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BERLIN/ Staatsoper/ Barocktage: „L’INCORONAZIONE DI POPPEA“ von Claudio Monteverdi

27.11.2022 | Oper international

Berlin/ Staatsoper, Barocktage: „L’INCORONAZIONE DI POPPEA“ von Claudio Monteverdi, 26.11.2022

Opera musicale in einem Prolog und drei Akten (1642)

Claudio Monteverdis „Krönung der Poppea“, hier original Italienisch L’INCORONAZIONE DI POPPEA“ genannt, ist in Berlin eine alte und stets erfolgreiche Bekannte. Barrie Kosky startete damit 2012 als Intendant an der Komischen Oper Berlin und inszenierte sogar – einschließlich „Orfeo“ und „Ulysse“ – einen veritablen Monteverdi-Marathon mit nur wenigen Pausen in knapp 24 Stunden.

Im Monteverdi-Jahr 2017 brachte John Eliot Gardiner diesen Dreier halbzenisch in die Philharmonie, und diese Version wurde damals das absolute Highlight der Berliner Festspiele. Die führende Rolle gebührte bei Gardiner der herrlichen Musik, und einen jungen Countertenor namens Carlo Vistoli hat er zweimal eingesetzt: in Ulisse und in der Poppea – und dort als der vergeblich um seine Poppea werbende Ottone. Schon damals fiel er positiv auf.

Am 9. Dezember 2017 schaffte die am 3. Oktober wiedereröffnete Staatsoper auch noch den Sprung ins Monteverdi-Jahr, und so war die jetzige Vorstellung die zwölfte nach jener Premiere.

Nun aber hat Jean-Christoph Spinosi die musikalische Leitung inne und sorgt mit der verlässlichen Akademie für Alte Musik Berlin für den richtigen und oft schon modern anmutenden Monteverdi-Klang. Jens Kilian ist nach wie vor für das Bühnenbild verantwortlich, Julia Rösler für die aufwändigen Kostüme und Eva-Maria Höckmayr für die Inszenierung dieser Sex & Crime Story ums Jahr 62 im alten Rom. Sie hat jedoch zahlreiche neue und großartige Interpreten/innen zur Verfügung. Neue Fotos wurden dennoch nicht gemacht.

Wieder wird der Prolog von Mitgliedern des Kinderchors der Staatsoper gesungen, deren Stimmen viel zu zart sind, um den ganzen großen Saal zu füllen. Doch ansonsten ist alles okay. Immerhin ergibt sich nun die Chance, die Sitten und Unsitten im alten Rom mit Hilfe einer echt superben Crew noch realistischer zu schildern. Denn Monteverdi hat mit dieser seiner letzten Oper erstmals auf die historische Geschehnisse in Rom nach dem Jahr Null zurückgegriffen, über die einige Schriftsteller, u.a. Tacitus, berichtet hatten.

Etwas anders, als es nun in der Oper zu erleben ist, war das Geschehen aber doch. Die schöne Poppea war nicht nur ein Flittchen, das unbedingt Kaiserin werden wollte. Die war nach historischen Berichten schon ein- oder zweimal verheiratet, u.a. mit Ottone. Der ist hier jedoch nicht ihr Mann und fleht noch vergeblich um ihre Liebe. Der international tätige Countertenor Bejun Mehta singt es mit Gefühl und bekannter Akkuratesse.

Nach den historischen Berichten soll die wirklich sehr schöne Poppea die Maitresse des jungen Kaisers Nero gewesen sein. Doch in der hiesigen Monteverdi-Version spielen es Carlo Vistoli als Nero und Slávka Zámečníková als Poppea, so als hätten sie sich erst kürzlich kennengelernt und seien der Liebe völlig verfallen.

Sie zeigt sich knapp bekleidet und kann sich das auch leisten. Er wirft vor dem Miteinander den Königsmantel weg und trägt nur ein sportliches schwarzes T-Shirt. Sie streicheln, drücken und küssen sich. Zwei junge Menschen mit herausragenden Stimmen gepaart mit großartiger Schauspielkunst. „Pur ti miro, pur ti godo“ – „Nur dich sehe ich, nur du erfreust mich!“ wird dazu gesungen.

Ob aber Poppea ihren Körper nur einsetzt, um an Neros Seite Kaiserin von Rom zu werden? Das scheint der Fall zu sein, und beide gehen dafür tatsächlich über Leichen. Nero, der schon seine Mutter Agrippina ermordet hatte (was in der Oper ausgespart wird), muss erstmal seine Frau, die beim Volk durchaus beliebte Kaiserin Ottavia, loswerden, die er als unfruchtbar bezeichnet. Eindrucksvoll wird diese Rolle von Natalia Skrycka gesungen.

Ihre Amme Nutrice im rechtreckigen Riesenrock rät ihr, ihre Jugend zu nutzen und sich einen Lover zu nehmen. Nutrice selbst beklagt ihr Alter, doch ihre Stimme, alternierend zwischen Kolaraturen und Bass-Gesang, kennt hörbar kein Alter. Jochen Kowalski, erneut in dieser Partie, kann halt beides und amüsiert so das Publikum.

Mit einem echt volumigen Bass-Bariton und eindrucksvoller Rede imponiert Grigory Shkarupa als Seneca, der Erzieher Neros und ein anerkannter Philosoph. Der tritt mutig zu Gunsten der Kaiserin auf. Noch mehr ärgert sich Nero  jedoch über Poppeas Bemerkung, dass eigentlich Seneca die Staatsgeschäfte führe. Nero verurteilt ihn zum Selbstmord und schickt ihm ein scharfes Messer. Völlig gefühllos schaut er dann zu, wie der blutüberströmte Seneca zusammenbricht.

Die Kaiserin, die vorher ihre Tugend betont hatte und sich keinen Liebhaber nehmen wollte, schrecht andererseits nicht davor zurück, von Ottone die Ermordung ihrer Rivalin Poppea zu fordern. Obwohl er inzwichen bereits mit Drusilla (Evelin Novak) liiert ist und sich vor der Tat ihren Rock ausborgt, um nicht erkannt zu werden, bringt er das nicht fertig.

Sie wird nämlich von Amor geschützt, der ohnehin das persönliche und politische Leben bestimmt und durcheinander wirbelt. Die Kaiserin Ottavia, der außerdem ein Verhältnis mit einem Diener angedichtet wurde, wird nun wirklich verbannt und muss einen entsetzlichen Tod erleiden, von dem in der Oper aber nicht die Rede ist.

Zunächst schmerzt sie vor allem der Abschied von ihrem geliebten Rom, was Natalia Skrycka in ein berührendes Piano kleidet. Nero reißt ihr jedoch vor dem Abtransport die roten langen Handschuhe von den Händen und streift sie Peppea über.

Wie von Nero versprochen wird nun die Hochzeit gefeiert. Poppea ist also Kaiserin von Rom und hat ihr Ziel erreicht. Doch glücklich wirken weder sie noch Nero. Beide stehen nachdenklich ein Stück voneinander entfernt und fragen sich wohl mit einiger Ernüchterung, was die Zukunft bringen wird.

Doch lange braucht Poppea darauf nicht zu warten. Nero fordert seinen Freund auf, zusammen mit ihm Poppeas Schönheit zu besingen, und das mündet schnell in gegenseitige Liebkosungen. Zu dritt inklusive Poppea liegen sie zuletzt auf dem Boden. Als die Hochzeitsfeier endet, verlässt Nero Hand in Hand mit dem Partner das Fest, während Poppea allein zutrückbleibt. Ihre Amme Arnalta (Thomas Walker, Tenor) – zunächst über Poppeas Hinwendung zu Nero besorgt, dann aber mächtig stolz über sie als Kaiserin – hat geschichtlich leider Recht behalten.

Nicht in die Oper eingefügt hat Monterverdi folgendes: Poppea wurde als Kaiserin eine sehr reiche Frau, die angeblich immer in Eselsmilch badete. Vom Volk wurde sie wegen ihrer Schönheit bewundert. Ihr erstes Kind von Nero, eine Tochter, starb früh. Ihre zweite Schwangerschaft endete tödlich, durch einen heftigen Tritt des wütenden Nero in ihren Bauch. Er soll jedoch ihre Grabrede gehalten und schließlich selbt einen Mann gereiratet haben. Gerne tat er sich als Sänger und Schauspieler hervor, doch das Messer zum Selbstmord des vom Volk gehassten Kaisers musste ich m einer seiner letzten Freunde in die Hand drücken. Am 9. Juni 68 starb er auf diese Weise.

In weiteren Rollen;  Adam Kutny. Johan Krogius, Florian Hoffmann, Benjamin Chamandy, Regina Koncz, Narine Yeghiyan  und ein Solist des Kinderchors, dessen Name nicht genannt wird.

Noch zwei Trmine am 3. und 5.  Dezember.  

Ursula Wiegand

 

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