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Berlin/ Staatsoper, Barocktage: „MITRIDATE, Re di Ponto“, ein Fest der Koloraturen

23.11.2023 | Oper international

Berlin/ Staatsoper, Barocktage: „MITRIDATE, Re di Ponto“, ein Fest der Koloraturen, 22.11.2023

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Anna Maria Labin als Aspasia. Foto: Bernd Uhlig

Dass Wolfgang Amadeus Mozart ein Wunderkind war, wusste man zu seiner Zeit nicht nur in Salzburg und Wien, sondern auch in Mailand. Sogar das Komponieren einer Oper traute das Mailänder Teatro Regio Ducale dem jungen Genie zu. Also erhielt der erst 14Jährige im Jahr 1770 den Auftrag, eine große, abendfüllende Opera seria namens „Mitridate, Re di Ponto“ zu komponieren.

Gesagt, getan. Den Text lieferte Vittorio Amedeo Cigna-Santi, der sich an Jean Racine, dem französischen Tragödiendichter, orientierte. Insgesamt geht es um Krieg und Liebe, oder umgekehrt.

Wer nicht die ersehnten Partnerinnen oder Partner bekam, wollte sich damals vor lauter Kummer gleich umbringen, oder wurde womöglich aus Rache umgebracht. Ähnliche Storys gab es durchaus.

Dennoch ist es fast unglaublich, wie gekonnt der vermutlich frühreife Wolfgang Amadeus alle diese Liebes- und Hass-Gefühle in ganz wunderbare Melodien verwandelte. Leidenschaft, Pathos, Emotionen,  – alles da, alles drin. Schon im Auftragsjahr 1770 wurde der Dreiakter aufgeführt und zum Triumph für Mozart.

Und wie war’s nun in Berlin? Eine konzertante Aufführung hatte es an der Staatsoper schon zur Corona-Zeit gegeben, dirigiert von Marc Minkowski. Dieser Barockexperte hatte auch die Opernpremiere am 4. Dezember 2022 mit großem Erfolg geleitet, zuvor aber einige Umstellungen und Kürzungen vorgenommen. Nun steht er bei dieser insgesamt 6. Aufführung, wieder lebhaft Zeichen gebend, erneut auf dem Pult.

Wie zu Mozarts Zeiten üblich, werden die Arien zumeist wiederholt. Auch die jetzige Aufführung ist davon geprägt. Doch Minkowski und „LES MUSICIENS DU LOUVRE“ machen das so gekonnt und abwechslungsreich, dass sicherlich alle im vollbesetztem Saal gerne diesen Liebe- und Leid-Klängen lauschen. 

Eigentlich geht es bei dieser Oper zunächst um die Eroberung von Rom. Diese Stadt ist aber überhaupt nicht zu sehen. Stattdessen haben sich japanische Mozartfans höchst anmutig und farbenprächtig mit Wolfgang Amadeus’ Frühwerk beschäftigt. Vor und auf den gold-glitzernden Schloss-Stufen wird vor vielen gemalten Blumen getrippelt, getanzt, gedroht, geklagt und geweint.

Eigentlich ist solch eine charmante und geglückte Inszenierung heutzutage eine Seltenheit. Die aber verdankt das Publikum der umsichtigen Regie von Satoshi Miyagi, dem edlen Bühnenbild von Junpei Kiz, dem Wanddesign von Eri Fukazawa, den zumeist aufwendigen, ebenfalls gold-glitzernden Kostümen von Kayo Takahashi Deschene sowie der Choreographie von Yu Otagaki.  Mozart hätte diese Prachtentfaltung sicherlich gefallen, und ebenso gefällt sie wohl dem Publikum im herbsttrüben Berlin. Noch mehr zu loben sind die Sängerinnen und Sänger, und die sind nun bis auf Ana Maria Labin als Aspasia alle neu und möglicherweise noch besser als die im Jahr 2022. Aspasia ist wieder die Hauptperson und glänzt mit einem stimmlichen Feuerwerk, kann aber ebenso mit Klagetönen betören.

Auch bei allen anderen perlen die Koloraturen während der rund drei Stunden locker, ausdrucksvoll und ohne Ermüdung. Solch eine perfekte „Gesangstruppe“ ist selbst an der Staatsoper Berlin eine Besonderheit. Schauspielerisch sind alle ebenfalls überzeugend.

Und dann kommt Mitridate, der König von Pontus, auf die Bühne, ein ramponierter, aber weiterhin stolzer Krieger, obwohl er Rom nicht besiegen konnte. Den singt temperamentvoll und mit kräftiger Mittellage der südafrikanische Tenor Siyabonga Maqungo. Seit der Spielzeit 2020/21 ist er ein festes Ensemblemitglied der Staatsoper.

Ein „Staatsoperngewächs“, das inzwischen weltweit unterwegs ist und schon viele Opernrollen singt, ist die Sopranistin Elsa Dreisig, eine Nachtigall, aber in der Hosenrolle. Sie verkörpert Sifare, den jüngeren und braveren Sohn von Mitridate. Er ist aber auch des Vaters Konkurrent, da er heimlich Aspasia liebt und sie ihn, obwohl sie alsbald Mitridate heiraten soll.

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Carlo Vistoli. Foto: Nicola Allegri

Für Farnace, des Königs zweiten Sohn, hat man den Countertenor Carlo Vistoli herbeigeholt, einen sehr bekannten Händel-Sänger und noch weit mehr als das. Wie er seinen weltweiten Terminkalender schafft, ist bewundernswert, und bewundert wird er wohl überall, auch in Berlin und Wien.

In Mozarts Werk verschmäht Farnace die Liebe von Ismene (Caroline Jestaedt) und hat stattdessen auch ein Auge auf Aspasia geworfen, was ihr aber zuwider ist. Dass er sogar den Römern nahesteht, erzürnt den Vater. Doch Arbate, ein getreuer Stadthalter, unterstütz Mitridate. Diese Partie wird ebenfalls von einer Frau  gesungen, der Mezzosopranistin Adriana Bignagni Lesca.

Doch Mitridates erneuter Krieg gegen die Römer scheitert ebenfalls. Und dass Farnace weiter zu den Feinden hält, macht Mitridate ebenso wütend wie Aspasias Weigerung ihn zu heiraten. Fast ersticht er sie, als sie bekennt Sifare zu lieben. Nur neuer Kriegslärm verhindert, dass Mitridate beide tötet.

Wieder von den Römern besiegt, stürzt Mitridate den Aspasia zugedachten Gifttrank hinunter, und wird plötzlich sehr zufrieden. Das falsch geführte Leben hat er nun hinter sich und schließt Frieden mit seinen Söhnen.

Auch Farnace hat sich gewandelt. Zwar hatte ihn sein getreuer Freund Marzio (Sahy Ratia) aus dem Kerker befreit und ihm geraten, mit Roms Unterstützung der neue König von Pontus werden. Doch solch einen Deal lehnt Farnace ab und bricht erschöpft zusammen.

Immerhin sind das Liebespaar Aspasia und Sifare nun glücklich, und alle haben ein Ziel: Nicht die Rache, sondern der Frieden sollte im Mittelpunkt stehen. Wie schön! Mit intensivem Jubel und einigen Bravi bedankt sich das Publikum. Ursula Wiegand

Noch eine weitere Aufführung gibt es am 26. November.

 

 

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