BERLIN /STAATSBALLETT BERLIN in der Staatsoper, „WINTERREISE“, Premiere am 11.05.2025
Dominik White Slavkovsky, Polina Semionova, Cohen Aitahtson-Dugas, Martin.Foto Carlos Quezada.
Was soll denn das, Franz Schuberts „Winterreise“ schon Anfang Mai und sogar bei fast sommerlichen Temperaturen? Doch nicht nur am Premierenabend ist vieles ganz anders.
Kein Klavier oder Flügel ist auf der grauen, teilweise fast schwarzen Bühne zu sehen (Bühnenbild Rufus Didwiszus), und auch kein Sänger wartet auf seinen Einsatz. Stattdessen tanzen zwei junge Männer in eleganten schwarzen Anzügen geschmeidig hin und her. Gut sieht das aus.
Hinter ihnen am Boden hockt das Ensemble, und es dauert eine kleine Weile, bis alle nach vorne kommen. Großartig getanzte Pas de deux sind nun zu bestaunen – und abgesehen von einigen recht wilden Massenszenen – durchzieht dieses gekonnte Miteinander das ganze 1:38 Stunden dauernden Programm.
Nein, das ist also nicht mehr das originale und weithin bekannte Werk, das Franz Schubert ein Jahr vor seinem frühen Tod (mit 31 Jahren) schuf, basierend auf die 24 zumeist traurigen Verse des Dichters Wilhelm Müller. Ihr Text passte offenbar zu Schuberts Mühen, Ängsten und vermutlich seinem Wunsch zu sterben.
Dieses Schicksal eines damals wenig beachteten Hochbegabten wird nun wieder aufgegriffen, jedoch auf eine neue und zu vielen Menschen passende Weise. Vor allem durch die Choreographie und Inszenierung von Christian Spuck, dem jetzigen und erfolgreichen Intendanten vom Staatsballett Berlin. Gerade bei diesem Stück erscheinen die Tänzerinnen und Tänzer trotz der zumeist eher dunklen Gewandung (Kostüme Emma Ryott) wie neu. Generell wirkt die gesamte „Winterreise“ alltauglich, und das verdankt dieses Werk auch weiteren Neuheiten.
Danielle Muir. David Soares, Foto Carlos Quezada.
Ein relativ kleines Orchester, gebildet von Instrumentalisten der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Dominic Limburg sorgt für die neue musikalische Fassung durch eine Komposition von Hans Zender, die Spuck einst zufällig hörte und ihm sofort gefiel. Gut geht sie offenbar auch dem Publikum ins Ohr. Klar und einfühlsam singt der Tenor Matthew Newlin die 24 Strophen.
„Je verrätselter die Bilder, desto klarer die Botschaft“. betonte Christian Spuck vorab in einem Gespräch. Hoffen wir also, dass nun viele Menschen die originale und nun auch die neue Version von Schuberts Winterreise besser als bisher als ein Meisterwerk einschätzen.
Diese Erkenntnis hat wohl auch Herrn Spuck animiert, seine Züricher Fassung von 2018 in Berlin nochmals aufzupolieren. „Als Endeffekt geht es in der Winterreise um Orte der Wärme und der Nähe, die immer mehr verloren gehen“, so sein Fazit, und genau darum geht es eigentlich, damals und heute.
Martin ten Kortenaar, Weronika Frodyma. Foto Carlos Quezada
Der Wanderer, der seinem Liebchen lebenslang nachtrauert, der nur unterm Lindenbaum Ruhe fand, jedoch seinem Wanderstock bei Wind und Wetter vertraute und schließlich mit dem armseligen Leiermann übers kalte Eis in den Tod geht – das kennzeichnete vorab Franz Schuberts Leben und dessen Ende.
Anders war jedoch das Ende der neuen Winterreise-Variante. Deren Premiere in Berlin wurde heftig und mit „standing ovations“ gefeiert. Bitte nicht versäumen! Ursula Wiegand
Weitere Termine:
14.5. (Restkarten), 17.5,. 23.5, 29.5, 7.6., 9.6. und 14.6.