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BERLIN/ Staatsballett in der Volksbühne: „SUNNY“ von Emanuel Gat, Premiere

18.12.2019 | Ballett/Performance


Copyright: Jubal Battisti

Berlin/ Staatsballett Berlin mit „SUNNY“ von Emanuel Gat, Premiere und erstmals in der Volksbühne, 17.12. 2019

Manches ist unkaputtbar, so der Song „Sunny“ von Bobby Hepp aus dem Jahr 1966. Nach wie vor ist er bekannt, weit mehr als der Name des Komponisten. Es ist das Lied eines Leidgeprüften, der plötzlich in „Sunny“ seine große Liebe findet und sich nun stark und glücklich fühlt.                              

2.000 Mal sei „Sunny“, gecovert worden, ist im Programmheft zu lesen, und alle fünf Strophen sind dort dankenswerterweise (auf Englisch) abgedruckt. Mit einer positiven Grundhaltung und entsprechender Zuversicht lassen sich alle Schwierigkeiten und Enttäuschungen überwinden, so die Botschaft.  

„Sunny“ sei für Emanuel Gats gleichnamiges Tanzstück und für ihn selbst zum Ausgangspunkt geworden, berichtet der für die Musik zuständige Awir Leon. „Ich bin besessen von Sunny, diesem Song, von dem es so viele Versionen gibt“, bekennt er. Doch wo „Sunny“ draufsteht, sollte auch „Sunny“ drin sein. Von Leons Begeisterung für diesen Hit ist im Tanzstück leider wenig oder gar nichts zu spüren. So gesehen, wird das Publikum vom Titel in die Irre geführt.

Nur zu Beginn dieser fürs Staatsballett Berlin geschaffenen Sunny-Variante klingt das Lied leise an. Danach schwappt sofort Leons elektronisch erzeugter Techno-Beat – in allgemein wirkender Machart und dazu noch vom Tonträger – in den großen Saal der Volksbühne. Erstmals ist auch sie zur Spielstätte für das Staatballett Berlin geworden. 

Zu Beginn dieser Kreation, die Gat in Berlin übrigens schon 2016 bei „Tanz im August“ gezeigt hatte, scheinen die weichen Sunny-Klänge noch einen Einfluss aufs Tanzgeschehen zu haben. In Unterwäsche (Kostüme: Thomas Bradley) und in erotisch gemeinten Posen bewegen sich langsam die neun Tänzerinnen und Tänzer, vermeiden aber, womöglich auf Wunsch von Gat, sich zu berühren.  


Copyright: Jubal Battisti

Solche Scheu wirkt bei diesen jungen Menschen einerseits angenehm. Andererseits scheint dieses Tanzen quasi ohne Halt auch Schwierigkeiten zu bereiten, so dass die diversen Pas de deux mitunter etwas wackelig zelebriert werden. Vielleicht war das die Premieren-Nervosität und spielt sich in den Folgevorstellungen geschmeidiger ein.

Ohnehin ist bei Gat keine Aufführung so wie die andere. Bei ihm entsteht alles mehr oder minder spontan. Seine Choreografien entwickeln sich nach seinen eigenen Worten ohne festes Konzept erst auf der Bühne zusammen mit den Tänzerinnen und Tänzern.

„Ich schaffe keine Stücke, ich schaffe ein sich ständig entwickelndes choreographisches System. Die einzelnen Werke sind daher flüchtige Einblicke in bestimmte Punkte der Evolution dieses Systems“, so Gat wörtlich.
Aus diesem Grund lässt er den Tänzerinnen und Tänzern auch viel Freiheit, um ihre eigene Individualität zu entwickeln. Ist aber solch ein laissez-faire wirklich der Tanzweisheit letzter Schluss? Denn die Nachteile der von Gat verweigerten Strukturierung werden an diesen Abend mehr als deutlich. Nur selten gibt es gekonnte Gruppenszenen, von denen anzunehmen ist, dass sie geübt wurden. Alles andere wirkt aber sehr beliebig,

Vor allem die Tanz-Fans , die vor wenigen Tagen die Uraufführungen „LIB“ von Alexander Ekman und „STRONG“ von Sharon Eyal im der Staatsoper gesehen haben, müssen von „Sunny“ enttäuscht sein. Das liegt nicht am Ort, sondern am Stück, dem das  Knackige und Überzeugende fehlt. Verglichen mit diesen Arbeiten ist Gats „Sunny“ ein Leichtgewicht.

Leerstellen fallen im Verlauf ebenfalls auf, und die macht das Tanzen in kunterbunten Klamotten mit Opernfundus-Ambiente auch nicht wett. Nur 60 Minuten dauert die Aufführung, doch die Aufmerksamkeit des Publikums lässt trotz Techno im Verlauf spürbar nach.

Erst zuletzt, als die Tänzerinnen und Tänzer in Alltagskleidung tanzen, sich drehen, verbiegen, der Vorsicht trotzen und aufs Tempo drücken, lässt sich das glücklich enthemmte Sunny-Liebespaar als Stichwortgeber vorstellen, von dem diese Choreografie eigentlich handeln sollte. Doch selbst dieser schnelle letzte Teil reißt das durch die Eintönigkeit erschlaffte Publikum nicht von den Sitzen.

Als das Stück plötzlich endet, dauert es eine Weile, bis alle begreifen, dass nun Schluss ist. Erst mit Verzögerung beginnen die Jungen zu kieksen und die Älteren zu klatschen. Begeisterung klingt anders.

Ursula Wiegand   

Weitere Aufführungen am 19. Dez. sowie am 3., 4. und 5. Januar   

 

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