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BERLIN/ Komische Oper: FANTASIO. Opéra comique von Jaques Offenbach. Konzertante Premiere

14.02.2016 | Oper

BERLIN / Komische Oper  FANTASIO Opéra comique von Jaques Offenbach -konzertant, Premiere 13.2.2016

Zu Entdecken: Eine Opéra comique für Feinschmecker und die rumänische Sopranistin Adele Zaharia als vokale Offenbarung in der Rolle der Elsbeth

„Moi, pour un peu d‘amour, je donnerais mes jours – Für ein klein wenig Liebe würde ich alles geben.“

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Copyright: Jan Windszus

Während in München wie jedes Jahr um diese Zeit die Sicherheitskonferenz tagt und über Kriege, Einflusssphären und Kuchenstücke der Macht beraten und gerangelt wird, feiert Berlin die berühmten Filmfestspiele (Berlinale) mit George Clooney & Co ab. Die Komische Oper setzt klugerweise Fantasio von Jaques Offenbach auf ihren Spielplan. Gewiss konzertant und nur zwei Mal, aber ein eindringlicheres Werk über den Zwiespalt von Krieg und absoluter Macht auf der einen Seite und die Fantasie, die studentische Jugend, das Volk und die Revolte gegen die Willkür der Herrschenden auf der anderen Seite findest Du nicht. Die dem Stück zugrundeliegende Komödie von Alfred de Musset war das Sprachrohr der „No future“ Generation im sogenannten Vormärz. 

Um die Zeit des deutsch-französischen Krieges (1870/1871) verfasst, geht es in Fantasio (in Berlin wird die Titelrolle jetzt erstmals von einem Tenor gesungen), um einen jungen Studenten, einen „normalen“ Menschen, der als Bühnenfigur um sein Leben und das des Volkes singt. Die Künste, echte unverstellte Emotion und seine Liebe zur Prinzessin Elsbeth von Bayern steht deren Zwangsverheiratung aus Staatsräson mit dem Prinzen von Mantua als Pfand für einen wackeligen Frieden gegenüber. Als Hofnarr in den Palast geschlichen, steht er dem als Adjutanten verkleideten Prinzen gegenüber. Das Verwechslungsspiel endet für den heroisch-naiven Fantasio beinahe tödlich. Weil er den falschen Prinzen vorführt, landet er im Gefängnis, ein neuer Krieg droht. Da wir in München sind, wird er nur eingekerkert, in Preussen hätte man ihn sogleich zu Tode verurteilt, weiß der Kommentator. Jedenfalls gibt es ein lieto fine, der Prinz verzichtet auf die Heirat und der König begnadigt Fantasio. 

Musikalisch gibt es in dieser Oper jede Menge an feinstem Offenbach zu entdecken: Von der symphonischen Ouvertüre, wo ein wenig die Antonia Musik aus dem Hoffmann hereinlugt,  burlesken Couplets, einer brillanten Koloraturarie, Duetten, einem Quintett, bis hin zu Ensembleszenen mit Chor, Romanzen, Balladen und Zwischenspielen. Schade aber, dass in der konzertanten Aufführung an der Komischen Oper sieben Nummern gestrichen wurden. Da hätte man doch mehr der Musik Offenbachs trauen müssen. Und die hat es wahrlich in sich. Ein Liebesliedwalzer, ein marschähnliches Narrenmotiv, eine Ballade an den Mond, Anklänge an Carl Maria von Weber und an Wagners „Lied an den Abendstern“, Studentenchöre, etc,; „ein dialektisches Hin und her aus Romantik und Narrentum, Poesie und Parodie, Zauberwelt und Zeitkritik, das Selbstporträt des Komponisten als Träumer und Idiot der Familie“, wie Boris Kehrmann in seinem Aufsatz „Zauberwelt als Zeitkritik“ gescheit analysiert.

Gesungen und gespielt wird auf gutem bis brillant exquisitem Niveau. Tansel Akzeybek, verfügt über einen lyrischen Tenor mit toller Höhe und singt die Riesentitelpartie mit dem gebotenen (Wort)Witz und ungestümen Zugriff, aber auch klangschön in den Piani. Nur warum – mon dieu – hat ihm kein Korrepetitor gesagt, dass man in der französischen Sprache die Konsonanten nicht behauchen darf? Das geht gar nicht. Generell hätte er an seinem „Französisch“ noch arbeiten sollen. Den vokalen Höhe- und Mittelpunkt der Aufführung bildete Adela Zaharia in der Rolle der Prinzessin Elsbeth. Sie singt mit einem expansionsfähigen, instrumental geführten lyrischen Qualitätssopran, beherrscht aber auch die Koloraturen perfekt. Da hat Deutsche Oper am Rhein ein tollen Fang gemacht, deren Ensemble sie seit der Spielzeit 2015/16 angehört. 

Als dritten möchte ich Dominique Horwitz, Schauspieler und Chansonnier mit französischen Wurzeln, erwähnen, der in deutscher Sprache durch die Handlung führte. Melodramatisch mit Emphase und konzentriert deklamierend, bildet er das Bindeglied zwischen den einzelnen Nummern und ersetzt dadurch die französisch gesprochenen Dialoge. Die möchte man in Anbetracht der nun ja nicht nur beim Titelhelden nicht gerade vorbildlichen Aussprache nicht wirklich gehört haben.

Nach der Größe der Rolle ist als nächster Nikola Ivanov zu nennen, ein junger vielversprechender bulgarischer Bariton und Mitglied des Opernstudios der Komischen Oper Berlin. Wenn er seinem Kavaliersbariton weniger Druck gäbe, wäre es ein noch größeres Vergnügen, dieser Stimme mit dem edlen kernigen Timbre zu lauschen. Der Prinz von Mantua ist beim Star der Komischen Oper Dominik Köninger in besten Händen. Als Adjutant Marinoni darf Adrian Strooper das Alter Ego in Tenorlage sein. Eigentlich eine (viel) zu kleine Rolle für diesen fabelhaften lyrischen Tenor, die ihm noch dazu zu tief liegt. Die junge sympathische Zoe Kissa hat mit ihrem warmen Mezzo als Flamel, Elsbeths Page, das letzte Wort in dieser Oper. Carsten Sabrowski als König von Bayern, Johannes Dunz als Facio und Yakov Strizhak als Hartmann liefern in den Ensembles so weit so gut die passenden Stichworte.

Chor (Einstudierung David Cavelius) und Orchester der Komischen Oper Berlin wurden vom Dirigenten Titus Engel zu einer einnehmenden Leistung animiert. Bei dieser Art von Musik ist die künstlerische Infrastruktur des Hauses bekanntlich in ihrem besten Element. Und das hört man. Es wäre schön, wenn die Komische Oper den Erfolg dieser Aufführung dazu nutzen würde, einmal die Rheinnixen oder Fantasio szenisch auf die Bühne zu bringen. Die jetzigen Aufführung findet als Teil des Offenbach Festivals der Komischen Oper vom 10. bis 17. Februar 2016 statt. 

Fantasio hat am Ende ja noch eine guten Rat an die Mächtigen dieser Welt: Sie sollten ihre Streitigkeiten persönlich austragen, statt ganze Völker in den Krieg zu führen…

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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