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BERLIN/ Komische Oper: PORO, RE DELL’INDIE von G.F. Händel

Comeback überwunden geglaubter Interpretationsgewohnheiten

02.04.2019 | Oper

Georg Friedrich Händel: Poro, Re dell‘Indie, Komische Oper, Berlin, Vorstellung: 29.03.2019

 (2. Vorstellung seit der Premiere am 16.03.2019)

Comeback überwunden geglaubter Interpretationsgewohnheiten

«Comeback nach über fünfzehn Jahren! Der Grandseigneur des realistischen Musiktheaters ist zurück – und erfüllt sich einen lang gehegten Traum: Harry Kupfer, der im Haus an der Behrenstrasse Theatergeschichte schrieb, inszeniert mit Georg Friedrich Händels meisterhafter Barockoper „Poros“ einen fundamentalen Konflikt europäischer Moderne.» (https://www.komische-oper-berlin.de/programm/spielplan/poros/1038/)

Gerade für ein Haus, das so von und mit den dort arbeitenden Künstlern lebt, ist ein solches Comeback eine schöne Angelegenheit. Noch schöner wäre es, wenn man die letzten fünfzehn (oder auch mehr) Jahre der Musikwissenschaft und Theaterpraxis nicht ignoriert hätte. Die Aufführung des Werks in deutscher Sprache liesse sich ja noch rechtfertigen (auch wenn Hausherr Barrie Kosky die «Bohème» italienisch und den Jahrmarkt von Sorotschinzi in «russisch, ukrainisch» singen lässt»). Da Capo-Arien nur ein- oder zweiteilig singen zu lassen und die Anpassung des Werkes an die Vorstellungen des Regisseurs zeugt von der Verkennung der Theaterpraxis. Landauf, landab gibt es Theater, die zeigen, dass Händel-Opern auch von der fachgerechten Aufführung der Da Capo-Arien leben. Warum inszeniert ein Regisseur eine Oper, der er nicht vertraut und die er nach seinen Ideen zurechtstutzen zu müssen glaubt? Da sollte er doch das Rückgrat haben zu verzichten. Es mag sein, dass das Prinzip der „Durchtextierung“ der Arien für die Händel-Renaissance der direkten Nachkriegszeit wichtig, vielleicht sogar essentiell war. Heutzutage hält es ein ernstzunehmender Regisseur nicht mehr für notwendig, die „Arien in die dramatische Situation einzubinden“ und die „Rezitative so auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen, dass sie zu wirklichen Diskussionen und Auseinandersetzungen werden.“

Innerhalb der Alten Musik-Szene mag es sicher Kreise geben, deren Ziel die penible Rekonstruktion von Aufführungen ist. Der grossen Mehrheit (das Programmheft erwähnt namentlich z.B. Nikolaus Harnoncourt) geht es aber darum, die Interpretationsgewohnheiten der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Zeitgenössische Theaterarbeit ist, das wurde oft genug bewiesen, auch möglich, wenn man die Gestalt der Barockoper respektiert und sie nicht als Steinbruch missbraucht. Fängt man an, Struktur und Text der Oper zu verändern, nimmt man genau jene Interpretationsgewohnheiten auf, die als überwunden gelten. Das zu Händels Zeiten von einem „Inszenieren“ in heutigem Sinn nicht die Rede sein kann, ist dann auch kein Problem.

Poros zeigt ohne Frage einen fundamentalen Konflikt europäischer Moderne. Um zu zeigen, wie „modern“ der Konflikt ist, hat sich Regisseur Harry Kupfer von seinem Bühnenbildner Hans Schavernoch eine Urwaldlandschaft auf die Bühne stellen lassen. Das Bühnenbild greift über das Portal hinaus und so fällt kaum auf, dass in der Komischen Oper mittlerweile die Decke zum Schutz vor herunterfallenden Dekorationsteilen (so die Auskunft des Saalpersonals) mit Netzen abgehängt ist.

In diesem Rahmen erzählt Kupfer nun die Geschichte, so wie er sie sich zurechtgelegt hat (Nachdichtung aus dem Italienischen von Susanne Felicitas Wolf). Wohl als Referenz an die Lage und Geschichte des Hauses wurden aus Alexander dem Grossen und den Makedoniern ein englischer Feldherr „Sir Alexander“ und englische Soldaten. Das Geschehen wurde aus der Antike in die Mitte die Zeit der Uraufführung verlegt, als das Vereinigte Königreich sich in Indien festzusetzen begann verlegt. Die, was die Inder betrifft, farbenfrohen Kostüme, stammen von Yan Tax.

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Foto: Monika Rittershaus

„Spezialfassungen“, wie der hier erlebten, ist das Problem immanent, dass Indispositionen der Sänger über Gebühr ins Gewicht fallen. An diesem Abend liessen sich sowohl Eric Juvenas (Sir Alexander) wie Dominik Köninger (Poros) ansagen. Da die Rollen nur einfach besetzt sind, wurde, um die Aufführung zu retten, der Torso noch weiterverstümmelt: „Poros in der Krankenfassung“ war das Resultat. So entzieht sich der Abend einer tiefer gehenden Bewertung. Ruzan Mantashyan als Mahamaya/Cleofide, Philipp Meierhöfer als Gandharta, Idunnu Münch als Nimbavati/Erissena und João Fernandes als Timagenes ergänzten das Ensemble.

Unter der Leitung von Jörg Halubek liess das Orchester der Komischen Oper Berlin überwunden geglaubte Interpretationsgewohnheiten wiederaufleben.

Ein Abend deutlich unter dem gewohnten Niveau der Komischen Oper.

Weitere Aufführungen: 04.05.2019/19.30, 25.06.2019/19.30.

23.04.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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