Musikfest Berlin 2024 mit „Un mar de músicas“ von und mit Jordi Savall, 31.08.2024
Jordi Savall. Foto: Herve Pouyfourcat
Es war das einzige Konzert, das der weltbekannte katalanische Gambist Jordi Savall in diesem Jahr kurz nach seinem 83. Geburtstag in Deutschland zusammen mit La Capella Reial de Catalunya und seinem Ensemble Hespèrion XXI auf die Bühne brachte und zwar am 31. August 2024 in der Berliner Philharmonie.
Das Konzert war aber nicht nur den Instrumenten vorbehalten. Es wurde dabei auch reichlich in oft farbreicher Kleidung bestens gesungen und getanzt. Die Damen und Herren stammten aus Kuba, Haiti, Brasilien, Mali, Venezuela und Mexiko.
Jordi Savall, diesmal mit einer kleinen Diskantgambe, verzahnte den europäischem Barock mit den Liedern versklavter Menschen zwischen 1440 und 1880. Ein Sprecher, Bless Amada, führte das Publikum auf Deutsch durch die Jahrhunderte.
Foto: Toni Penarroya
Mit diesem Thema Sklaverei hat sich Jordi Savall nach eigenen Worten eingehend beschäftigt und auch selbst recherchiert. Daher wird das Wort Meer hier doppeldeutig. Denn über das Meer verlief der Sklavenhandel zwischen Europa. Afrika und den Amerikas, andererseits bereicherten die Gesänge der Sklaven das Musikleben, und das ist nach wie vor der Fall.
Vorab hatte Olivia Artner mit Jordi Savall ein Gespräch geführt, zu finden in der Mediathek der Berliner Festspiele. Er habe sich, so sagte Jordi Savall, intensiv mit der Präsenz der Spanier in Südamerika und den damit verbundenen musikalischen Einflüssen auseinandergesetzt.
Auch habe er entdeckt, dass besonders zu Beginn des 17.Jahrhunderts viele Komponisten Stücke geschrieben hatten, in denen die traditionelle Musik sowie die Sprachen der Sklaven und der indigenen Bevölkerung Spuren hinterlassen hätten. Auch in Las Palmas de Gran Canaria habe er geforscht. Dort mussten die Sklaven oft monatelang auf gutes Wetter für die Reise nach Amerika warten.
Foto: Toni Penarroya
Vor allem hat Jordi Savall eines festgestellt, „dass ein Großteil der schönen Musik aus Amerika, jene Musik, die wir heute als Negro Spirituals kennen, aber auch die Musik des gesamten karibischen Raumes oder aus Kolumbien, Brasilien und Mexiko, von afrikanischen Traditionen entscheidend beeinflusst ist.“ Es gäbe auch noch junge Leute, die diese Traditionen lebendig halten, und mit denen habe er nun gearbeitet. „Und dann kam mir die Idee, ein Konzertprogramm mit historischen Werken zu gestalten, die um 1550–1600 gesungen wurden.“
„Wir beginnen das Konzert mit Musik vom Anfang des 16. Jahrhunderts, um dann chronologisch in der Geschichte weiter zu gehen. Kombiniert mit alter traditioneller Musik afrikanischer Länder – aus Madagaskar und Mali – und aus Südamerika – Kolumbien, Brasilien und Mexiko – konnten wir ein wunderbares Programm zusammenstellen.“ Und so war es dann tatsächlich.
Foto: Toni Penarroya
Mit Gesang und Tanz hätten sich die Versklavten getröstet. Protestlieder seien es nicht gewesen, sondern alte Legenden und Geschichten, die mit ihrer Kultur und ihrem Land verbunden waren. Und „je mehr sie litten, desto optimistischer musste der Gesang sein. Das war die Energie, die sie gerettet und ihnen Kraft und Hoffnung gegeben hat“, betonte Jordi Savall. Also sollten eigentlich auch wir nicht jammern und schimpfen, sondern lieber singen und tanzen, denkt die Autorin. Und Jordi Savalls Fazit: „Ohne Musik wäre die Geschichte eine riesige Wüste!“
Bei seiner Darbietung war jedenfalls die trostlose Wüste weit weg. Den zumeist in schönen bunten Kleidern ausdrucksvoll singenden und tanzenden Damen wurde ständig Applaus zuteil. Die Herren mit ihren großen Trommeln, passend zu der religiösen, kraftvollen archaischen Musik der Yoruba-Traditionen, katapultierten das Publikum fast von den Sitzen.
Das Programm ging per saldo leicht in die Ohren, die Gesänge wirkten zumeist volkstümlich und harmonisch, einige auch wie Choräle. Den Anfang machten Kreolische Lieder der Sklaven aus der Alten und Neuen Welt, gefolgt von komponierten Liedern einiger Künstler. Tänze mit Variationen stammten u.a. von Santiago de Murcia. Die Gruppen brachten auch ihre Instrumente mit. Schließlich war auch Europäische Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, u.a. von Jean-Philippe Rameau war zu hören.
Foto: Toni Penarroya
Viel Beifall erhielten sie alle, so Neema Bickersteth aus Kanada, Sekouba Bambino aus Guinea, Yannis François aus Guadalupe. Ballaké Sissoko, Mamani Keïta, Tanti Kouyaté und Fanta Sissoko stammten aus Mali, das Tembembe Ensamble Continuo kam aus Mexiko / Kolumbien, Maria Juliana Linhares und Zé Luis Nascimento vertraten Brasilien, Sylvie Henry war aus Haiti und Iván García aus Venezuela.
Besonders schwungvoll sangen und tanzten Teresa Yanet, Lixsania Fernández, Marlon Rodríguez, Frank Pereira aus Kuba und wurden sogleich entsprechend gefeiert. Sie alle machten nicht nur den Leiter Jordi Savall glücklich, sondern auch das jubelnde Publikum.
Ursula Wiegand