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BERLIN/ Staatsballett in der Komischen Oper: „CELIS | EYAL“

Frischer Wind für die Compagnie,

23.09.2018 | Ballett/Tanz


Szene in der Choreographie von Stijn Celis. Copyright: Jubal Battisti

Berlin/ Staatsballett Berlin: „CELIS | EYAL“ in der Komischen Oper, frischer Wind für die Compagnie, 22.09.2018

Mit zwei zeitgenössischen, aber doch sehr unterschiedlichen Stücken ist Johannes Öhman, der neue Intendant des Staatsballetts Berlin, am 07. September gestartet. In der nächsten Saison kommt Sasha Waltz hinzu, die gerade das 25. Jubiläum mit ihren „Friends“ begeht.

Aber war da nicht mal was? O ja. Wütende Proteste von Tänzerinnen und Tänzern gegen die bevorstehende Modernisierung des Programms. Doch diese Aufstände sind Vergangenheit, ebenso ist es die relativ kurze Zeit mit Nacho Duato, dessen sämtliche Inszenierungen radikal entsorgt wurden. Laut Öhman wird das Ballettprogramm nun zur Hälfte klassisch, zur Hälfte zeitgenössisch sein.

Und schon weht ein deutlich spürbarer frischer Wind durch die Truppe. Auch einige die bisher eher klassisch getanzt haben – u.a. Xenia Wiest, Weronika Frodyma, Olaf Kollmannsperger, Lucio Vidal und Frederico Spallitta – springen mit Mut und Können erfolgreich in die Gegenwart.  

Das erste Tanzstück „Your Passion is Pure Joy to Me“ von Stijn Celis, entwickelt 2009 für die Göteborgs Operans Danskompani, ist noch weitgehend von sanfter Natur, vor allem da  die drei Frauen und vier Männer hauptsächlich zu den warmen, religiös inspirierten Songs von Nick Cave aus seinem Album „No more shall we part“ (von 2001) tanzen. Diese Arbeit „reflektiert auf sensible und subtile Art über Gläubigkeit“, erklärte Öhman vorab.

Trostbrauchende, Alleinstehende zumeist in Alltagskleidung (Kostüme: Catherine Voeffray) suchen einander, bewegen sich zu- und voneinander auf der unverkleideten Bühne der Komischen Oper Berlin. Zwei Herren agieren spiegelbildlich am Boden, einer das Alter Ego des anderen, aber nur für kurze Zeit.

Resignation und Energieschübe, Berührungen und Trennungen wechseln sich ab. Wenn Stücke von Pierre Boulez und Krzysztof Penderecki den musikalischen Hintergrund bilden (alle vom Tonträger) werden die Bewegungen rasanter und härter.

Generell bildet jeder und jede eigene Figuren, zeigt Dehnungen, Schräglagen und Drehungen, mal langsam, mal schnell. Manches wird nur angedeutet, aber alles gelingt. Eine Tänzerin wird auch mal kopfüber herumgeschleudert. Nur selten und kurz entwickelt sich etwas wie ein Pas de deux.

Zuletzt springt eine Frau einem Mann in die Arme, schlingt die Beine wie ein Kind um seinen Körper. Vielleicht ist es auch ein Geschlechtsakt. In vielen schnellen Drehungen hält er die Frau fest an sich gepresst. Innig wirkt das, passen zu den auf Tonband ertönenden Versen „God is in the house“. Danach folgt noch eine Weise vom Jazzpianisten Gonzalo Rubalcaba.

Für die Frau scheint das Haus, in dem Gott ist, jedoch keinen Reiz zu haben. Die offenbar Bindungsunfähige geht allein vondannen. Leidenschaft und pure Freude, die der Titel des Stückes suggeriert, sind in Celis’ Choreographie wohl nur vorübergehende Lebenslichtblicke. Danach kräftiger Applaus.


Szene aus „Half Life“. Copyright: Jubal Battisti

„Ein Hammer“ ist dagegen das zweite Stück: „Half Life“, geschaffen 2017 von Sharon Eyal für das Königlich Schwedische Ballett Stockholm. Seit  2013 hat sie ihre eigene Compagnie L-E-V,  gemeinsam mit dem DJ und Musiker Gai Behar.

Nun wird nach dem von DJ Ori Lichtik gemixten, laut hämmerndem Technobeat zunächst ununterbrochen auf der Stelle getreten und gezuckt, wie in entsprechenden Discos. Für diese Ausdauer-Leistung stehen nun überwiegend neue Compagnie-Mitglieder auf der Bühne. Öhman bezeichnet Eyals Choreografie als „sehr abstrakt und androgyn, aber gleichzeitig anziehend und kraftvoll.“ Eyal gilt bereits als „shooting-star“. Erstmals arbeitet sie nun mit den Tänzerinnen und Tänzern des Staatsballetts Berlin.

Eine Frau und ein Mann beginnen. Sie trippelt auf halber Spitze und bewegt nur die Arme mit zu Fäusten geballten Händen auf und ab vor der Brust, und das fast während der gesamten Zeit. Der Mann mit auffällig vorgeneigtem Unterkörper schwingt immer wieder das rechte  Bein schräg über das linke – auch das viele Minuten lang.

Im Hintergrund rückt langsam eine Elfergruppe an, und das wirkt fast bedrohlich. Doch sie schließt nur zu den beiden Solisten auf. Alle zusammen bilden nun eine Masse Mensch, ein Rudel von 6 Frauen und 7 Männern, die Damen zumeist in hellen Ganzkörperanzügen, die Herren in bauchfreien Leibchen, oft in tanga-artigen kurzen Hosen, die das Gesäß weitgehend frei lassen (Kostüme und Maske: Rebecca Hytting).

Nun treten erstmal alle lange im immer gleichen Techno-Rhythmus auf der Stelle als seien sie in Trance. Doch plötzlich explodieren sie. Jetzt fliegen die Arme, drehen sich die Köpfe, verschieben bei noch stärkeren Zuckungen sich die Hüften, während die ganze Gruppe zur Seite und wieder zurück schwingt. Heftig und mitreißend ist das.

Zuletzt kommen alle wieder mittig zusammen und bewegen sich erneut im stampfenden Anfangsmodus. Licht aus, Schluss und explodierender Jubel. Dazu begeistertes Gekreische von den auffallend vielen jungen Leuten im Publikum. Das hat Öhman offenbar schon seit dem 7. September geschafft. Zuletzt „standing ovations“.   

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 29. September, 02., 05., 10. Oktober, 10., 18., 29. Dezember 2018, 28. Januar 2019. Tickets 16-70 Euro, reduziert 8-35 Euro.     

 

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