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BERLIN / Philharmonie „DEBÜT IM DEUTSCHLANDFUNK KULTUR“ – Stars der Zukunft beim DSO. Finnegan Downie Dear (Dirigat), Pascal Deuber (Horn) und Giorgi Gigashvili (Klavier)

13.10.2022 | Konzert/Liederabende

BERLIN / Philharmonie „DEBÜT IM DEUTSCHLANDFUNK KULTUR“ – Stars der Zukunft beim DSO; 12.10.2022

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin mit den Debütanten Finnegan Downie Dear (Dirigat), Pascal Deuber (Horn) und Giorgi Gigashvili (Klavier)

In der traditionsreichen „Debüt“ Konzertserie werden in der Spielzeit 2022/2023 an fünf Abenden Solisten, Dirigenten und Ensembles vorgestellt, die bereits bei internationalen Wettbewerben erfolgreich waren und „denen wir eine große Karriere zutrauen.“ (Intendant Raue). Gegründet 1959 vom Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS), wurden über die Jahre Musiker, viele davon heute legendär, ganz am Anfang ihrer internationalen Karriere nach Berlin geholt. So etwa Jacqueline Du Pré und Daniel Barenboim, Jessye Norman, Simon Rattle oder Cecilia Bartoli.

Drei junge Musiker hatten an diesem Mittwochabend Gelegenheit, zusammen mit dem DSO vor großem Publikum in der Berliner Philharmonie zu glänzen. Die Nachwuchskünstler können selbst bestimmen, mit welchen Werken sie sich vorstellen. Unbekanntes oder wenig gespieltes Repertoire ist ausdrücklich erwünscht.

Für dieses Jahr gibt es für den Zyklus eine kleine Neuerung: Die Debüt-Kammerkonzerte werden ab sofort nicht mehr in Berlin veranstaltet, sondern aus verschiedenen Kammermusikreihen und -festivals in Deutschland übertragen. In Berlin bleiben jedoch die beiden Orchesterkonzerte mit dem DSO zu Saisonbeginn und -abschluss.

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Foto: Giorgi Gigashvili (Website des Pianisten)

Also wie war das jetzt in der Philharmonie mit den jungen Hoffnungsträgern aus Großbritannien, der Schweiz und Georgien? Eigentlich sind es ja schon ziemlich arrivierte junge Leute, die da vor das verwöhnte Berliner Publikum treten. Für mich bestand der Anreiz, das Konzert zu besuchen, darin, Giorgi Gigashvili live zu hören. Den 22-jährigen Überflieger-Pianisten aus Tbilisi hatte ich auf dem neusten Deutsche Grammophon Album von Lisa Batiashvili „Secret Love Letters“ für mich entdeckt, wo die beiden die Violinsonate in A-Dur von César Franck auf faszinierende Art und Weise interpretieren (siehe auch meine CD Besprechung für den Online Merker vom 8.10.).

Gigashvilis Auftritt im dritten Klavierkonzert in C-Dur von Prokofiev nach dessen vom DSO brillant gespielten, klangloch schillernden „Suite aus dem Ballett ‚Das Märchen von der steinernen Blume‘“, zusammengestellt von Finnegan Downie Dear, war dann auch wirklich die Sensation des Abends. Als Teenager noch auf ganzer Pop-Linie unterwegs, ist er mittlerweile im Kissinger „KlavierOlymp“ mit dem ersten Preis und dem Publikumspreis gelandet. Der von Martha Argerich und Lisa Batiashvili geförderte Nelson Goerner-Schüler ist neben dem Klavier auch der elektronischen Musik sowie dem Volkslied zugetan.

Gigashvili ist noch nervös, als er startet. Dabei ist dieses Klavierkonzert, das sich der Komponist mit all der rhythmischen Unrast, den maschinell-dynamischen Steigerungen zwischen harmonischen Grenzblicken, lyrisch-folkloristischen Einsprengseln und salonhaften Melodien selbst in die Finger schrieb, ein ideales Vehikel, um die Fähigkeiten des jungen Tastenzampano zur Schau zu stellen. Tief über die Tasten gebeugt, versprüht dieser Groucho Marx am Klavier alle verschmitzte Freude an Spiellust, jugendlicher Ausgelassenheit, den technischen Finten und Volten der Partitur samt Überschalltempi in den gehämmerten Akkorden und Staccato-Läufen. Hochkonzentriert sitzt Gigashvili da, die Schultern locker swingend, und absolviert die notenreichen Possen mit geschwellter Brust, die freche Tastenakrobatik bis hin zum jubelnden Finale auf 8000-er Gipfel treibend.. Fehlerfrei, soweit ich das beurteilen kann. Was aber nicht die Quintessenz seines – scheint es kompromisslosen – Künstlertums ausmacht. Die Herzen des Publikums hat sich Giorgi Gigashvili ohnedies gewonnen, allerspätestens als er mit seiner Zugabe – einem selbst für Klavier arrangieren ukrainischen Volkslied – Teile des Publikums zu Tränen rührt. Memorabel!

Dirigent hat das Konzert Finnegan Downie Dear mit hochpräziser Zeichengebung. Jede übertriebene, nur der Selbstdarstellung dienende Geste und alles Pathos liegen ihm fern. Der Musikdirektor des auf Zeitgenössisches spezialisierten Ensembles Shadwell Opera hat sein Debüt am Royal Opera House Covent Garden schon längst absolviert. Ab Jänner 2023 wird er eine Serie von Vorstellungen von Janaceks „Die Sache Makropulos“ an der Staatsoper Berlin leiten. Als Einstieg ins Konzert mit dem bestens disponierten Deutschen Symphonie-Orchester Berlin hat er sich Erich Wolfgang Korngolds „Thema und Variationen für Orchester“, Op. 42 gewählt. Das spätromantische Variationenjuwel, basierend auf einem irischen Volkslied, begeistert auf Anhieb.

Nicht wenige im Publikum dürften sich auf das im Jahr 2003 entstandene „Hornkonzert“ von John Williams gefreut haben. Der pastose Klangmaler von Hollywoodschinken wie „Der Weiße Hai“ oder „Star Wars“ hat diesmal aber auf allzu geschmeidige und gefällige Effekte verzichtet. Das symphonische Gedicht, bestehend aus den fünf Teilen „Angelus, The Battle of the Trees, The Hunt und Nocturne“, erkundet mit einem Riesenorchester allerlei klangliche Stimmungen und Möglichkeiten. Der Schweizer Hornist Pascal Deuber, Solohornist im Bayerischen Staatsorchester an der Bayerischen Staatsoper München, hatte es nicht leicht, mit einem noch dazu über weite Passagen gestopften Instrument, die Balance mit den überwiegend instrumental wuchtigen Lautmalereien, stilistisch zwischen Feengeflüster, Heuschreckenalarm und Asteroidengewitter angesiedelt, zu halten. Deuber spielt sich mit elegantem Ton und großer Leichtigkeit durch alle Höhen und Tiefen, die sein Horn hergibt. Seine wahre Begabung und Spielwitz konnte er allerdings erst in der keck-virtuosen Solo-Zugabe „Happy Blues“ von Zsolt Nagy so richtig unter Beweis stellen.

Tipp: Am 16. Oktober wird das Konzert ab 20:03 im Radio (UKW 89,6) übertragen. Im Anschluss gibt es die Musik zum Nachhören im DSO Player (dso-player.de)

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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