Staatsballett Berlin: „Giselle“
111. Vorstellung am 4.12.2024
Ensemble des Berliner Staatsballetts (Foto: Mariia Kulchytska)
Giselle ist einer der Ballettklassiker schlechthin und umso erfreulicher ist es, dass das begeisterte Publikum des Staatsballetts Berlin diesen auch in einer klassischen Interpretation erleben darf. Patrice Bart zeigt sich für Choreographie und Inszenierung verantwortlich und überzeugt mit seiner romantischen Sicht auf das Werk. An diesem Mittwochabend erleben wir in einer langem restlos ausverkauften Vorstellung bereits die 111. Aufführung der seit dem Jahr 2000 auf dem Spielplan stehenden Produktion.
Im Bühnenbild und den Kostümen von Peter Farmer und dem subtil eingesetzten Lichtdesign von Franz Peter David zaubern die Tänzerinnen und Tänzer dem internationalen Publikum ein Lächeln ins Gesicht und werden schließlich mit langanhaltendem Beifall und Standing Ovations belohnt.
Riho Sakamoto gibt Giselle im ersten Akt als „Everybody’s Darling“ und verzaubert mit ihren zart fließenden Bewegungen und ihrer künstlerischen Raffinesse nicht zuletzt die Dorfbewohner, den Wildhüter Hilarion (Alexei Orlenco), sowie Albrecht (Martin ten Kortenaar).
Dorfgesellschaft im 1. Akt (Foto: Mariia Kulchytska)
Gleichsam esotherisch wie ernsthaft gibt Eloïse Sacilotto im zweiten Akt ein ebenso überzeugendes Portrait der Königin der Willis ab. Auch Sakamoto versprüht im Reich der Willis eine luftig schwebende, geisthafte Zartheit und beweist ihre Wandlungsfähigkeit bei gleichbleibend herausragender tänzerischer Brillanz. Albrecht wird ja von den Willis zum Tanzen bis zur Erschöpfung verurteilt, aber ten Kortenaar scheint in seiner dynamischen Interpretation weit vom Ermüdungszustand entfernt zu sein.
Im Reich der Willis (Foto: Mariia Kulchytska)
In weiteren solistischen Partien sind Lewis Turner als Wilfried, Dominik White Slavkovský als Prinz von Kurland, Julia Golitsina als Bathilde, Maria Boumpouli als Berthe und schließlich Meiri Maeda und Giovanni Princic im Bauern-Pas-de-Deux zu sehen.
Musikalisch wird die Leistung auf der Bühne von der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Marius Stravinsky konzentriert und schwungvoll unterstützt. Dafür werden Dirigent und Orchester in den Jubel während des Schlussapplauses ebenfalls mit vielen Bravorufen belohnt.
Dieser Abend ist einer von unzähligen Beweisen dafür, dass Berlin kulturell weltweit in der ersten Liga spielt. Umso unverständlicher ist es, dass der Kulturetat dieser Stadt für 2025 um 130 Mio. Euro gekürzt werden soll. Ein Einschnitt dieser Dimension kann katastrophale Folgen haben und nur mit Start-Ups, Pop-Ups und der stets besten Bundesregierung aller Zeiten verliert die deutsche Hauptstadt deutlich an Profil und Attraktivität. Ein Abend wie dieser in der Staatsoper Unter den Linden sei stellvertretend als praktischer Beweis der völkerverständigen Wirkung von Kultur genannt. Nicht nur im Ensemble, sondern auch im Publikum sind unzählige Nationen, darunter sowohl Russen als auch Ukrainer, friedlich vereint. Eine Katastrophe, wenn uns diese Basis für ein friedliches und Verständnis-schaffendes Miteinander genommen wird.