Musikfest Berlin „Netherlands Radio Philharmonic Orchestra“ begeistert
Manchmal müssen Musikfans auch Glück haben, wie jetzt am 31.August beim Musikfest Berlin 2025. Denn es hat diesmal das hier kaum bekannte „Netherlands Radio Philharmonic Orchestra“ eingeladen, und das ist eine Sensation geworden.
Wie sehr, so der Eindruck, waren die Instrumentalisten und die Chorsänger konzentriert, wie deutlich war ihre Liebe zur Musik und ihr Miteinander zu spüren, ganz gleich, ob es sich um eher moderne oder um gewohnte Klänge handelte.
Karina Canellakis. Foto: Mathias Bothor
Unter der Leitung der Chefdirigentin Karina Canellakis, die schon in Berlin als Gastdirigentin tätig war, ging kein Ton daneben. Sie hatte alles im Griff und brauchte auch niemanden zu drängen.
Auf diese Art und Weise erlebte das Publikum einen großartigen Musikabend, der alle mitriss. Soviel an Kunst und Können hatten sicherlich nicht alle im großen Saal der Philharmonie von diesen Niederländern erwartet. Andere Orchester könnten sich daran ein Beispiel nehmen. Auch das Programm bot Überraschungen, waren doch zunächst die Kompositionen der einstigen und jetzigen Jugend zu hören.
Den Anfang machte Olivier Messiaen, der als 22-Jähriger seine Gefühle wunderbar vertonte. Ihm ging es vor allem um das Verhältnis zu Jesus, der wohl schon damals weitgehend vergessen war und der dennoch in unendlicher Liebe den Menschen alle Sünden verzeiht.
Dieses erste Orchesterwerk von Messiaen – auf Französisch. „Les offrandes oubliée“ – wurde alsbald ein Erfolg, schon 1931 in Paris und dann 1936 in Boston. 1942 kam das Stück in Paris sogar auf die Schallplatte. Erstaunlich, wie das damalige Publikum diese doch sehr neue Musik akzeptierte. Genau so ging es jetzt in Berlin, und das war dem Netherlands Radio Philharmonic Orchestra und Karina Canellakis zu verdanken.
Gefeiert an diesem Berliner Sommerabend wurde aber auch der 100. Geburtstag von Pierre Boulez mit seinem Konzert „Le soleil des eaux“ aus dem Jahr 1947. Der 23-Jährige schuf damals ein recht ausladendes Werk für Sopran, Chor und Orchester.
Auf Deutsch heißt das in etwa die Sonne des Wassers. In diesem Werk wehrten sich die Fischer gegen die Verseuchung des Flusses Sorgue. Schon zu jener Zeit gingen also die Menschen nicht sorgsam mit der Natur um. Was heutzutage beklagt wird, ist keineswegs neu.
Boulez nutzte nicht nur bei diesem Stück die Texte des Franzosen René Char und zauberte sozusagen aus dem Fluss Sorgue ein Lied für Ivonne und ein weiteres für eine verliebte Eidechse. Schön gesungen hat das die Sopranistin Liv Redpath.
Etwas ganz Neues namens L’AZUR hat nun der Niederländer Robin de Raaff (geb.1968) geschaffen. Es war ein Kompositionsauftrag vom Lucerne Festival 2025 und jetzt in Berlin eine Deutsche Erstaufführung.
Es handelt sich um eine Kantate für Chor und Orchester auf das gleichnamige Gedicht des einst 24jährigen Stéphane Mallarmé. Ein fast Vergessener wird nun quasi wiederbelebt. Dem Publikum und der Autorin hat das alles sehr gefallen, das ließ der lebhafte Aplaus erkennen.
Doch nach der Pause ist Sergej Rachmaninow mit seinen „Sinfonischen Tänzen“ op.45 aus dem Jahr 1940 an den Reihe. Krebs hatte er, und es war seine letzte Komposition, uraufgeführt am 3. Januar 1941 in Philadelphia. Rachmaninow hat in seinem Leben die Romantik fortgesetzt und gehörte zu den am meisten aufgeführten Komponisten des 20. Jahrhundert. Glücklich ist er, der mit seiner Familie seine russische Heimat verließ, in den USA jedoch nicht geworden, obwohl er als Pianist und Dirigent dort sehr viel Geld verdiente.
Karina Canellakis dirigiert nun schwungvoll, und das Publikum freut sich ungemein. Die Ohren und Empfindungen der meisten Menschen lassen sich vermutlich durch die modernen Klänge nicht dauerhaft umstimmen. Beim letzten Ton springen die meisten sofort auf und spenden allen Mitwirkenden heftige und herzliche Ovationen.
Ursula Wiegand