Musikfest Berlin: das Deutsche-Symphonie-Orchester Berlin (DSO) hat dieses Konzert am 04.September 2025 zum eigenen Saisonauftakt gewählt.
Anja Bihlmaier, Kian Soltani und das Orchester. Foto: Marlene Pfau
Vier recht unterschiedliche Werke wurden unter der präzisen Leitung von Anja Bihlmaier dargeboten, und Überraschungen fehlten ebenfalls nicht. So soll es ja beim Musikfest Berlin stets sein.
Wer aber kennt schon Pjotr Tschaikowskys Variationen über ein Rokoko-Thema für Violoncello und Orchester, und wer weiß bereits, wie sehr Tschaikowsky Mozart verehrte? „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Mozart der höchste, der gipfelnde Punkt ist, den die Schönheit im Bereich der Musik erreicht hat“, waren Tschaikowskys Worte.
Wollte er also mit seinen 7 Variationen auch diesen Gipfel erreichen? Vielleicht. Jedenfalls nahm der nun 33jährige, bereits international gefragte Cellist Kian Soltani diese Aufgabe an. Schon im Dezember 2020 hatte er bei seinem DSO-Debüt als Solist in Schumanns Violoncellokonzert überzeugt.
Kian Soltani. Foto: Marco Borggreve
Inzwischen hat er sich als Solist und Kammermusiker bei weltweit bekannten Orchestern und Festivals „vom aufstrebenden Star zu einer renommierten Cellogröße unserer Zeit“ weiter entwickelt.
Doch aufzutrumpfen ist nicht seine Art, zumindest war das nicht der Fall bei diesem erneuten Auftritt beim DSO. Eleganz, Können, Gefühl und eine gewisse Bescheidenheit zeichneten ihn bei diesen Variationen aus. Auf diese Weise genoss auch das Publikum den Konzertbeginn und applaudierte heftig.
Nach diesen eher sanften Tönen folgte jedoch Bernd Alois Zimmermanns Ballettmusik noir für Orchester und Combo“, eine Musik über den grausigen König „Roi Ubu“. Dazu machte sogar die Dirigentin Anja Bihlmaier sogar noch einige Bemerkungen auf der Bühne und skizzierte auch die Folgen, die solch bösartige Kreaturen mit sich schleppen.
Allerdings entwickelte sich diese Gestalt aus einen echten, aber höchst sonderbaren Lehrer, über den zunächst seine Schüler in Zeitungen berichteten. Der Literat Alfred Jarry (1873-1907) machte später – in der Zeit der Surrealisten und Dadaisten – daraus ein Theaterstück, gespielt von Marionetten. Alles Groteske war damals en vogue.
Auf diese Weise entstand diese Schauergeschichte über einen einfachen Mann mit seiner Frau, der angeblich in Polen zum äußerst brutalen König Ubu Roi wurde. Bernd Alois Zimmermann komponierte aber auch die Antikriegsoper „Die Soldaten“, die schließlich 1965 uraufgeführt wurde. Alles wohl schon damals gefühlte Warnsignale vor dem Schrecklichen, was in Deutschland und in der Welt stets geschehen könnte und auch heutzutge geschieht Trotz der überwiegend schrillen Musik spendet das Publikum in der Philharmonie kräftig Beifall, vor allem die Jugend.
Ganz anders wirkt jedoch das kurze Stück „Shango Memory“ vom afroamerikanischen Komponisten Olly Wilson aus dem Jahr 1997 und damit der Versuch, afrikanische, afroamerikanische und europäische Musik zu verbinden. Das klingt zunächst wie ein schrilles Durcheinander, doch die verschiedenen Musiken haben sich, wie wir wissen, seither miteinander verbunden. Die letzten Takte, die zu hören sind, haben fast schon einen Disco-Sound. Der diesjährige Saisonschwerpunkt des DSO nennt sich nun „Composing While Black“.
Das Beste kommt allerdings zumeist zuletzt und ist an diesem Abend die 9. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch, die er im Sommer 1945 vollendete, also kurz nach dem Sieg der Sowjetunion über Deutschland. Stolz waren Stalin und die meisten Russen, dass sie das mit vielen Menschenopfern geschafft hatten.
Ein monumentales Werk erwartete man nun von Schostakowitsch, eine echte Triumphmusik mit Chor, ähnlich der Neunten Symphonie von Beethoven.
Doch Schostakowitsch, der zuvor stets die Verbannung fürchtete oder Schlimmeres befürchten musste, hielt sich nun deutlich zurück. Trotz der 5 Sätze war dieses Werk im Vergleich zu seinen vorherigen Symphonien ein ungewohnt kurzes und auffällig heiteres Stück in Es-Dur.
Das aber machte seine Feinde erneut wütend. Es folgte die Ächtung durch die Kulturpolitik der Sowjetunion. Auch Angst vor Verfolgung musste nun Schostakowitsch wieder haben.
Also zog er sich zurück und legte nach der Neunten eine recht lange Symphonie-Pause ein. Erst rund 2 Jahre nach Stalins Tod (am 5. März 1953) komponierte er seine 10. Symphonie, und die gilt als seine Abrechnung mit dem Diktator.
Was aber machten die DSO-Instrumentalisten beim diesjährigen Musikfest Berlin aus der Neunten? Der Schwierigkeitsgrad in den fünf Sätzen ist dennoch hoch, doch alle legten sich ins Zeug. Insbesondere die Blech- und Holzbläser mussten ihr Bestes geben und taten es mit Hingabe. Auf das edle Fagott-Solo erwarteten die Kenner/innen besonders. Doch alle Mitwirkenden zeigten ihr Können, mustergültig wurde alles vorgetragen. Danach Jubel und „standing ovations“ für den Höhepunkt des Abends. Ursula Wiegand