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BERLIN/ Konzerthaus: JAN LISIECKI MIT DEM ZÜRCHER KAMMERORCHESTER

01.03.2016 | Konzert/Liederabende

Berlin/ Konzerthaus: Jan Lisiecki mit dem Zürcher Kammerorchester, 29.02.2016

Jan Lisiecki, Credit Deutsche Grammophon, Mathias Bothor
Jan Lisiecki, Fotograf Mathias Bothor für Deutsche Grammophon

Es ist nicht unbedingt das Programm, das mich zusammen mit meinem 16jährigen Klavierspieler an diesem Abend ins Konzerthaus Berlin lockt. Es ist der knapp 21jährige kanadische Piano-Star Jan Lisiecki, der hochbegabte Sohn polnischer Eltern. Im September 2014, beim Usedomer Musikfestival, habe ich ihn erstmals erlebt und bestaunt. Nun gastiert er – zusammen mit dem Zürcher Kammerorchester unter der Leitung von Willi Zimmermann – im ausverkauften Großen Saal.

Mit fünf Jahren begann er mit dem Klavierspiel, ist im Programmheft zu lesen, mit neun gab er sein erstes öffentliches Konzert. Zwei Chopin-Konzerte, gespielt im Alter von 13 und 14 Jahren, ließen die Experten aufhorchen. Die Folge: Schon 2011 bekam der damals 15Jährige einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon. Die beiden dort veröffentlichten Mozart-Klavierkonzerte spielt er an diesem Abend. Beide wohlgemerkt!

Nach Mozarts „Marsch D-Dur“ KV 249, eher ein „Märschlein“ ohne militärische Zackigkeit, bringt Lisiecki Mozarts „Konzert für Klavier und Orchester C-Dur“ KV 467. Sein Einsatz beginnt mit einem langen perfekten Triller. Doch nicht nur eine immense Fingerfertigkeit zeichnet ihn aus, sondern das gelungene Bestreben, jedem Ton etwas Eigenes abzugewinnen, was im wohlbekannten melodiösem Andante besonders gut zur Geltung kommt. Unwillkürlich muss ich an Lang-Lang denken, der aus solch einem Satz eine Show machen und mit dem Publikum flirten würde.

Solch eine Extrovertiertheit ist überhaupt nicht Lisieckis Ding. Der ist – zumindest beim Konzertieren – ein ernsthafter junger Künstler, der die Musik absolut und mit großer Klarheit in den Mittelpunkt stellt. Entwickelt sich mit ihm ein Pollini-Nachfolger?

Das nächste Werk, eigentlich der Vorgänger des zunächst gespielten, scheint ihn noch mehr zu faszinieren: Mozarts „Konzert für Klavier und Orchester d-Moll“ KV 466. Wolfgang Amadeus hat darin mehr an Dramatik, Düsternis und Farbigkeit investiert, was Lisiecki beim anfänglichen Allegro bravourös nutzt und in der folgenden „Romance“ mit viel Gefühl, doch ohne jeden Anflug von Süßlichkeit erklingen lässt. Die Übergänge vom Sanften ins temporeich Kraftvolle gelingen ihm perfekt, und auch hier lenken kleine, absichtliche Verzögerungen im Anschlag die Aufmerksamkeit auf bestimmte Noten oder Passsagen. Mozarts Musik nicht weichlich, sondern mit brillant-kernigem Grundcharakter.

Übrigens war bei beiden Klavierwerken kaum die Tinte des Kopisten trocken, als Mozart sie, die schwierigen Klavierparts selbst spielend, 1785 an zwei Abenden in Wien – in Anwesenheit seines Vaters Leopold – quasi ohne Probe uraufführte. Der kritische Leopold war ebenso begeistert wie das Wiener Publikum. „Das Concert war unvergleichlich, das Orchester vortrefflich…“, schrieb er an seine Tochter (und Wolfgangs Schwester) Nannerl. Gemeint war das d-Moll-Konzert, und auch das in C-Dur fand seine volle Zustimmung.

Die Brücke zwischen den beiden Klavierwerken bildet hier Franz SchubertsSinfonie Nr. 5 B-Dur“ D 485. Dafür legen sich die Zürcher mit ihrem Leiter und 1. Geiger voller Verve ins Zeug und frischen das bekannte Werk kenntnisreich auf. Dass Mozarts „Zaubertöne“ Schubert trotz des zeitlichen Abstands weit näher waren als die Werke seines hoch verehrten und übermächtigen Zeitgenossen Beethoven wird besonders deutlich. So wirkt denn diese Schubert-Sinfonie wie eine klanglich angereicherte Fortsetzung von Mozarts Melodienreigen.

Insgesamt also ein Wohlfühlabend mit viel Bekanntem fast zum Mitsingen und ohne größere Kontraste, was ich insgeheim ein wenig bedauere. Doch es ging uns ja vor allem um Jan Lisiecki, den jungen Musikverwirklicher, den bescheidenen, zu Recht intensiv umjubelten Star.                

Ursula Wiegand

 

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