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BERLIN/ Komische Oper: „POROS“ von Georg Friedrich Händel. Premiere

Ein Barock-Ereignis für Berlin

16.03.2019 | Oper

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Dominik Köninger und Ruzan Mantashyan. Foto: Monika Rittershaus

Berlin / Komische Oper:POROS“ von Georg Friedrich Händel, ein Barock-Ereignis für Berlin, Premiere,16.03.2019

 Die Bühne als schwelgerisches Tropenidyll, das verblüfft gleich zu Beginn. Exotik pur mit wucherndem Grün oben, unten und an beiden Seiten der Bühne, dazu eine Buddha-Statue und eine dunkle Tiger-Skulptur an einem Brunnen. So „naturalistisch“ ist das heutzutage bei Neuinszenierungen eher die Ausnahme als die Regel.

Hans Schavernoch hat das für Harry Kupfer so bebildert, der erstmals nach mehr als 15 Jahren wieder an seinem früheren Haus Regie geführt. Intendant Barrie Kosky hatte den Altmeister eingeladen und ihm freie Wahl gelassen. Kupfer hat sich Händel ausgewählt und von dessen 42 Opern das wenig bekannte Werk „Poros“.  

Diese Oper kennt jedoch er seit Studientagen, hat auch bei seinem Erstengagement in Halle ihre Aufführung bei den Händel-Festspielen erlebt, äußert er in dem im Programmheft abgedruckten Interview. Nun freut sich der 83Jährige, sie erstmals selbst inszenieren zu können und sie dem Berliner Publikum zu präsentieren.   

Der Stoff aus dem antiken Griechenland hatte den Feldzug von Alexander dem Großen nach Indien zum Vorbild. Händel versetzte seine Opera seria, uraufgeführt am 2. Februar 1731 in London, in seine eigene Zeit, als Großbritanniens East India Company auf dem Subkontinent  Handelsniederlassungen errichtete und auf diese Weise Indien eroberte.

Doch das politische Umfeld dient eigentlich nur als Staffage für eine Haupt- und eine Neben-Love-Story. Und das funktioniert bei Kupfers Inszenierung, schon weil Susanne Felicitas Wolf in 2018 das von Pietro Metastasio 1729 verfasste Libretto (zu „Alessandro nell’Indie“) auf Deutsch nachgedichtet hat. Die Dialoge sind dadurch schlüssiger geworden. Was wen umtreibt, wird nun klar verständlich.  

Das wäre jedoch verlorene Liebesmüh’, würden nicht alle – darunter einige sehr klug ausgewählte Gäste – so großartig und textverständlich singen und sich so überzeugend in ihre Rollen werfen.

Außerdem haben sie mit dem jungen und schon international bekannten Barockspezialisten und Cembalisten Jörg Halubek den richtigen Dirigenten an ihrer Seite, der genau das vermittelt, was Händel den Personen als Charakterzüge in seine Partitur hineingeschrieben hat. Staunenswert auch diesmal wieder das Orchester der Komischen Oper, das viele Musikstile meistern kann, nun komplettiert mit Cembalo und Theorbe/Barockgitarre.

 Die Hauptperson auf indischer Seite ist König Poros, dessen Reich die Briten überfallen haben. Auch ihm selbst sind sie auf den Fersen. Gandharta, sein Feldherr – Philipp Meierhöfer mit wohllautendem Bass und schauspielerischem Engagement – tauscht den güldenen Brustpanzer mit ihm und begibt sich selbst in Gefahr.

Poros hegt aber noch ganz andere Gefühle, und Dominik Köninger zeigt sie mit seinem kräftigen Bariton und spielt das auch überzeugend. Die gelten kaum seinen Untertanen oder ihm selbst, sondern hauptsächlich seiner schönen Gemahlin Mahamaya, Königin eines anderen indischen Reiches. Er, extrem und hörbar unter heftiger Eifersucht leidend, fürchtet ständig, sie könnte ihm untreu werden. Denn sie, die Kluge, setzt auf Diplomatie, um die politische Situation zu entschärfen.

Beim Blick auf die Gastsopranistin, die tatsächlich schöne Armenierin Ruzan Mantashyan im feinen Sari (Kostüme Yan Tax) – und ihre klar schillernden Koloraturen genießend – kommt durchaus Verständnis für Poros’ Argwohn auf. Doch sie tut alles, um ihm ihrer Treue zu versichern.

Beider Anti-Eifersucht-Duett überzeugt. Köningers Spitzenleistung wird jedoch das temperamentvoll auf der Bühne herumlaufend gesungene Steuermannslied vor der Pause mit der Quintessenz, dass derjenige sein Leben verspielt, der das Steuer loslässt, statt es fest in der Hand zu halten. Er selbst also.

Doch Sir Alexander im Tropenanzug, ein feiner und gebildeter „Englishman in India“ im Auftrag der britischen Krone, der für alles Verständnis und Verzeihung aufbringt, sorgt dafür, dass die Lage zwischen den übrigen fünf Beteiligten letztendlich nicht in der Katastrophe endet.

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Ruzan Mantashyan, Eric Jurenas. Foto: Monika Rittershaus

Eric Jurenas, ein Barock erfahrener Countertenor der Spitzenklasse, singt seine Koloraturen so farbenreich und überzeugend, dass er als erster Zwischenbeifall erhält.

Der hat zunächst ein Auge auf Nimbavati, Poros’ Schwester, geworfen, die sehr attraktive Idunnu Münch, die mit klangreichem Mezzo und intensiver Darstellung überzeugen kann. Last not least João Fernandes, ebenfalls barockversiert, als der Grieche Timagenes im britischen Heer, der ein Attentat auf Sir Alexander plant. Der aber weiß schon alles, hält einen abgefangenen Brief in den Händen. Mit Schlotterknien fürchtet der Verräter um sein Leben, doch der Brite begnadigt ihn.

Vorher die Schreckensnachricht für die beiden Frauen: Poros ist tot. Nun scheint seine Gattin Mahamaya Sir Alexander heiraten zu wollen. Ein hoher, pompöser Saal ist zu sehen, und ein Sadu fehlt auch nicht. Denn als stolze Inderin will sie bei dieser Gelegenheit ein Zeichen setzen und sich auf einem lodernden Scheiterhaufen verbrennen lassen. Krass, aber immer noch melodisch, singt sie in diesen Minuten.

Doch plötzlich kommt der tot geglaubte Poros angerannt, beide fallen sich in die Arme.  „Ach, der ist ja ihr Mann“, staunt der Brite, und nun fängt das Publikum laut an zu lachen. Harry Kupfer, der schlaue Fuchs, hat uns mit seiner üppig-indischen Poros-Inszenierung sehr  erfolgreich auf den Arm genommen. Nun raumgreifender Händel-Klang zum „Ende gut, alles gut“, während beide Liebespaare – auch Nimbavati und Gandharta – in eine (hoffentlich) glückliche Zukunft enteilen.

Glücklich, außerdem nun sehr erheitert und mit standing ovations feiert das Publikum alle Beteiligten, selbstverständlich auch den Könner Harry Kupfer. Wie sehr das Dirigat von Jörg Halubek gefallen hat, ist ebenfalls unüberhörbar.

Ursula Wiegand

 

Weitere Termine, womöglich in anderer Besetzung, am 29. März, 13. und 20. April, 04. Mai und 25. Juni.

 

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