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BERLIN/ Philharmonie: KIRILL PETRENKO DIRIGIERT STRAWINSKY, ZIMMERMANN UND RACHMANINOFF

13.02.2020 | Konzert/Liederabende


Kirill Petrenko dirigiert Strawinsky, Zimmermann und Rachmaninow. Foto: Stephan Rabold

Berlin/ Philharmonie: Kirill Petrenko dirigiert Strawinsky, Zimmermann und Rachmaninow, 12.02.2020

Solch ein wunderbarer Walzer schwingt nicht alle Tage durch die Philharmonie, einer so sinnlich, so melancholisch und leicht russisch, das Fazit eines ganzen Musikerlebens. Es ist das Andante con moto (Tempo di valse) der „Symphonischen Tänze“ op. 45, komponiert von Sergej Rachmaninow um 1940, drei Jahre vor seinem Tod und sein letztes komplettes Orchesterwerk, uraufgeführt am 3. Januar 1941 in Philadelphia.

Kirill Petrenko dirigiert diese Tänze mit sichtlicher Begeisterung für diesen Dreiteiler, was ganzkörperlich in schwingenden Gesten zum Ausdruck kommt. Die Berliner Philharmoniker in Höchstform – mit Daishin Kashimoto als Konzertmeister – nehmen das auf und werfen sich mit Hingabe in Rachmaninows Schaffensbilanz.

„Musik sollte Ausdruck der komplexen Persönlichkeit des Komponisten sein“, formulierte Rachmaninow in seinem letzten Interview 1941. Er hat sich hörbar daran gehalten. Welch ein wunderbar tiefsinniger Kontrast ist sein Walzer zu den in Wien nach wie vor heiß geliebten.
Rachmaninows tänzerischer – nach vielen Enttäuschungen des in die USA emigrierten Russen letztlich doch gelassener Lebensrückblick – steckt bewusst voller Zitate. Sie gelten u.a. Rimsky-Korsakows Oper „Der goldene Hahn“. Diese Partitur hatte Rachmaninow im Gepäck, als er das stalinistische Russland verließ, ist im Programmheft zu lesen.

Darüber hinaus fallen Anspielungen auf Tschaikowskys Ballettmusiken ebenso auf wie das Zitieren aus eigenen Werken. USA gemäß kommt sogar ein Saxophon zum Einsatz. Kenner seiner Kompositionen werden auch das vom ihm verwendete „Dies Irae“ aus seiner Vigil op. 37 entdecken. Der mit einem Allegro vivace zunächst couragiert noch einmal auftrumpfende letzte Satz endet todesgewiss mit dem langsamen Verstummen der Kontrabässe.

Der Jubel braust danach durch die ausverkaufte Philharmonie. Das war per saldo der Höhepunkt dieses sachkundig zusammengestellten Gesamtprogramms. Vielleicht ist es etwas übertrieben zu sagen, doch die Rachmaninow-Tänze waren die Kür, das Vorangegangene sozusagen die Pflicht.

Es hörte sich jedenfalls so an, doch sollte das Petrenko und den Berliner Philharmonikern nicht unterstellt werden. Denn generell fällt auf, mit welch einer Hingabe sich auch lange in diesem Spitzenorchester Beschäftigten Petrenkos Vorhaben widmen.

Mit Verve stoßen sie bei Igor Strawinskys „Symphonie in drei Sätzen“, uraufgeführt 1946 in der New Yorker Carnegie Hall, die Dissonanzen sowie die harten Rhythmen und Synkopen förmlich in den Saal. Die erforderliche Milde ließ Strawinsky beim Andante walten, und dem folgen die Musikanten gerne.

Dann aber ist wieder Furor angesagt und obendrein ein Mit- und Gegeneinander von Flügel und Harfe. Insgesamt eine Symphonie, die immer noch zeitgenössisch wirkt. Hier war halt ein Meister am Werke. Großer Applaus danach.

Auch „Alagoana. Caprichos Brasileiros“, eine Ballettsuite von Bernd Alois Zimmermann wurde von Petrenko ebenso überzeugend dargeboten und vom Publikum hinterher mit viel Beifall bedacht.

Beim Beginn wirkte das Werk auf mich wie die Fortsetzung der vorher gehörten Strawinsky-Symphonie. Doch bald sind in dem von 1950-1955 komponierten Fünfteiler durchaus brasilianische Klänge zu erkennen. Auch Ravels „Rapsodie espagnol“ hat wohl deutlichen Einfluss auf Zimmermann ausgeübt.

Drei Saxophone kommen ebenfalls zum Einsatz. Eine Ballettmusik im modernen Gewand, schillernd, variantenreich und manchmal überraschend. Ob sich nach ihr gut tanzen ließe, ist eine andere Frage. Auf alle Fälle hat Zimmermann bei der Vielzahl der Instrumente in die Vollen gegriffen und auf diese Weise oft verblüffende Musikmischungen kreiert.

Insgesamt dominieren an diesem großartigen Abend die Bläser zumindest klanglich das Geschehen. Das alle drei Komponisten Klavier und Harfe mit eingefügt haben, ist auch eine gewisse Besonderheit. Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker halten nun, so der Eindruck, etwas Distanz zum „Mainstream“ und öffnen damit dem Publikum auf andere Weise die Ohren. Das ist davon deutlich angetan.

Ursula Wiegand

Weitere, teils ausverkaufte Termine am 13., 14. und 15. Februar

 

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