BERLIN Philharmonie: TARMO PELTOKOSKI dirigiert das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin; 29.5.2025
Magnetisierendes Programm: Wagners „Der Ring ohne Worte“ zusammengestellt von Lorin Maazel und Saariahos „Laterna Magica“
Tarmo Peltokoski. Foto: Peter Rigaud
1987 hat Lorin Maazel im Auftrag der Berliner Philharmoniker nach der Art der damals aufkommenden Pop-Mashups aus dem motivischen Material des Rings des Nibelungen den rein instrumentalen, rund 70 Minuten langen „Ring ohne Worte“ kompiliert und mit grandios ersonnenen Übergängen zu einer großen sinfonischen Synthese montiert. Die Musik ist chronologisch angeordnet und Maazel betonte immer wieder, er hätte nichts hinzugefügt. Wo eigentlich Stimmen notiert wären, sind Flöte (Sieglinde), Posaune (Siegfried) oder Bassklarinette (Fafner) zu hören. Die zeitliche Aufteilung stellt sich in etwa so dar: Rheingold 15 Minuten, Walküre 13 Minuten, Siegfried 6 Minuten und Götterdämmerung 37 Minuten. Anm.: Maazel war selbst ab 1964 in der Nachfolge von Ferenc Fricsay Chefdirigent des damals noch als Radio-Symphonie-Orchester Berlin (1946 als RIAS-Symphonie-Orchester Berlin von den USA gegründet) benannten Klangkörpers.
Maazels Ring-Erfahrung stütze sich nicht zuletzt auf sein Engagement bei den Bayreuther Festspielen 1968 und 1969 (letzterer ist instrumental einer der besten „Ringe“, die ich kenne) und zuvor auf seine musikalische Leitung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ an der Deutschen Oper Berlin 1967.
Das bei Telarc damals erschienene Album (Berliner Philharmoniker/ Maazel) erwies sich als Verkaufshit. Endlich konnten Musikfreunde die gigantische Musik – ironisch und ein wenig böse gesagt – ohne störendes hochdramatisches Gebrülle und ohne inszenatorisch-optische Widrigkeiten genießen, zumal weil die gelungene Tondichtung so packend musikalische in Szene gesetzt wurde, wie Maazel dies vermochte.
Nun ist beim DSO der 25-jährige finnische Pianist und Dirigent Tarmo Peltokoski mit Wagners/Maazels Best-of „Ring ohne Worte“ dran. Der Oramo-Lintu-Saraste und Salonen-Schüler Peltokoski, mit einem Wort dieser aus der berühmten finnischen Dirigentenschule kommende, mit allen Pult-Wassern gewaschene, exzellent ausgebildete Musiker ist eine faszinierende Persönlichkeit.
Foto: .Ingobert Waltenberger
Als 2024 sein Mozart-Album (Symphonien Nr. 35 „Haffner“, 36 „Linzer“ und 40) mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen bei der Deutschen Grammophon erschienen ist, hat mich dieser „Harry Potter der Jungdirigenten“ mit den fluid-raschen Tempi, den sanglichen Legatobögen sowie der dynamisch ausgeklügelten Detailarbeit, ohne den musikalischen Fluss allzu sehr von aufgepeitschten Binnenphrasen bestimmen zu lassen, überzeugt.
Jeglichem eitlen Gehabe und jeglichem anbiedernden Gefallenwollen dem Publikum oder seinen Musikern gegenüber abhold, ist das Einzige, was für Peltokoski zählt, die Musik. Dieser schlagtechnisch ähnlich wie Maazel äußerst präzise und wohl auch eigenwillige „Chef“ mit ernster Miene hielt nach einem noch nicht ganz konzentrierten Rheingold-Beginn die Heerscharen an Instrumentalisten mit seinem unglaublichen Charisma und einem wohl dosierten körperlichen Einsatz auf Hochspannungs-Trab. Peltokoskis Liebe zur Musik Richard Wagners war in jeder Sekunde spürbar, selbstredend dirigierte er ohne Partitur.
Er wollte aus dem erzählerischen Gestus heraus das große Symphonische im Klang aufspüren. Hochdramatische Dramaturgie und opernhafte Theatralik prävalierten vor klanglicher Transparenz und Feinzeichnung. Das DSO – in Operndingen wenig geübt – folgte den Intentionen Peltokoskis bemüht, rhythmisch nicht immer punktgenau, teils sichtlich hoch konzentriert (Blech, Holz, Perkussion), teils nicht ganz auf der Höhe der Möglichkeiten, was insbesondere den streckenweise doch sehr sachlichen Streicherklang anlangte.
Auf jeden Fall gelang der große Bogen eindrücklich und besonders die Gestaltung der von Maazel so gekonnt modellierten Übergänge zeigten den Dirigenten wie das Orchester in Top-Form. Nach dem Verklingen der letzten Talkte gelang es Peltokoski über 10 Sekunden lang, völlige Stille im Saal aufrechtzuerhalten. Dann bat er Musiker und Musikerinnen mit solistischen Aufgaben und immer wieder das gesamte Orchester um ihre Reverenz. Er selbst schien den ihm alleine zugedachten Applaus wenig zu genießen.
Vor der Pause stand Kaija Saariahos nach Ingmar Bergmanns Autobiografie benannte „Laterna Magica“ auf dem Programm. Die Idee der laufenden Bilder regte die Komponistin an, über „die Bedeutung des musikalischen Tempos nachzudenken.“ Das heißt im Klartext, dass es in dem groß besetzten, 20-minütigen Werk vor allem um aus raschen Tempi erwachsende Farbeffekte und rhythmische Experimente geht. Die kühlen Klangflächen erzeugen bisweilen Suspense-ähnliche Wirkungen Filmmusiken gleich.
Peltokoski war hier der steuernde Maschinist vorrangig von Lichtstimmungen aus den Drehmomenten der Musik heraus. Von Orchestermitgliedern wurden zur atmosphärischen Einordnung Worte wie „das milde, gefährliche, traumhafte, lebendige, tote, klare, diesige, heiße, heftige bis beruhigende, helle Licht“ in den Raum geflüstert. Der Grundduktus der Komposition erwies sich jedoch weniger als zart als vielmehr wuchtig in vage glänzendes, nordlichterndes Metall gestanzt.
Dr. Ingobert Waltenberger