Berlin/ Philharmonie: Konzert zu den FESTTAGEN der Staatsoper mit Daniel Barenboim und Radu Lupu, 12.04.2017
Radu Lupu und Daniel Barenboim nach dem Beethoven-Konzert. Foto Thomas Bartilla.
Nicht allzu häufig ist der weltweit konzertierende, rumänische Klavier-Virtuose Radu Lupu in Berlin zu Gast, und so gehört dieses Konzert mit ihm zu den Highlights der Staatsoper-Festtage 2017. Dennoch fallen auf den teureren Plätzen deutliche Lücken auf. Andererseits sind die preiswerten Plätze hinter dem Podium voll besetzt.
Am Programm kann es eigentlich nicht liegen, zumindest nicht an den melodiösen „Haydn-Variationen“ op. 56 für Orchester von Johannes Brahms. Oder ist dieses Werk, das Brahms den Weg zu seinen Sinfonien wies, den Musikfreunden schon zu bekannt?
Barenboim dirigiert diese acht Variationen plus Finale, die ungewöhnlicherweise mit einem Andante beginnen und enden, recht zügig und ohne sie zu romantisieren. Immerhin scheinen in der flotten Nr. V – Vivace – die Vögel zu zwitschern, während das nächste Vivace sehr markant klingt. Bei der Nr. VII – Grazioso – könnte stellenweis’ ein luftiges Kleid im Frühlingswind wehen. Beim Finale geht es dann in die Vollen, nun lässt Barenboim das Orchester stark aufrauschen, um es dann wieder in zartere Gefilde zu lenken. Insgesamt schön anzuhören, aber ohne besondere Höhepunkte.
Haben vielleicht Arnold Schönbergs „Fünf Orchesterstücke“ op. 16 einige Zuhörer abgeschreckt? Kaum vorstellbar 105 Jahre nach der Premiere in London. Richard Strauss – damals Leiter der Berliner Hofkapelle – hatte sie nicht dirigieren wollen. Die Orchesterstücke stellten „inhaltlich und klanglich so gewagte Experimente dar, dass er es guten Gewissens nicht verantworten könne, dem mehr als conservativen Berliner Publikum diese Novitäten vorzusetzen.“
Tatsächlich sind diese Orchesterstücke nach Schönbergs Worten nur Klang und Stimmung, hätten keine Architektur und wären das Gegenteil von symphonisch. Für Strauss war das wirklich keine Verlockung, zumal die fünf Teile zunächst keine Namen hatten, die den Hörern zumindest kleine Hinweise hätten geben können.
Nach wie vor schrillen und wabern sie farbintensiv durch den Saal. Die „Vorgefühle“ kommen sogleich dissonant daher, Vergangenes (das 2. Stück) erweckt angenehmere Assoziationen. Beim 3. Stück – Farben – wird’s mitunter impressionistisch. Für die Instrumentalisten, insbesondere für die Bläser, sind diese 5 Stücke noch immer eine Herausforderung. Doch die Staatskapelle Berlin meistert das souverän, erhält zuletzt selbst von Daniel Barenboim Applaus und vom heutigen Berliner Publikum mit seinen vielen internationalen Gästen großen Beifall.
Und nun Beethovens „Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur“ op. 73 mit Radu Lupu als Solisten, im Programmheft als Meisterwerk des „heroischen“ Beethoven bezeichnet. Solche Attitüde ist Radu Lupu jedoch nicht zu eigen. Der kommt, setzt sich sofort an den Flügel, konzentriert sich voll auf die Musik, schaut nicht ins Publikum und nur gelegentlich Richtung Barenboim und Staatskapelle.
Seine Soli oder Beinahe-Soli werden schon im 1. Satz (Allegro) zu Aha-Erlebnissen und noch mehr seine Gestaltung des Adagio un poco mosso. Da perlen nicht nur die Melodien, da erhält jeder Ton ganz selbstverständlich seine eigene stimmige Farbe. Trotz manchem Forte-Aufschwung agieren Barenboim und die Staatskapelle hierbei als Dienende und überzeugen so auf ihre Weise. Wer Radu Lupus Beethoven-Adagio nicht gehört und auch seinen beherzten Zugriff auf das Rondo plus Allegro nicht miterlebt hat, hat wirklich etwas verpasst.
Riesiger Jubel, erneut beteiligt sich Daniel Barenboim am Beifall und dennoch keine Zugabe. Warum auch? Lupu hat, wie Sportler sagen, wirklich alles gegeben und – zusammen mit den Instrumentalisten und ihrem Chef – sicherlich alle glücklich gemacht.
Ursula Wiegand