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BERLIN/ Komische Oper: LA TRAVIATA – Liebesfluchten

30.12.2019 | Oper

Giuseppe Verdi: La Traviata, Komische Oper Berlin, Vorstellung: 28.12.2019

 (8. Vorstellung seit der Premiere am 01.12.2019)

Liebesfluchten

Die vermeintlich einfachen Stücke, jene des „Kern-Repertoires“, sind in aller Regel besonders schwierig zu inszenieren, da sie einerseits bekannt sind und viele Regie-Konzepte an ihnen schon ausprobiert wurden. In diese Problematik hinein gerät auch Regisseurin Nicola Raab mit ihrer Inszenierung für die Komische Oper. Raab sieht Violetta Valery als Sexworkerin im digitalen Raum in der Gegenwart. Der moralische Konflikt des 19. Jahrhunderts ist, Raabs These, in der Gegenwart zu einem sozialen Konflikt geworden. Im Sinne einer Flucht aus ihrer Einsamkeit bricht dann Verdis Zeitalter als Phantasiewelt ein.

Es ist durchaus im Sinne des Komponisten mit aktuellen Bildern zu arbeiten, wenn diese richtig eingesetzt werden. Der Kern der Geschichte ist, dass Violetta Valery das Recht auf eine echte Liebe, ein normales Leben, verwehrt wird. Und das ist bei der Kurtisane des 19. Jahrhunderts wie der Sexworkerin des 21 Jahrhunderts der Fall. Die These wäre also dahingehend zu modifizieren, dass sich die Bilder, mit denen der Grundkonflikt, der damals wie heute ein moralischer und sozialer ist, illustriert wird, ändern. Am Grundkonflikt hat sich also, gegenüber der Zeit der Uraufführung, nichts geändert und diesen Grundkonflikt gilt es in der Inszenierung deutlich zu machen. Das gelingt Raab leider nur bedingt. Die Flucht in eine Phantasiewelt ist als Bewältigungsmechanismus nachzuvollziehen. Unklar bleibt, wieso diese Fantasiewelt in der Vergangenheit, der Entstehungszeit  der Oper angesiedelt ist. Die Herren des Chores treten als Giuseppe Verdi auf, die Damen in grosser Abendrobe (Kostüme: Annemarie Woods), als Bühnenbild hat Madeleine Boyd eine Stahl-Glas-Konstruktion geschaffen, die an den Stil Gustave Eiffels erinnert. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zeitebenen nicht klar getrennt sind und durch die Filmeinblendungen (Video: Benjamin Weiss und Jake Witlen) noch eine dritte hinzukommt.

Unter diesen Voraussetzungen erzählt Raab nun die Geschichte soweit es geht dem Libretto entsprechend.

Jordan de Souza hat in dieser eher rustikal, auf die bekannten Effekte angelegten Vorstellung die musikalische Leitung. Das Orchester der Komischen Oper Berlin und die Chorsolisten der Komischen Oper Berlin (Chöre: David Cavelius) folgen seinen Vorgaben entsprechend.

Natalya Pavlova gibt die Violetta Valéry mit breitem, voluminösem Sopran technisch einwandfrei. Letztlich kann sie in dieser Rolle aber nicht wirklich überzeugen. Ivan Magrì imponiert mit heldischem Tenor erfolgreich beim Publikum. Stilistisch am besten gelingt der Vater Germont von Giuseppe Altomare, der seinen Bariton wunderbar frei strömen lässt. Marta Mika ist als Flora Bervoix eine charmante Gastgeberin, Caren von Oijen eine treue Begleiterin Violettas. Das Ensemble ergänzen Ivan Turšić (Gastone, Visconte de Létorières), Dániel Foki (Baron Douphol), Carsten Sabrowski (Marchese d’Obigny), Philipp Meierhöfer (Dottore Grenvil), Alexander Fedorov (Giuseppe) und Changdai Park (ein Kommissionär).

Gut gedacht, mässig umgesetzt.

Weitere Aufführungen: 10.01.2020, 17.01.2020, 01.02.2020, 12.02.2020, 22.02.2020, 01.07.2020 und 04.07.2020.

02.01.2020, Jan Krobot/Zürich

 

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