BERLIN / PHILHARMONIE: Berliner Phiharmoniker spielen Elgar und Tchaikovsky, 11.3.2017
Pinchas Zukerman und Zubin Mehta im romantischen Taumel
„Aquí está encerrada el alma de…..“ „Hierin wird die Seele von ….. aufbewahrt“; aus Gil Blas von Alain-René Lesage
Es ist die Zeit der Legenden in Berlin. Konzertierte diese Woche Radu Lupu im neuen Pierre Boulez Saal, so ist es diesmal der Geiger Pinchas Zukerman im Großen Saal der Philharmonie. An vier aufeinander folgenden Abenden musizierten die beiden gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern Elgars Violinkonzert in H-Moll. Nach der Pause erglühte die bekenntnishafte 5. Symphonie von P. I. Tchaikovsky.
Zubin Mehta (c) Wilfried Hösl
Das Konzert am Sonntag markiert auch einen der letzten öffentlichen Auftritte von Joachim Gauck als Bundespräsident. Als Gastgeber eines Benefizkonzerts zugunsten von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Im Anschluss an das Konzert werden der Bundespräsident und der Regierende Bürgermeister von Berlin alle Konzertbesucher zu einem Empfang im Foyer der Philharmonie einladen.
Das mit 50 Minuten Spieldauer ausgreifende spätromantische dreisätzige Violinkonzert lebt von der Virtuosität und technischen Meisterschaft des Solisten. Der völlig geerdete israelische Geiger Pinchas Zukerman beginnt als erfahrener Grandseigneur auf seinem Instrument den ersten Satz. Die Berliner Philharmoniker legen einen luxuriösen Klangteppich unter sein Spiel. Vielleicht ist es ein wenig zu sehr nach Gutsherrenart, wie auch Zubin Mehta mit Nonchalance und Routine die Zügel locker lässt, statt hie und da mehr an Kontrasten und persönlich gefärbter Note in den Ablauf des Konzerts zu weben.
Pinchas Zukerman (c) Chery Mazak
Der Solistenpart ist vertrackt schwer, im überaus romantischen Andante voller gefühlvoller Emphase und leidenschaftlich-zögerlicher Zwiesprache mit einem geliebten Menschen. Der dritte Satz wartet mit einer der berühmtesten Kadenzen der gesamten Violinliteratur auf. Pinchas Zukerman steht wie ein Fels auf dem Podium, kaum regt sich sein Körper, alles ist auf die Finger und den Dialog mit seinem Instrument konzentriert. Bei rein oberflächlicher Betrachtung könnte man sagen, er „liefert ab“. Bei Elgars endlos mäanderndem Konzert tut aber diese entspannte Ansatz, dieses Nicht nach den Sternen Greifen, sondern in vollendeter technischer Meisterschaft mit einem für diese Musik ebenso idealen Klangkörper wie den „Berlinern“ dem Zuhörer gut.
Zukermans Violinspiel ist voller Portamenti, das Vibrato hält sich jedoch in wohltuenden Grenzen. Dieser schöne Ton kommt in den lyrischen Passagen und leisen Momenten im Konzert am besten zum Tragen. Die Kadenz gerät zum Staunen machenden Parforceritt der geigerischen Möglichkeiten. Manchmal nimmt Zukerman die Geige, hält sie vom Körper weg und und sieht sie an. Mit einem Lächeln scheint er sagen zu wollen: „Solche Töne hast Du gerade aus diesem Instrument gezaubert? Unglaublich!“ Nichts an dieser Interpretation ist rosa Kuchen, alles riecht nach feinem Earl Grey, Whisky und Zeder. Ovationen für den Solisten nach dem Konzert. Den Blumenstrauss überreicht der sympathische Zukerman an Marlene Ito in den zweiten Geigen.
Nach der Pause kann dann das Orchester zeigen, was es drauf hat. Und das ist wahrlich beeindruckend bei Tchaikovskys Fünfter, die ja vom Kontrast zwischen Klangpracht und introspektiver Seelenentäußerung lebt. Man konnte fühlen, die Berliner Philharmoniker brauchen hier gar keinen Dirigenten, sie können das aus ihrer Konzerterfahrung auch ohne spielen. Mehta ist hier mehr in seinem Element als bei Elgar. Er weiß, wie man Zeit für Spannungsaufbau lässt, und er lässt im Andante einfach alle Knospen der Zauberklangmaschine Berliner Philharmoniker aufblühen. „Unser“ Andreas Ottensamer als Soloklarinettist und Stephan Dohr beim Hornsolo bieten Weltklasse. Die philharmonische Welt scheint‘s, ist in Ordnung. In Schönheit Entschweben und altväterlicher Behäbigkeit gleichermaßen.
Dr. Ingobert Waltenberger
Konzerttipp: Am 20.3. werden Pinchas Zukerman und Yefim Bronfman im Pierre Boulez Saal in Berlin Violinsonaten von Mozart, Schubert und Beethoven spielen. Motto: Eine Legende kommt selten allein.