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BERLIN/ Komische Oper: PETER PAN von Richard Ayres. Wenn Kinder fliegen könnten. Premiere

07.11.2016 | Oper

Berlin/ Komische Oper: „PETER PAN“ von Richard Ayres, Premiere. Wenn Kinder fliegen könnten,  06.11.2016

Eric Jurenas als Peter Pan, Mirka Wagner als Wendy Darling copyright Iko Freese I drama-berlin.de
Eric Jurenas als Peter Pan, Mirka Wagner als Wendy Darling copyright Iko Freese I drama-berlin.de

„Würdest Du auch gerne fliegen können?“ frage ich in der Pause ein kleines Mädchen. „Ja,“ sagt sie mit leuchtenden Augen. Wie die Kleine gerade gesehen hat, fliegen in der Kinderoper „Peter Pan“ (von 2013) tatsächlich drei Jungs und ein Mädchen. Dass die dabei von Seilen gehalten werden, ist der klugen Kleinen aber auch nicht entgangen.

Jedenfalls hat die Komische Oper Berlin mit diesem Auftragswerk (gemeinsam mit der Oper Stuttgart und in Koproduktion mit der Welsh National Opera) den richtigen Riecher gehabt. Zu erleben ist ein spannendes Stück Musiktheater, basierend auf der gleichnamigen Erzählung von James Matthew Barrie. Inspiriert durch seine Patenkinder hatte Barrie Anfang des 20. Jahrhunderts diese Traum-Story ersonnen.
Und die ist nach wie vor aktuell. Davonfliegen vor Problemen, wegfliegen aus einem misslichen Umfeld, das möchten nicht selten Kleine und Große, und sei es auch nur im Traum. Wie die drei Kinder der Darling-Familie, die Brüder John und Michael Darling und ihre Schwester Wendy, die sich vom Vater drangsaliert fühlen.

Auch muss in einer Kinderoper auf der Bühne (gestaltet von Jason Southgate) immer was los sein, muss die Neugierde geweckt werden, müssen die Kids staunen, manchmal auch ein bisschen um ihre Helden zittern. All’ das klappt hier bestens. Regisseur Keith Warner ist immer wieder was Neues, Überraschendes eingefallen.

Die schmissige Musik von Richard Ayres, dirigiert von Anthony Bramall, treibt das Geschehen munter voran. Dissonantes ist selten zu hören, eigentlich nur an den passenden Stellen. Den an Kita-Geschrei gewöhnten Kindern fällt das ohnehin weniger auf als den zumeist konservativ geschulten Ohren von Erwachsenen.

Zunächst steht ein großes Geschenkpaket mit roter Schleife auf der Bühne. Mrs. Darling, die Mutter, reißt das Papier weg, und schon kommt ein Häuschen zum Vorschein. Ein großer Kran zieht von oben, und gleich hat es mehrere Stockwerke. Solche Aha-Effekte lieben die Kids.

Wenn dann altertümliche Eisenbahnwagen über die Bühne fahren, gibt’s wieder was zu lachen. Über den großen tapsigen Hund (alias Haushälterin Nana) sowieso. Mächtig warm wird es sicherlich Hans-Peter Scheidegger im schwarz-zotteligen  Fell (Kostüme: Nicky Shaw), der auch hundeähnliche Töne zu singen hat. Der kindliche Seufzer „mir ist ja soooo langweilig“, ist an diesem Premierennachmittag im rappelvollen Saal nicht zu hören.

Die anfangs gezeigten Familienszenen kommen manchen Besuchern, ob klein oder groß, vermutlich bekannt vor. Da ist Mrs. Darling, die fürsorgliche Mama (Christiane Oertel mit mütterlich getöntem Mezzo), deren Rasselbande in ihren Betten lieber Kissenschlacht macht als brav zu schlafen.
Den offenbar viel beschäftigten Vater nerven die Drei ebenso wie der Hund. Weg aus dem Kinderzimmer, ab in die Hundehütte, kommandiert er. Mit kräftigem, dunkel timbriertem Bariton charakterisiert der Einspringer Ashley Holland den missmutigen Mr. Darling, der nun mit Hilfe seiner Frau in den feinen Anzug schlüpft, um mit ihr zu einem Fest zu gehen.

Dass die aber draußen vor dem Fenster zuerst ein blinkendes Figürchen – die kleine Elfe Tinker Bell – erblickt hat, sich über eine fliegende Gestalt sehr erschreckt, ihr das schwarze Kostüm vom Leibe gerissen und dann einen fliegenden Jungen gesehen hat, interessiert ihren Mann überhaupt nicht.
Kaum sind die Eltern gegangen, schwebt Peter Pan herbei, der Countertenor Eric Jurenas. Der zeigt sich als wahrer Luftakrobat, macht Salti am Seil und singt auch kopfüber mit kräftiger, angenehmer Stimme und – wie die übrigen „Zugereisten“ – in verständlichem Deutsch (in dem von Adelheid und Jürgen Dormagen übersetzten Libretto von Lavinia Greenlaw).

Eric Jurenas als Peter Pan ist im gesamten Stück die treibende ausdrucksstarke Kraft, eine Idealbesetzung, findet aber in Mirka Wagner als Wendy Darling eine adäquate Partnerin. Spielen können sie alle großartig, auch Wendys Brüder, d.h. John stets mit Regenschirm (Timothy Oliver, Tenor) und Michael, immer mit Teddybär, gesungen von der Sopranistin Talya Lieberman.

Die Vier fliegen nun unter Peters Anleitung nach Nimmerland, wo Wendy als fremder Vogel abgeschossen, jedoch nicht ernstlich verletzt wird. Reuevoll baut das Volk für die Fremden ein Haus, Wendy wird zur Ersatzmutter und singt schön lyrisch, wie wichtig doch eine Familie sei. (Der lehrreich erhobene Zeigefinger fällt wohl nur Erwachsenen auf).

Positiv zu erwähnen als Solisten sind noch Christoph Späth (Smee), Matthias Spenke (Tootles), Carsten Lau (Nibs), Sascha Borris (Slightly) und Tim Dietrich (Curly). Drum herum Chor und Kinderchor (einstudiert von Andrew Crooks bzw. Dagmar Fiebach), die ebenfalls prima singen und voller Spaß mitspielen (Choreographie: Michael Barry).

Insbesondere im 2. Akt, als der gefürchtete Captain Hook, der Pirat mit der Haken bewehrten Armprothese, auftaucht, wird’s turbulent und Gänsehaut trächtig. Als prahlender Bösewicht kann nun Ashley Holland so richtig aufdrehen und noch stärker punkten als zuvor als Vater, dem er jedoch absichtlich ähnlich sieht. Die Kinder beteiligen sich mit Kehrbesen (Wendy), Schirm und Teddybär am Kampf gegen ihn. Den Ausschlag gibt jedoch der fliegende Peter Pan. Der Pirat stürzt vom Schiff zum Krokodil ins Meer, das vor Jahren schon seinen Arm verspeist hatte. Rasante, sicherlich gut geprobte Szenen, für die Ran Arthur Braun als Flug- und Kampfkoordinator verantwortlich ist.

Nach all’ den Gefahren und Turbulenzen wollen die Kinder weg aus Nimmerland und wieder nach Hause. Sie fliegen zurück in ihre Betten, die Mutter ist glücklich, der Vater, strafversetzt in die Hundehütte, kriecht heraus und herzt sie nun ebenfalls. Liebe Friede, Eierkuchen ist die (ein bisschen dick aufgetragene) Moral von der Geschicht’. Nur Peter Pan will sich nicht in diese Familie integrieren, will träumendes Kind bleiben und fliegt davon.
Danach großer Jubel und Gekiekse. Allen hat es offenkundig sehr gefallen

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 13., 14. und 18. November, 08., 11. 22. und 26. Dezember sowie am 08. Januar und am 14. und 20. Februar 2017

 

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