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BERLIN/ Musikfest Berlin, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin (DSO) in der Philharmonie. Chefdirigent Robin Ticciati bringt Kompositionen von Unsuk Chin und Gustav Mahler

31.08.2023 | Konzert/Liederabende

Musikfest Berlin, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin (DSO) in der Philharmonie. Chefdirigent Robin Ticciati bringt Kompositionen von Unsuk Chin und Gustav Mahler, 30.08.2023

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DSO Berlin und Robin Ticciati. Foto: Kai Bienert

„Kein Konzert ohne Komponistin!“ das hatte das DSO für diese Saison versprochen und hält Wort. Aber wie! Den Auftakt macht das Stück „Šu“ der koreanischen Komponistin Unsuk Chin (geb. 1961) für den chinesischen Sheng-Virtuosen Wu Wei, ein international geschätzter Künstler. Auch Unsuk Chin ist keineswegs eine Unbekannte. An Klangfarben und wechselnden Rhythmen fehlt es bei ihr nicht.

Das Instrument Sheng ist eine chinesische Mundorgel mit 3.000- bis 4.000jähriger Tradition. Beim Ein- und beim Ausatmen kann ihr Spieler Töne erzeugen, laute, leise, klare und scharrende in allen Schattierungen.

Interessante fremdartige Klänge entstehen auf diese Weise, die aber die Ohren nicht strapazieren. Angeblich soll die Sheng Leben und Harmonie vermitteln. Letzteres ergibt sich für europäische Ohren nicht ohne weiteres, zumal die gesamte Komposition auch spitze Töne und vieles mehr enthält.

Interessant ist das auf alle Fälle und bewunderungswert ebenfalls. Solches auf einer Mundorgel zu spielen, ist sicherlich nicht einfach. Wu Wei steht breitbeinig da oder springt auch mal von einem Bein auf das andere, wohl um den Tönen Nachdruck zu verleihen.

Jedenfalls verhilft er zusammen mit Robin Ticciati der Komposition von Unsuk Chin, entstanden 2008/2009, in Berlin zu einem starken Erfolg und wird zuletzt vom Publikum begeistert gefeiert. Er strahlt und bringt gerne noch eine Zugabe, die sich wie ein Volkslied anhört. Das weltoffene Musikfest Berlin klebt also nicht an der Klassik und macht auch Besonderes möglich.

Nach der Pause ist Gustav Mahler an der Reihe. Er verwendete in seinem bekannten Zyklus „Das Lied von der Erde“ ebenfalls Chinesisches, aber nur in Form von nachgedichteten lyrischen Texten.

Seine Musik bleibt europäisch, und dass er chinesisches Gedankengut verwendet, ist ihr eigentlich nicht anzumerken. Gustav Mahler (1860-1911), der dieses Werk rund drei Jahre vor seinem Tod komponierte, hat die Aufführung nicht mehr erlebt. Melancholie, gewollt fröhliches Auftrumpfen, schöne Erinnerungen an frühere Erlebnisse und der vermutlich schon gefühlte baldige Tod vermischen sich in diesem Werk.

Robin Ticciati und die Musizierenden erzeugen nun jedoch einen fast explosiven Klang. Dass gleich das erste Trinklied vom Jammer der Erde handelt und zweimal die Zeile „Dunkel ist das Leben, ist der Tod“ enthält, wird weitgehend außer Acht gelassen.

Vor allem die Blechbläser, die Pauken und das Schlagzeug erweisen sich als die Herrscher auf dem Musikfeld. Der insgesamt satte Orchesterklang übertrumpft auch nicht selten den durchaus kräftigen Tenor von David Butt Philip, der ad hoc für Allan Clayton eingesprungen ist. Doch ohne zu forcieeren setzt er sich dennoch durch.

Die Mezzosopranistin, hier Karen Cargill, hatte Mahler beim Komponieren vielleicht absichtlich geschont, und Ticciati tut das ebenso. Ihr anfängliches Tremolo macht daher bald einer warmen tonschönen Interpretation Platz.

Der Text, den sie zu singen hat, bleibt zwar weitgehend unverständlich und lässt sich im abgedunkelten Saal auch kaum lesen. Jedenfalls sind ihre Phrasierungen im 6. Lied „Abschied“, bei dem sich auch das Orchester dem Liedinhalt anpasst, von zarter, ergreifender Schönheit. Zuletzt großer Jubel.    Ursula Wiegand

 

 

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