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BERLIN/ Konzerthaus: IVAN FISCHER MIT PATRICIA KOPATCHINSKAJA

12.11.2016 | Konzert/Liederabende

Berlin/ Konzerthaus: Iván Fischer mit Patricia Kopatchinskaja, 11.11.2016

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Patricia Kopatchinskaja. Copyright: Marco Borggreve

In dieser Saison ist die international erfolgreiche Geigerin Patricia Kopatchinskaja Artist in Residence im Konzerthaus Berlin, und von der experimentierfreudigen Künstlerin, die manches gegen den Strich bürstet, sind sicherlich einige Überraschungen zu erwarten. Zum Einstand hat sie sich Robert Schumanns „Konzert für Violine und Orchester d-Moll“ gewählt. Eine brave Wahl?
Nein, dieses von Schumann drei Jahre vor seinem Tod komponierte Stück ist ein „ungeliebtes Kind, das einen schweren Start ins Leben hatte“. Erst 1937 wurde es, 87 Jahre nach seinem Tod, uraufgeführt, übrigens anstelle eines aus dem Programm „entfernten“ Violinkonzertes von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Es sei wie ein „Haus voller geheimer Kammern“, in dem es noch unendlich viel zu entdecken gibt,“ meint Frau Kopatchinskaja, also doch das Richtige für diese Violinistin. Kaum auf der Bühne streift die Barfußgeigerin ihre roten Pantoffeln ab und bewegt sich rhythmisch zuckend zur mächtig-kraftvollen Einleitung, mit der das Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Iván Fischer sogleich Aufmerksamkeit einfordert.
Auch sie betont zunächst das Kraftvolle, Rhythmische, spielt manchmal fast abgehackt, um nicht in hochromantische Süßlichkeit zu geraten. Dennoch zieht sie im 2. langsamen Satz schöne Linien, spielt oft ein sehr zartes Piano. Das Orchester passt sich dieser Lesart an, verfällt ebenfalls nicht ins Schwelgen.
Schumann pur mit vielen, fein herausgearbeiteten Facetten. Im dritten Satz, der an den ersten anknüpft, wieder ein forsches Spiel, garniert mit kleinen Geigenhüpfern. Das „ungeliebte Kind“ blickt nun etwas skeptisch, aber munter und lebenstüchtig ins 21. Jahrhundert.

Patricia Kopatchinskaja und Iván Fischer, Tanzmusik komponiert vom Dirigenten, Credit Marco Borggreve
Patricia Kopatchinskaja und Iván Fischer, Tanzmusik komponiert vom Dirigenten, Credit Marco Borggreve

Großer Beifall und dann die erste Überraschung. Ein Klavier wird vors Podium gerollt, Iván Fischer gibt den Pianisten, auf dem Orchesterrand sitzt Patricia Kopatchinskaja wie sein Töchterchen. Ragtime, Bossa Nova und Tango voller Charme und Witz  spielen die beiden. Schmunzeln im Publikum und danach besonders starker Applaus.

Aha, „na das kann ja noch heiter werden“ in den nächsten Monaten, vor allem am 13. März, wenn im Konzerthaus Teodor Currentzis, der Extrem-Dirigent, mit ihr zusammen musiziert.

Eine gewisse Einstimmung auf Andersartiges brachte anfangs die Uraufführung der „Skizzen I – VII“ des in Wien geborenen Komponisten Friedrich Cerha. Anschließend dirigierte Iván Fischer auch die bereits 2012 vom Tonkünstler-Orchester Niederösterreich aus der Taufe gehobenen „Skizzen VIII – XI“.
Bekannt ist Cerha vor allem durch die Vervollständigung von Alban Bergs Oper „Lulu“ geworden, zu der er den fehlenden 3. Akt komponierte. Nachdenkenswert auch seine Äußerung, dass Neue Musik an einer „enormen Verarmung an Aussagemitteln“ leide.
Das ist ihm nicht vorzuwerfen. Nach der ersten krassen und stark rhythmischen Skizze wird’s dann lyrisch schwebend, anschließend nach rauem Beginn melodisch, dann mal jazzig oder schelmisch. Schließlich tief hinab steigende, fast unisono gespielte Passagen, per saldo dominieren Bläser aller Art und das Schlagwerk. Alles dran, alles drin. Freundlicher Beifall für Fischer und die Seinen.

Zuletzt sozusagen „easy listening“ bei Ludwig van Beethoven: „Sinfonie Nr. 4 B-Dur“ op. 60, komponiert zwischen zwei Ausnahmewerken, der Eroica und der Fünften, der so genannten „Schicksalssinfonie“. Inmitten dieser beiden Schwergewichte ist die Vierte ins Hintertreffen geraten, doch schon die machtvoll- schwermütige Einleitung zeigt die Hand des Meisters. Die ist auch in allen vier Sätzen zu spüren, die sich bald gut gelaunt und deutlich heiterer und präsentieren. Aber so packend wie die beiden Geschwister ist die Vierte halt nicht, vielleicht auch ein „ungeliebtes Kind“, das hier aber mit viel Liebe und Kenntnis großgezogen wird.

Iván Fischer, der damit seinen Beethoven-Zyklus fortsetzt, und das Orchester engagieren sich jedenfalls mit Herz und Hand, spielen auch die idyllischen Passagen schön aus. Die Bläser sind hier wiederum stark gefordert, musizieren vorzüglich und ernten von Fischer und den Zuhörern ein Sonderlob. Ohnehin erhalten diese in ihrer Art vertrauten Beethoven-Klänge erwartungsgemäß den stärksten Beifall.   

Ursula Wiegand

 

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