein Mariandl nicht in ein heimisches Beisl, sondern in solch ein sinnenfreudiges Ambiente.

Außerdem scheuen André Heller und seine Crew keine Mühen, um die Berliner und ihre internationalen Gäste – darunter diesmal auch viele aus Wien angereiste – mit den dortigen Errungenschaften zu beglücken. Sei es die Wiener Secession oder gar Gustav Klimts Beethovenfries. Sicherlich eine besondere Gabe zu Ludwig van B’s 250. Geburtstag, der zwar in Bonn geboren wurde, aber in Wien zum Klassikriesen avancierte. Hätte nicht Klimts Judith mit der entblößten Brusthälfte noch besser gepasst?

Um schließlich alle in der Berliner Staatsoper Anwesenden noch genauer aufzuklären, prangt auf dem noch geschlossenen Vorhang ein vergrößerter Programmzettel. „Natürlich“ nicht der von der von Uraufführung am 26. Januar 1911 in Dresden, die einen Run auslöste, sondern einer vom 9. Februar 1917, einer „Benefizvorstellung zugunsten des k.k.österreichischen Kriegs-Witwen – und Waisenfonds.“

Bis auf den Texter Hugo von Hofmannsthal und den Dichter Stefan Zweig, die beide kleine Rollen übernommen hatten, dürften die aufgelisteten Sängerinnen und Sänger den heutigen Besucherinnen und Besuchern weitestgehend unbekannt sein und sie rätseln lassen, was das Ganze soll.

Denn der Erste Weltkrieg kommt ansonsten in Hellers Inszenierung nicht vor. Der hohe Adel und die, die aufsteigen wollen, amüsieren sich weiter auf ihre Art und Weise. Die benehmen sich so, wie es früher bei adligen Herren und nicht adligen Frauen üblich gewesen sein muss, die Freiwild für die Mächtigen waren (und keineswegs nur in Österreich).

Gerade dieses Verhalten so realistisch wie möglich zu inszenieren, scheint André Heller ein besonderes Anliegen gewesen zu sein. Auch Richard Strauss störte es, wenn dieses Adelsgehabe geschönt wurde. Mit dem importierten Star Günther Groissböck wurde so gesehen der ideale Interpret für diese Rolle gefunden. Als Mann in den besten Jahren ist ihm soviel geschilderte Potenz noch zuzutrauen.


Michèle Losier, Günther Groissböck. Foto: Ruth Walz

Mit seinem profunden, ausdrucksvollem Bass, seinem Humor und seiner Schauspielbegabung ist er offenbar der richtige Mann für Hellers neue Tätigkeit und zweifelsohne der perfekt wienernde Star der gesamten Aufführung. Dennoch ist diese vermutlich historisch korrekte, ständig geübte „Übergriffigkeit“ gegenüber Frauen, die zumindest zur Schau getragen wird, nicht mehr zeitgemäß, ebenso wie das früher praktizierte Blackfacing weißhäutiger Otello-Darsteller.

Oder sollte dieses schwelgerich geile „Sittengemälde“ wirklich nur, wie die Feldmarschallin im 3. Akt erklärt, eine wienerische Maskerad‘ und eine „Farce“ sein? Strauss und Hofmannsthal haben den „Rosenkavalier“, diesen hemmungslosen Tanz auf dem Vulkan, immerhin als Komödie bezeichnet.

Neben dem kraftvollen Star Günther Groissböck, der in Bayreuth im Sommer den Wotan singen wird, haben es die anderen nicht leicht. Doch in dieser 2. Vorstellung können sich die anderen nun ohne Premierenangst gut behaupten. Camilla Nylund, in dieser Rolle ohnehin international unterwegs, bringt ihre Strauss-Erfahrung gekonnt zur Geltung, ohne in die Routine abzugleiten.

Ihre große Zeit hat sie Libretto bedingt im ersten Akt. Vor allem, wenn die Melancholie sie ergreift und sie ohne Scheu den 17jährigen Bub mit ihrer Furcht vor dem Älterwerden schockt. Sie singt diese düsteren Ahnungen zart, sehr tonschön und mit einem edlen Legato. Diese frühe Trauer, die sie in den Saal verströmt, wird mit verdientem Applaus bedacht.

Ihren jungen Lover gibt glaubwürdig und mit frisch-festem Mezzo Michèle Losier, die figürlich perfekt in diese Hosenrolle passt und zuletzt überzeugend den verunsicherten jungen Rosenkavalier verkörpert, der sich zwar sofort in die altersmäßig zu ihm passende Sophie verliebt, aber der Feldmarschallin nicht wehtun möchte und ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen hat.

Nadine Sierra ist eine aparte Sophie mit allen Gefühlsschwankungen und aufkommenden Zweifeln. Und wer möchte schon solch einen hartherzigen Vater wie den aufstiegsüchtigen Herrn von Faninal – Roman Trekel im Goldkostüm – haben, der seine Tochter mit absichtlich geschärftem Bariton auf ewig verflucht, nur weil sich diese zunächst durchaus Ehefreudige schnell weigert, diesen adligen „Kotzbrocken“, der sie sogleich körperlich bedrängt, zu heiraten.

Dass die Richtigen zueinander kommen und für immer beieinander bleiben wollen, verdanken sie der selbstlos agierenden Feldmarschallin. Das berühmte Schlussterzett, gesungen von Camilla Nylund, Michèle Losier und Nadine Sierra, wird auch an diesem Abend zu einem Höhepunkt.

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Nadine Sierra, Michèle Losier. Foto: Ruth Walz

Die übrigen Rollen sind ebenfalls qualitätsvoll besetzt: Als Jungfer Marianne Leitmetzerin überzeugt Anna Samuil, als Valzacchi Karl-Michael Ebner und als Annina: Katharina Kammerloher. Den Polizeikommissar gibt Erik Rosenius, den Haushofmeister bei der Feldmarschallin Florian Hoffmann, den bei Faninal: Linard Vrielink. Als Notar fungiert Jaka Mihelač, als Wirt, der dem Baron, einem notorischen Geizhals und Zechpreller hinterher eilt, Andrés Moreno García. Als Sänger mit guter Stimme gefällt Atalla Ayan. Hinzu kommen noch Victoria Randem als Modistin und Lorenzo Torres als Papierkünstler. Den Staatsopernchor hat Anna Milukova einstudiert.

Ihnen allen steht der 80-jährige Zubin Mehta kenntnisreich und freundlich zur Seite, nimmt sich sowieso recht viel Zeit und lässt zusammen mit der Staatskapelle Berlin die ganze Partitur aufblühen. Etwas mehr Spritzigkeit hätte aber auch nicht geschadet.

Letztendlich fragt es sich, warum es nach der Premiere, wie zu hören und zu lesen war, neben stürmischem Beifall auch Buhrufe gegeben hat. Die möglichen Gründe wurden hier genannt. Nach dieser 2. ausverkauften Vorstellung gab es keine Missfallensäußerungen mehr, sondern nur starken Applaus.

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 16., 19., 22., 27. und 29. Februar, jeweils um 18:00 Uhr.

 

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