Operetten-Erfolg in Berlin: „DIE PERLEN DER CLEOPATRA“ von Oscar Straus (Vorstellung: 13. 12. 2018)
Die an der Komischen Oper Berlin im Dezember 2016 der Vergessenheit entrissene Operette „Die Perlen der Cleopatra“ von Oscar Straus war ein so großer Publikumserfolg, dass sie kürzlich wieder ins Programm genommen wurde. Uraufgeführt wurde die Operette, deren Libretto Julius Brammer und Alfred Grünwald verfassten, im November 1923 im Theater an der Wien (mit Fritzi Massary, Richard Tauber und Massarys Ehemann Max Pallenberg) und kam schon vier Monate später in Berlin auf die Bühne, als Ägypten in aller Munde war. Damals wurde das Grab des legendären Tutanchamun entdeckt und die berühmte Büste der Nofretete erstmals öffentlich ausgestellt. Auch in der Berliner Aufführung brillierten Fritzi Massary und Richard Tauber als Cleopatra und Silvius, während die Rolle des Marcus Antonius der junge Hans Albers verkörperte.
Die Handlung der Operette, die am 13. Dezember 2018 zum 25. Mal in der Komischen Oper Berlin seit der Premiere am 3. Dezember 2016 gezeigt wurde, in Kurzfassung: Bei der ägyptischen Königin Cleopatra hängt der Haussegen schief: Palastrevolte, Dürrekatastrophe, Rebellion und Männermangel. In einer solchen Krise helfen nur die geheimnisvollen Perlen der Cleopatra. Sie wählt sich zum Liebessklaven den römischen Offizier Viktorian Silvius, den ehemaligen Verlobten ihrer Hofdame Charmian. Zwar wirkt Cleopatras Liebesperlenwein wunderbar, dennoch nimmt das Tohuwabohu kein Ende…
Barrie Kosky, der jahrelang das Schauspielhaus in Wien leitete und seit 2012 Intendant der Komischen Oper Berlin ist, schuf eine operettenhafte Revue, bei der die Lachmuskeln des Publikums arg strapaziert wurden. Dass er ein großer Fan des Wiener Komponisten Oscar Straus ist, bewies er bereits vor einigen Jahren, als er dessen musikalische Komödie Eine Frau, die weiß, was sie will an der Komischen Oper zu einem sensationellen Erfolg führte. Übrigens mit derselben Hauptdarstellerin Dagmar Manzel. Damals gelang Barrie Kosky eine komödiantische Inszenierung, die nie in puren Klamauk abdriftete. Was ihm bei den Perlen der Cleopatra leider nicht gelang. Mir ist nicht in Erinnerung, jemals eine Operetten-Aufführung mit mehr Klamauk-Szenen erlebt zu haben. Sogar die Tänze des Balletts wirkten mit dem Geschrei und „Gejodle“ des Tanzensembles albern (Choreographie: Otto Pichler).
Angenehm nüchtern wirkten die schwarzweißen Vorhänge des Bühnenbildes rund um Cleopatras Bett (Gestaltung: Rufus Didwiszus), opulent dagegen die bunten Gewänder der Darsteller (Kostüme: Victoria Behr). Für die das Publikum oft grell blendenden Lichteffekte zeichnete Diego Leetz verantwortlich.
In der Titelrolle begeisterte Dagmar Manzel in mehrfacher Hinsicht das Publikum: einerseits in der Darstellung der nach Liebe süchtigen Herrscherin Cleopatra, andererseits als Bauchrednerin im Dialog mit ihrer Katze Ingeborg, wobei ihre deftige „Berliner Schnauze“ wunderbar zur Wirkung kam. Ein Zitat Manzels aus dem Programmheft: „Ich bin Berlinerin und ich mag einfach diesen direkten Ton!“ Das Berliner Publikum liebte diesen Ton über alles und „zerkugelte“ sich des Öfteren darüber – wie beispielsweise, als Cleopatra zu Marc Anton kreischend sagt: „Mein Bett wird jede Nacht zu einem Schlachtfeld!“
Der Bassbariton Stefan Sevenich legte die Rolle von Cleopatras ersten Minister Pampylos sehr komödiantisch an, wobei er leider zu oft übertrieb. Viele „Lacher“ provozierte er mit seinen Anspielungen auf die deutsche Tagespolitik (Merkel, GroKo, AfD etc.). Humoristisch agierte auch der Bariton Dominik Köninger als attraktiver römischer Offizier Viktorian Silvius. Sehr erotisch klang seine Arie „Cleopatra, Cleopatra, du Königin am Nil“, auch schauspielerisch glänzte er in jeder Szene.
Darstellerisch ihm ebenbürtig war der Tenor Johannes Dunz als Beladonis, Prinz von Persien. Mit seiner sanften Stimme und seiner betörenden Liebesflöte versuchte er immer wieder, Cleopatra zu becircen, bis er endlich in ihr Schlafgemach gebeten wird. Eine Doppelrolle hatte der Tenor Peter Renz zu bewältigen: einerseits gab er den Revolutionär Kophra aus Nubien, andererseits Marcus Antonius, den Feldherrn des Römischen Reiches. Beide Rollen spielte er mit großem Einsatz und recht humorvoll.
Stimmlich und darstellerisch exzellent die amerikanische Sopranistin Talya Lieberman als Hofdame Charmian. Besonders eindrucksvoll waren ihr Auftritt in der Balkonloge und ihre Tanzeinlage auf der Bühne.
Stimmkräftig agierte das Lindenquintett Berlin als Priesterschaft (Einstudierung: David Cavelius), mit furioser Gelenkigkeit beeindruckte das Tanzensemble (Choreographie: Otto Pichler). Das Orchester der Komischen Oper Berlin wurde von Adam Benzwi geleitet, der an der Wiederentdeckung der Oscar Straus-Operette maßgeblich mitwirkte, wie dem Programmheft zu entnehmen ist. Ein Zitat des Dirigenten: „Ich verstehe ‚Ägypten‘ als ein Code-Wort für ‚Berlin‘. Wenn es im Text heißt: ‚Hier in Ägypten ist die Welt so und so‘, dann heißt das eigentlich: ‚Du bist in Berlin, Baby. Frauen können Sex haben, mit wem und wann sie wollen.‘“
Das von der Vorstellung offensichtlich restlos begeisterte Publikum dankte am Schluss allen Mitwirkenden mit minutenlangem frenetischem Beifall, in den sich auch – wie in letzter Zeit immer üblicher – Jubelgeschrei mischte.
Udo Pacolt