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BERLIN/ Konzerthaus: JOANA MALLWITZ DIRIGIERT STRAUSS UND HAYDN

13.11.2023 | Konzert/Liederabende

Berlin/ Konzerthaus: Joana Mallwitz dirigiert Strauss und Haydn, 12.11.2023

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Lebhaft dirigiert Joana Mallwitz. Foto: Simon Pauly

Zum dritten Mal hintereinander ist der große Konzerthaus-Saal total ausverkauft, also auch am Sonntag um 16:00 Uhr, eine übrigens sehr angenehme Zeit in der dunklen Jahreshälfte.
Dieser Publikumsandrang ist aber wohl nicht nur dem Strauss-Haydn-Programm zu verdanken, sondern dem Wunsch, die neue Chefdirigentin Joana Mallwitz zu erleben, die offensichtlich auf Anhieb alle Ohren und Herzen gewonnen hat.

Schon 2020, als sie bei den Salzburger Festspielen „Cosi fan tutte“ dirigierte, wurde sie bejubelt und erregte weitere internationale Aufmerksamkeit. Auch in Nürnberg, ihrer letzten „Arbeitsstelle“, überzeugte sie als Opern-Dirigentin.

Es war wohl vor allem der Konzerthaus-Intendant Prof. Sebastian Nordmann, der sie kannte und nach Berlin gelockt hat, wo sie vorher schon mal eine Probe ihres Könnens hinterlassen hatte.  Zur Saison 2023/24 hat nun Joana Mallwitz mit Familie diesen Sprung gewagt, obwohl sie hier nicht mehr Opernaufführungen leitet, sondern dem Haus gemäß Konzerte dirigiert.
Auch damit hat sie von Stund’ an überzeugt, denn eines strahlt sie aus, auch bei diesem Strauss-Haydn-Programm: Musik macht Spaß. Und es ist sicherlich stets ihr Bestreben, dem Publikum allerbeste Musik zu bieten. Das wollen andere zwar auch, doch sie tut mit einem Lächeln im Gesicht, das wohl das fitte Konzerthausorchester Berlin zu weiteren besonderen Leistungen animiert.

Auf ihre präzise Zeichengebung können sich die Damen und Herren verlassen. Mit rhythmisch schwingendem Körper und dem Spiel ihrer Arme und Finger wird jeder Einsatz und jeder Takt genau gekennzeichnet, doch alles ohne Übertreibung. Daher weiß nun auch das Publikum, um was es gerade geht.

Mit dem ersten Stück „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ – der Sinfonischen Dichtung op. 28 von Richard Strauss, ist der Kontakt zu den Zuhörenden sofort geknüpft. Die Musik hüpft schon von alleine in alle Fettnäpfchen, die dieser freche Straßenkünstler einst haargenau ansteuerte.

Welche Untat der Schelm gerade anrichtet, und in welch eine Falle er leichtsinnig gerät, wussten die Menschen zu Strauss’ Zeiten ziemlich genau. Ein Programmheft erhielten sie zunächst nicht. Straus, damals 31 Jahre jung, meinte kess „es liegt doch alles auf der Hand“.

Jedenfalls hat die abwechslungsreiche Schelmen-Musik das Publikum bei der Premiere 1895 in Köln sofort begeistert. In diesem Werk scheint Strauss mitunter selbst in die Eugenspiegel-Rolle geschlüpft zu sein. Erst später gab er auf Drängen der damaligen Musikfans eine Liste mit den vertonten Streichen heraus.

Auch wenn das heutige Publikum diese Streiche nicht mehr genau kennt, amüsieren allein schon die vielen musikalischen Einfälle. Das Stück ist ein Hit geblieben, obwohl der dreiste Till Eulenspiegel zuletzt röchelnd am Galgen endet. Viele Orchester präsentieren es weiterhin und mit Erfolg dem Publikum. Die jetzige, lebhaft von Frau Mallnitz dirigierte Variante wird zu Recht heftig bejubelt.

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Gautier Capucon. Foto: Simon Pauly

Als anschließend der Star-Cellist Gautier Capuçon auf der Bühne Platz nimmt, um Joseph Haydns „Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur“ darzubieten, müssen sich die Zuhörenden jedoch noch noch stärker konzentrieren.

Capuçon behandelt sein Violonchello „Ambassadeur“, 1701 von Matteo Goffriler gebaut, liebevoll und ebenso dieses Haydn-Konzert, das einst auf Schloss Esterhazy uraufgeführt wurde, dann verschollen war und erst 1961 von einem Musikforscher im Prager Nationalmuseum wieder entdeckt wurde.

„Ambassadeur“ bedeutet Botschafter, und als Musik-Botschafter sieht sich auch Gautier Capuçon. Der ist nicht nur weltweit in Konzertsälen unterwegs, sondern kümmert sich intensiv darum, die Musik den jungen Menschen nahe zu bringen. Deshalb reiste er im Sommer 2020 durch Frankreich, um die Musik in das Leben von Familien zu bringen, eine Initiative, die er 2024 fortsetzen wird. Schon 2022 gründete er eine eigene Stiftung, um junge talentierte Musiker zu unterstützen.

Das Publikum muss bei diesem Konzert, das moderato genannt in spätbarockem Charme beginnt, auch mal die Ohren spitzen, vor allem im Andante, wenn der Franzose seinem Cello ganz leise hohe Töne entlockt. Auch Joana Mallwitz hält sich zurück, lässt dem Cello den Vorrang. Erst bei dem immens schwierig zu spielenden 3. Satz namens Allegro molto, das in einen Wettstreit zwischen dem Cello und den Instrumentalisten mündet, darf das Orchester wieder auftrumpfen.

Danach riesiger Jubel, und den belohnt Gautier Capuçon mit dem „Vogelgesang“, auch Gesang der Vögel genannt, von Pablo Casals, dem unvergesslichen Meister-Cellisten. Auch diese Vögel zwitschern hier nun eher leise als laut. Ein wunderbarer Ausklang.

Nach der Pause zunächst ein relativ kurzer Sprung in die Moderne durch den Allround-Musikmenschen Peter Ruzicka und dessen „Metamorphosen über ein Klangfeld von Joseph Haydn für großes Orchester“. In diesem kleinen Stück, komponiert 1990, fällt als Haydn-Klang vor allem die Anleihe bei Haydns Werk „Die Sieben Worte des Erlösers am Kreuz“ auf.

Doch nichts geht über das Original, also Joseph Haydns“ Sinfonie Nr. 82 C-Dur („L’Ours“). Ours bedeutet Bär, eine spätere Bezeichnung, die nicht von Haydn stammt. Doch was ihm nach dem jahrelangen Komponieren immer noch einfiel, ist auch im nachhinein bewundernswert. Diese Sinfonie schrieb er auf Bestellung  für eine Loge in Paris, wo sie 1786 uraufgeführt und von einem „Chevalier“ dirigiert wurde.

Haydn hatte sehr gerne diesen Auftrag angenommen, da in Paris ein viel größeres Orchester zur Verfügung stand. Ours der Bär trabte danach sozusagen als Vorreiter von vier weiteren „Pariser Symphonien“ voran bei diesen ersten öffentlichen Konzerten, die vom damaligen Publikum begeistert aufgenommen worden.

Diese neuen Möglichkeiten müssen für Haydn ein Adrenalinstoß gewesen sein. Vor lauter Freude scheint er sich richtig ausgetobt zu haben. Drei Sätze in C-Dur, der 2. in F-Dur, ein Streifzug durch die Tonarten oft im Fortissimo und teilweise mit Fanfarenklang.

Das Vivace überwiegt bei weitem, bestimmt sogleich den kraftvollen Beginn. Selbst das Menuetto wird zugeschärft, und im Finale, ebenfalls Vivace genannt, scheint der angebliche Bär zu stapfen und zu tanzen.

Joana Mallwitz und das Konzerthausorchester ziehen nun bei diesem klug gewählten „Rausschmeißer“ ebenfalls alle Register. Nach dem letzten Ton tobt das Publikum vor Begeisterung.

  Ursula Wiegand

 

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