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BERLIN/ Komische Oper im ehemaligen Flugplatz Tempelhof/ Hangar 4: Händels MESSIAS

25.09.2024 | Oper international

Berlin/ Komische Oper: Händels „MESSIAS“ im ehemaligen Flugplatz Tempelhof, diesmal in Hangar 4. – 3. Aufführung am 24.09.2024

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 War es im vorigen Jahr „Das Floß der Medusa“ im Hangar 1, das  die Menschen in Scharen in den ehemaligen Flughafen Tempelhof trieb, so ist es diesmal Händels „Messias“ und ein weiteres Wagnis, das jedoch erneut auf sehr deutliches Interesse trifft. Dieser Ex-Flughafen, wo einst die „Rosinenbomber“ starteten und landeten, um die West-Berliner mit Proviant zu versorgen, ist wohl für viele ein spannender Ort.

Leichte Muse wird dort von der Komischen Oper Berlin auch diesmal nicht geboten. Ganz im Gegenteil. Alle werden nicht nur mit fabelhafter Barock-Musik und Händels bekanntestem Oratorium beglückt. Sie werden auch inhaltlich gefordert. Es geht nun nicht nur um Jesu Tod und Auferstehung, sondern auch um die Tragik einer jungen Frau, ihrer Familie und um würdiges Sterben aus eigenem Entschluss

Zunächst rennt sie – die Schauspielerin Anouk Elias im blauen Kleid – ganz alleine hin und her durch die große Halle. Aus Freude? Nein aus Verzweifelung. Denn in einem großen Umschlag stecken Röntgenbilder, die ihr Schicksal ankündigen. Sie hat einen Tumor im Gehirn und nur noch sechs Monate zu leben.

Doch wie sehr schmust sie mit ihrem jungen Partner, der wohl noch nichts von ihrem Schicksal weiß. Oder? Während sie in der ganzen Aufführung kein Wort sagt und dennoch überzeugt, singt er, der Tenor Julien Behr, auf schönste Weise.

Ihre Eltern sitzen bereits am Tisch, an dem vermutlich die Heirats-Unterschrift geleistet werden oder bereits ein bisschen gefeiert werden soll. Doch die junge Frau setzt sich nicht dazu.

Nun aber ist Händel an der Reihe. Die Mutter – die großartige Altistin Rachael Wilson – steht nun auf und singt schmerzlich die von Händel so wunderbar vertonten Bibelverse, oft auch solche aus dem Alten Testament.

Bald erhebt sich auch der Vater – Philipp Meierhöfer mit profundem Bass – und tut das gleiche.  Sie singen den auf Deutsch übersetzten Vers: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet freundlich, Boten, mit Jerusalem, und prediget ihr, dass die Knechtschaft nun zu Ende und ihre Missetat vergeben. Vernehmt die Stimme des Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg, und ebnet durch Wildnis ihm Pfade, unserm Gott.“

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Foto: Jan Windzus

Das passt gut, und auf ähnliche Weise wird das ganze traurige Geschehen behandelt. Wenn aber später, als es der jungen Frau schon recht schlecht geht, das „Tochter Zion freue dich“ erklingt, ist das zumindest erstaunlich. Es nimmt aber ihren Entschluss vorweg, dem Leiden selbst ein Ende zu setzen und in Würde zu sterben.

Trotz alledem gewinnt Händels herrliche Musik, meisterlich dirigiert von George Petrou, die Oberhand. Auch das Orchester der Komischen Oper spielt großartig wie immer und versorgt auch die Chöre bestens.

Die aber wurden deutlich aufgestockt durch mehrere hundert Sänger/innen aus Berliner Chören. Für das sich daraus ergebende Bühnenbild sorgte Paolo Fantin, für die Kostüme der kleinen und großen Teilnehmenden Klaus Bruns und für die Choreographie Thomas Wilhelm.

Auch das funktioniert und hört sich nun an, als würden sie alle ständig miteinander singen, ein Ergebnis der Arbeit des Chorleiters David Cavelius. Es ist außerdem sicherlich dem Fleiß der Laienchöre zu verdanken und vor allem Georg Friedrich Händel. Mit dem sich empor rankenden; weltbekannten „Hallelujah“ wurde es das meist gespielte und beliebteste seiner 35 Oratorien.

Dass Händel nach einem Schlaganfall und 56 Jahre alt dieses Werk in nur 24 Tagen komponierte, ist fast ein Wunder. Uraufgeführt wurde es 1742 in Dublin und danach dort jedes Jahr. Mit den Ticket-Einnahmen und Spenden half Händel den Gefangenen und anderen notleidenden Menschen.

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Foto: Jan Windzus

Eine herbe Szene fehlt auch nicht: Der Protest der Gesunden, die mit Plakaten von den Todkranken fordern, weiter zu leiden und ihrem Leben nicht selbst ein Ende zu setzten. Solche Proteste gibt es noch heutzutage.

Hier jedoch entreißen der Mann der jungen Frau und ihr Vater den Protestierenden wütend einige Plakate, und anders als die Protestler reagiert auch die Ärztin, die ein Röntgengerät bedient und die Vergrößerung des Tumors erkennt. Mit einem fast himmlisch zu nennendem Sopran schildert Penny Sofroniadou das Geschehen und ermöglich der nicht zu Rettenden einen würdigen Tod, was das Gesetz und die Kirchen verbieten und den Ungehorsamen sogar die Hölle androhen.

Schließlich wird der weiße Boden mit grünen Grasplatten bedeckt. Die (angeblich) Toten, mit weißen Laken bedeckt, erinnern an die Opfer der gerade herrschenden Kriege. Doch die gab es auch in früheren Zeiten. Hier werden die Laken wieder entfernt. Damit ist sicherlich die Auferstehung der Toten gemeint, zumindest beim Jüngsten Gericht

Doch gemäß dem Neuen Testament steht der gekreuzigte Jesus nach drei Tagen wieder auf von den Toten und fährt auf in den Himmel. So erklingt es auch in Händels Messias-Oratorium. Das aber macht den Menschen schon vor dem Ende ihres Lebens Mut mit dem Satz:„Jesus tritt für dich ein“, auch wenn du dich anders verhalten hast, als das Gesetz es fordert.

Die junge Frau wählt also mit Hilfe der Ärztin den eigenen würdigen Tod und läuft nun, freudig einen roten Drachen schwingend, durch den Saal bis in die Dunkelheit. In Kürze wird sie von ihrem Leiden erlöst sein.

Händels Messias hat also gesiegt und mit ihm diese besondere Aufführung im voll besetzten Saal. Anhaltend kräftiger Applaus und Bravi belohnen die überzeugenden Interpreten.  Ursula Wiegand

Weitere Termine vom 27.- 29.September und vom 2.- 6. Oktober 2024. 

 

 

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