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BERLIN: SILVESTERKONZERT DER BERLINER PHILHARMONIKER (via „Arte“)

31.12.2021 | Konzert/Liederabende

Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker via Arte

Rasant und atemlos

Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker in der Philharmonie am 31.12.2021/BERLIN

Ganz kurzfristig ist in diesem Jahr der junge israelische Dirigent Lahav Shani für den erkrankten Kirill Petrenko eingesprungen. Und man konnte gleich bei der „Fledermaus“-Ouvertüre von Johann Strauß feststellen, mit welcher Rasanz die Berliner Philharmoniker nicht nur die Galopp-Rhythmen musizierten. Anschließend interpretierte die renommierte niederländische Geigerin Janine Jansen das Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 in g-Moll op. 26 von Max Bruch. Die Themen des eröffnenden Allegro moderato hatten hier wirklich „Vorspiel“-Charakter. Das energische erste und das lyrische zweite zeigten dabei große klangliche Ausdruckskraft. Janine Jansen gelang es ausgezeichnet, die eindrucksvollen dynamischen Steigerungen herauszuarbeiten. Starke, aber nie aufdringliche Gefühlsintensität besaß in ihrer leidenschaftlichen Wiedergabe das Adagio. Und die große Virtuosität des Finale Allegro energico überzeugte vor allem aufgrund der Vitalität des ersten Themas. Tänzerischer Schwung und vorwärtsdrängende Kraft gingen ineinander über. Reminiszenzen an Johannes Brahms waren hier nicht zu überhören. Das zweite kontrastierende Thema wirkte ausgesprochen prunkvoll. Dabei wurde dann ein Feuerwerk der Virtuosität abgebrannt. Janine Jansen spielte zusammen mit den Berliner Philharmonikern unter der einfühlsamen Leitung von Lahav Shani auch „Liebesleid“ von Fritz Kreisler, wobei der Klang der Violine samtweich vom Orchester getragen wurde. Ein weiterer Höhepunkt war Igor Strawinskys „Feuervogel“-Suite Nr. 2 in der Fassung aus dem Jahr 1919. Hier konnten die Musiker ihre überragende spieltechnische Virtuosität beweisen. Die thematische Substanz und kühle Logik dieses Werkes ragten deutlich hervor. Das Intervall der übermäßigen Quarte und verminderten Quint wurde von Lahav Shani mit den Berliner Philharmonikern prägnant betont. Mit schleichenden Klängen wurde der verhexte Garten des Zauberers gemalt – und wie eine Feuerflamme flatterte der Feuervogel heran. Flehend bat der Vogel den Prinzen, ihn in Freiheit zu lassen. Und eine zart-schwebende, innige russische Volksmelodie beschrieb das zierlich-anmutige Spiel der Prinzessinnen. Unwiderstehlich vorstürmende Rhythmen kennzeichneten den Höllentanz des Zauberers Kaschtschei. Und das Wiegenlied erinnerte an Rimskij-Korssakoff. Sehr liturgisch wirkte zuletzt das grandiose Finale. Und auch bei „La Valse“ von Maurice Ravel waren die Berliner Philharmoniker unter der temperamentvollen Leitung von Lahav Shani ganz in ihrem Element. Das war eine bemerkenswerte Huldigung an den Wiener Walzer. Irgendwie wurde die Leidenschaft für den Tanz dabei auch ironisch beschworen. Aus raunendem Nichts wurde der Walzer geboren, ein wiegend-elektrisierender Rhythmus setzte sich fast gespenstisch durch. Abgerissene Melodiewendungen verstärkten diesen markanten Eindruck. Ein Hofbal in Schönbrunn war das letzte dieser seltsam verzerrten Tanzbilder – wobei Lahav Shani die rauschhaften Passagen dieses „Walzerglücks“ mit unbändigem Feuer beschwor. Als Zugabe fesselten noch Aram Katschaturians „Maskerade“ und „Galopp“ mit explosiven Assoziationen zu armenisch-kaukasischen Volksmelodien. Riesenapplaus.

Alexander Walther

 

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