Zubin Mehta applaudiert Daniel Barenboim. Foto Thomas Bartilla
Berlin/ Philharmonie: Das Geburtstagskind Daniel Barenboim beschenkt sich selbst, 15.11.2017
Die besten Geschenke macht man sich meistens selbst – und genau so hält es Daniel Barenboim. Der nimmt in der ausverkauften Philharmonie nicht auf einem Sessel Platz, um sich feiern zu lassen. Nein, er sitzt am Flügel und das gleich zweimal in diesem Benefizkonzert zugunsten des Musikkindergartens Berlin e.V., den Barenboim vor Jahren gegründet hat.
Das Dirigieren überlässt er jedoch seinem langjährigen Freund Zubin Mehta (80). Auch der tritt nach Barenboims Worten den Bewies an, dass die Musik ein Energiespender sondergleichen ist. Und so werden „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ op. 28 von Richard Strauss sogleich – das Namensspiel sei erlaubt – zu einem in vielen Farben schillernden Geburtstagsstrauß.
Die Staatskapelle Berlin, Barenboims „Hausorchester“, das ihn schon vor vielen Jahren zum Dirigenten auf Lebenszeit gewählt hat, spielt es als putzmunteres Geburtstagsständchen. Gekonnt und sichtlich gut gelaunt werfen sich die Instrumentalisten die Bälle dieser 1895 komponierten Tondichtung zu. Sie musizieren das Schelmenstück, das auch viele Zuhörerinnen und Zuhörer zumindest innerlich lächeln lässt, mit Spaß an der Freud’, dass es ebenso frisch wirkt wie das Geburtstagskind.
Das aber kann sich nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen und will es auch nicht, hat ihm doch der Komponist Johannes Boris Borowski sein Stück „STRETTA“, ein Auftragswerk, ausdrücklich gewidmet. Barenboim und Mehta müssen jetzt in die Noten gucken und sich untereinander sowie mit dem recht fülligen Orchester genau abstimmen, zumal auch weniger gängige Instrumente, beispielsweise Röhrenglocken, 4 Toms, 2 Bongos, 2 Congas, 2 Lion’ roar, 2 Ratschen, Tamburin, Windmaschine mitsamt Metal- und Wood chimes zum Einsatz kommen. (Bitte googeln). Ganz mühelos geht das nicht.
Borowskis 20-Minuten-Stück klingt manchmal filigran, manchmal heftig. Es gluckst, singt, blubbert, kreischt und verdichtet sich immer mehr. Ein Tonkonglomerat, das mich an das vielstimmige Tierkonzert beim Sonnenaufgang im Tropenwald erinnert.
Ruhender Pol ist das Klavier, auf dem sich Barenboim mit Läufen, Trillern und Einzeltönen kraftvoll und hochkonzentriert ins Geschehen einmischt und dabei mitunter wie ein Jazz-Pianist vom Hocker hochspringt. Der Komponist, hinter ihm sitzend, blättert gelegentlich die Seiten um und wird hinterher zusammen mit Barenboim, Mehta und der Staatskapelle Berlin herzlich gefeiert.
Johannes Boris Borowski bedankt sich bei Daniel Barenboim und Zubin Mehta. Foto Thomas Bartilla
Nach der Pause dann die Großtat: Beethovens anspruchsvolles „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur“ op. 73. Das haben sie alle voll drauf, Barenboim, Mehta und die Staatskapelle. Vielleicht hat es das auswendig spielende Geburtstagskind nochmals gut geübt.
Schon der Anfang mit den schnellen Läufern und Trillern gelingt perfekt und mit schöner Betonung. Nichts wird „heruntergerasselt“, und immer wieder hebt Barenboim einzelne Töne, wie es seine Art ist, heraus, sorgt im Ohr für ein „Aha“ und erheischt so die nötige Aufmerksamkeit. Leider nicht bei allen, manche husten recht ungeniert. Eine Unart, die neuerdings auch einigen Älteren eigen ist, die es eigentlich anders gelernt haben sollten.
Immerhin sind recht viele von diesem schwungvoll dargebotenen 1. Satz (Allegro) so begeistert, dass sie danach gleich heftig applaudieren (was in einigen Ländern nicht unüblich ist). Barenboim und die Seinen lassen sich davon nicht irritieren und zelebrieren ein wunderschönes Adagio un poco mosso, auch das mit fein abgestuften, fast singenden Trillern. Auch sein Solo färbt Barenboim sehr schön ein, um sich später förmlich in das sogleich anschließende Rondo Allegro zu stürzen, das er im Verlauf mit einigen Rubati akzentuiert.
So vielfarbig habe ich dieses Werk, das zu Beethovens „Heldenstücken“ gezählt wird, schon lange nicht mehr gehört, aber es sind ja auch zwei gestandene Helden auf der Bühne, die wirklich beweisen, wie viel Energie die Musik ihnen spendet. Nach dem letzten Ton springt das Publikum auf und belohnt diese Leistung mit „standing ovations“ und Bravi. Barenboim wirkt so frisch, als könnte er das ganze Konzert gleich noch einmal spielen. So nun doch nicht. Als Zugabe (auf Zuruf) wählt er etwas Zart-Schwebendes: „Clair de Lune“ von Claude Debussy, und wieder braust der Beifall auf.
Zuletzt Rosen für Danel Barenboim. Foto Thomas Bartilla
Es fehlt auch nicht „the same procedure“, die wir schon bei seinem Siebzigsten erlebt haben. Alle Damen und Herren des Orchesters überreichen ihrem Chef je eine rote Rose, mehr als er schließlich im Arm halten kann. Eine schöne Geste der Dankbarkeit.
Ursula Wiegand