Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Philharmonie: „MISSA SOLEMNIS“ in D-Dur, Op. 123 von Ludwig van Beethoven

08.04.2023 | Konzert/Liederabende

BERLIN / PHILHARMONIE „MISSA SOLEMNIS“ in D-Dur, Op. 123 von Ludwig van Beethoven; 7.4.2023

Jérémie Rhorer hält den Staatsopernchor und die Staatskapelle Berlin zu sportlicher Disziplin an

Die von Erzherzog Rudolph von Österreich für die Inthronisationsfeierlichkeiten als Erzbischof des mährischen Erzbistums in Olmütz bei seinem Lehrer in Auftrag gegebene Missa solemnis wurde erst drei Jahre nach der Zeremonie fertig. Bei solcher Verspätung war es auch nicht verwunderlich, dass Beethoven den ersehnten gut bezahlten Job in der Hofkapelle nicht erhielt.

Wie dem auch sein, das mit 80 Minuten Aufführungsdauer als monumental zu bezeichnende Werk gilt heute neben der h-Moll Messe von Bach als eine der bedeutendsten sakralen Tonschöpfungen der Menschheitsgeschichte. Für die zwei Aufführungen in der Berliner Philharmonie im Rahmen der seit 1996 existierenden österlichen Festtage der Staatsoper Unter den Linden war ursprünglich Daniel Barenboim als Dirigent vorgesehen. Als sich der als Ersatz engagierte Marc Minkowski am Arm verletzte, sprang kurzerhand Jérémie Rhorer, aufstrebender französischer Dirigent mit einer Vorliebe für alte Instrumente, ein.

Die hatte er mit den Musikern der Staatskapelle Berlin überwiegend nicht zur Verfügung, dennoch war die Wiedergabe von französischer Clarté, straffen Tempi und rasanten Fugen geprägt. Die Wechsel der Zeitmaße, der Ton- und Taktarten vollzog Rhorer strikt comme il faut, die einmal gewählten Tempi peitschte er gnadenlos durch. Das ergab eine dramatische, opernhafte Gestik nicht scheuende Interpretation, die von der Botschaft her überzeugte, aber die Ausführenden, vor allem den bis auf die in der Höhe flackernden Soprane klangschönen Staatsopernchor an die Grenzen des Möglichen führte. An der Prägnanz und Geschlossenheit der Einsätze als auch den punktgenau deklamierten ‚s‘ etwa bei „et incarnatus est“ hätte noch gearbeitet werden können.

Das neben den Berliner Philharmonikern beste Orchester der Stadt mit seinem romantischen Klang glänzte mit warmem Ton und gut ausbalancierten Instrumentengruppen. In der Orchestereinleitung zum „!Benedictus“ sangen die Bratschen, Celli und das Holz himmlisch luxuriös ihr Loblied auf den, der da kommt im Namen des Herrn.

Das Solistenquartett mit der in den Stratosphären der Partitur luminosen Camilla Nylund (Sopran), Anna Kissjudit (Alt), Saimir Pirgu und dem stimmlich allzu vorsichtigen René Pape (Bass) bewältigte seine Aufgabe insgesamt homogen und präzise. Beeindruckt haben insbesondere die in allen Lagen pastos orgelnde ungarische Altistin Kissjudit und der albanisch-italienische Tenor Pirgu, der mit Attacke, dann aber wieder feinen Piani und beeindruckender stilistischer Disziplin überraschte.

Das Publikum im selbst am Karfreitag proppenvollen Großen Saal dankte nach einem atemberaubend intensiven „dona nobis pacem“ am Schluss allen Ausführenden für ihren Einsatz.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken