Berlin / Komische Oper: „DIE LIEBE ZU DREI ORANGEN“ von Sergej S. Prokofjew, ein Fest der Musik und der Farben. 8.12.2018
Zwanzig Jahre alt und auch bei dieser 124. Aufführung noch ganz jung, schmissig und knallbunt. So amüsiert in der voll besetzten Komischen Oper Berlin erneut Sergej S. Prokofjews Oper „Die Liebe zu drei Orangen“.
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Intendant Barrie Kosky hat diese echt gelungene Inszenierung seines Vorgängers Andreas Homoki von 1998 – ein Fest der Musik und der Farben – im Herbst wieder in den Spielplan aufgenommen – zur Freude des Publikums zwischen acht und achtzig.
Zu erleben ist ein Märchen mit Hintersinn von 1921, komponiert in Paris und uraufgeführt in Chicago. Prokofjew war ein Weltbürger, der in den Nachwehen der Oktoberrevolution (von 1917) das freie Schaffen im Ausland vorzog.
Die Zensur des Theaters, sei es im Zarenreich, sei es unter kommunistischer Herrschaft, ist dennoch mit in diese Fabel hineingewebt, auch wenn sich das im Libretto hinter spaßigem Hin und Her versteckt. Die Story hat Prokofjew – nach Texten von Wsewolod E. Mejerchold und Wladimir N. Solowjow – selbst geschrieben. Die deutsche Fassung stammt von Jürgen Beythien und Eberhard Sprink.
Der Streit, was zu spielen sei, bestimmt den Prolog, und sogleich glitzert und funkelt das Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von GMD Ainārs Rubiķis. Dass dem Vierzigjährigen diese witzige, geistreiche und leicht moderne Musik liegt, ist von Beginn an zu spüren.
Inhaltlich sind anfangs die Lustigen, Ernsthaften, Romantischen und Hirnlosen uneins, ob eine Komödie, eine Tragödie, ein lyrisches Drama oder ein geistloser Schwank gespielt werden soll. Diese Rollen übernehmen die weiß bis hellbeige gekleideten Damen und Herren des von David Cavelius mustergültig einstudierten Chors.
Auch treiben sie in den 10 urkomischen Bildern das Geschehen singend und darstellerisch voran und sind im Fall der Fälle immer hilfreich zur Stelle. Sie verkörpern die so genannten Sonderlinge (oder Wunderlinge), die dem Theater ohne politische Gängelei Verbundenen. Sie beenden den Streit, indem sie das Stück „Die Liebe zu drei Orangen“ ankündigen.
Das klingt schon sonderbar genug, sind doch sind die drei Früchte zunächst gar nicht zu sehen. Stattdessen erscheint auf der von Frank Philipp Schlößmann gestalteten Bühne Jens Larsen als ältlicher König, der sich mit kräftigem Bass um seinen kranken, nie lachenden Sohn sorgt.
Im feinen gelben Schlafanzug (Kostüme: Mechthild Seipel) liegt der fast ständig im weichen Bett, alles tut ihm angeblich weh. Der junge Mann ist ein eingebildeter Kranker. Wie der 38jährige Tenor Thomas Blondelle diesen Jammerlappen spielt und wehklagend singt, hat eine gewisse Delikatesse.
Trotz aller Verkleidung ist Günter Papendell sofort an seinem volltönenden Bariton zu erkennen. Er spielt den heimtückischen Minister, der zusammen mit des Kaisers schicker Nichte Prinzessin Clarice (Maria Fiselier), nur den Tod des Prinzen im Sinn hat, um mit ihr auf den Thron zu kommen.
Ivan Tursic. Copyright: Monika Rittershaus
Der König ist ratlos, doch sein Berater Pantalone (Dominik Köninger) engagiert den pfiffigen Clown Truffaldino (Ivan Turšić). Der soll den Prinzen aufheitern. Doch selbst das üppigste Theaterstück – bestückt mit einem Riesenkasper und einem ebenso riesigen Krokodil – lässt nur das Publikum fröhlich lachen, nicht aber den von dem Ungeheuer erschreckten Prinzen.
Erst als die böse Zauberin Fata Morgana, mit durchschlagendem Sopran von Svetlana Sozdateleva gesungen, beim Gerangel mit dem guten Zauberer Celio (Philipp Meierhöfer) zu Boden geht, bricht der Prinz in Gelächter aus und ist urplötzlich geheilt.
Wie heißt es doch: „Lachen ist gesund“. Sogleich wird der junge Mann unternehmenslustig und singt mit heiterer Miene und strahlender Stimme. Die Böse hat ihn zwar zur Liebe mit drei Orangen verflucht. Das kümmert ihn aber nicht. Genau die will er jetzt voller Vorfreude finden, und Truffaldino, nun ängstlich, muss mit.
Der Windgott Farfarello (Samuli Taskinen) bläst die beiden in die Wüste, denn dort hütet die gefürchtete Köchin Creonta die drei Früchte. Auch diese Partie singt der Bass Philipp Meierhöfer. Sogar einen heiseren Bass hatte sich Prokofjew in dieser Partie gewünscht.
Am Boden liegt schon eine Riesen-Suppenkelle. Die beiden Eindringlinge sollen eigentlich sofort in den Kochtopf, doch der listige Truffaldino lenkt die garstige Köchin mit einem langen Seidenschal, gehalten von den Choristen, ab. Voller Eitelkeit vergisst sie alles andere.
Schnell sind nun die drei Orangen gefunden, doch die haben in der dortigen Hitze schon allen Saft verloren. Die drei herausgeschälten, identisch gekleideten Prinzessinnen Linetta, Nicoletta und Ninetta, wie Drillinge wirkend, (Marta Mika, Georgina Melville und Mirka Wagner), sind schon am Verdursten. Nur Ninetta überlebt, weil die Theaterschauspieler einen Eimer Wasser herbeibringen.
Natürlich wird das spontan die ganz große Liebe, die nun Thomas Blondelle und Mirka Wagner einander mit schwärmerischem Wohllaut gestehen. Doch während der Prinz zum Vater eilt, um ihre Ankunft anzukündigen, wird Ninetta von Fata Morgana in eine (sehr putzig-flinke) Ratte verwandelt und gegen die blau angemalte Smeraldine (Karolina Gumos!) ausgetauscht.
Nein die will der Prinz trotz seines vorherigen Ehe-Versprechens nicht heiraten, so sehr der König – ein Mann von „law and order“ – darauf dringt. Bald aber erlischt der böse Zauber, und schon steht die strahlende Ninetta wieder neben dem glücklichen Prinzen.
Der zornige König will die Verräter hängen lassen, doch das passiert nicht. Stattdessen gibt’s
„Liebe, Friede, Eierkuchen“, wie der Volksmund sagt. Beim heftigen Schlussapplaus für dieses zauberhafte, total geglückte Schau- und Singspiel stehen dann alle zusammen friedlich vereint auf der Bühne. Auch Ainārs Rubiķis erhält für sein spritziges Dirigat den verdienten Applaus. Ursula Wiegand
Noch eine letzte Aufführung am 16. Dezember.