Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Komische Oper: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER. Wagners Erlösungsoper als schrill-bunter „Zombie Trash“. Premiere

28.11.2022 | Oper international

BERLIN / Komische Oper „DER FLIEGENDE HOLLÄNDER, Premiere, 27.112022

hol3
Günter Papendell (Holländer). Foto: Monika Rittershaus

Wagners Erlösungsoper als schrill-bunter „Zombie Trash“

Richard Wagner hat Konjunktur, sei es in Wien, wo am 4.12. „Die Meistersinger von Nürnberg“ an der Staatsoper Premiere haben werden, sei es in Berlin, das mit zwei neuen Ringzyklen innerhalb kurzer Zeit an der Deutschen Oper sowie an der Staatsoper Unter den Linden zumindest für internationale Presseaufmerksamkeit gesorgt hat. Ob all das dem Publikum gefallen hat, steht auf einem anderen Blatt.

Nun ist also die Komische Oper Berlin dran mit einer quietschbunten, poppig albernen Neuinszenierung des „Fliegenden Holländer“ von Herbert Fritsch, der eben ist, wie er ist. Wo Fritsch drauf steht, da ist auch Fritsch drin. Darauf ist Verlass. Der lange an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin tätige Schauspieler hat erst begonnen, für das Sprechtheater zu inszenieren. Nun wird er zunehmend öfter als Opernregisseur engagiert. Auch er hat, wie alle anderen Vielbeschäftigten im Berufsstand, eine „Masche“, die er abzieht.

Ganz auf übersteigert Pantomimisches, stummfilmisches Augenrollen und Mundaufsperren, ergo grimassierendes Fratzenschneiden gepolt, bewegen sich die skurrilen Arbeiten des „Meisters des theatralen Wahnwitzes“ nahe am Slapstick und einer grotesken Fantasy-Welt. So auch jetzt beim Fliegenden Holländer an der Komischen Oper.

Als „Gespenstermärchen mit einer großen Prise Komik“ wird die Inszenierung angepriesen. Fritsch, der auch sein eigener Bühnenbildner ist, hat ein einfaches, stilisiertes, ästhetisch ansprechendes Bühnenbild entworfen. Ein großer nach hinten weiter Raum ist von hochglanzlackierten Wänden abgegrenzt. Auf der Bühne gibt es nur ein einziges Requisit. Das ist ein leicht bewegliches Holzschiff wie aus dem Völkerkundemuseum, das meistens knallrot angestrahlt und von acht Männern in alle Richtungen gedreht wird. Auch der Lichtregie (Carsten Sander) ist Lob auszusprechen, weil die vor allem in grün-magenta-rot gehaltenen Lichtprojektionen poetische Räume schaffen.

hol2
Günter Papendell (Holländer). Daniela Köhler (Senta), Jens Larsen (Daland). Foto: Monika Rittershaus

Insgesamt ist dieser Fliegende Holländer aber ein quirlig zappelnder „Gruselschocker“ geworden, mehr abgefahrene Popkomödie und kindertaugliche Piratenshow denn romantisches Erlösungsdrama. Wäre der Fliegende Holländer ein Musical, alles wäre perfekt. Ist er aber nicht. Todbringende Naturgewalten, Liebe bis zum Tod und Erlösung eines Verfluchten durch die Opferbereitschaft einer liebenden Frau, um diese wenig humorvollen Ingredienzien sollte keiner herumkommen. Natürlich gibt es die aus der Spieloper kommenden Arien des geldgierigen Daland, des Erik und die Geschichte mit dem Bild, die Verquickung von Wirklichkeit und Wahn, den spießigen „Summ‘ Und Brumm, Du Gutes Rädchen“-Chor. Aber es geht hier um die Balance des Stücks und auch um das hochdramatische Ende. Und das sieht hier so aus: Der Holländer rennt raus, Senta hinterher, und am Schluss werden die leeren beleuchteten Kostüme der beiden in den Himmel fahren. Lustig. Der beste Gag des Abends kommt allerdings erst nach der Aufführung. Da lässt sich der Regisseur auf einem an Seilen befestigten Stuhl quasi als Heiliger ebenfalls in den Bühnenhimmel hieven direkt dem Holländer und Senta hinterher. Das hinderte aber nicht, dass sich im in der Mehrzahl wie immer an der Komischen Oper begeistert jauchzenden Publikum auch einige lauthalse Buhrufer fanden. Darf ich raten, weswegen?

Das Bewegungstheater-Konzept funktioniert sehr gut in den Geister-Chören. Hier ist tosende Bewegung in der Musik, die sich auch in den stürmisch wogenden Menschenleibern spiegelt. Aber warum in aller Welt müssen die Spinnerinnen aussehen wie eine Mischung aus japanischen Puppen und kindischen Manga Geishas, wild gestikulierend und dauerkichernd? Das ist einfach albern und unsinnnig – und warum muss Karolina Gumos Sentas Amme Mary als versoffen-lallende Gouvernante mimen?

Natürlich ist Daland auch in diese Inszenierung ein widerlich schleimender, geldgieriger Schuft, der seine Tochter mir nichts dir nichts an den nächsten Herbeigelaufenen verhökert, der genügend Gold hat, und sei es an einen spastisch toten Untoten. Leider singt Jens Larsen nur noch mit brüchig heiserem Bass. Brenden Gunnell als maximal unsympathischer Lustmolch Erik in einem giftgrünen Dreiteiler wiederum mangelt es an Volumen und Projektion in der Stimme.

Wie 2014 bei Fritsch‘ Don Giovanni steht in der Titelrolle wieder der dem Haus treue Bariton Günter Papendell, damals mit Joker-Maske, nun als rothaariger Zombie mit dümmlichem Dauergrinsen und sakkadierten Bewegungen auf der Bühne. Eigentlich ist Papendell ein Kavaliersbariton mit toller Höhe, aber eben kein heldischer Bassbariton comme il faut, weswegen er „oben“ alles hat, in den tiefsten Lagen aber beinahe unhörbar bleibt. In die gespenstische Bühnenfigur schlüpft  er erwartungsgemäß ganz hervorragend, weswegen er am Schluss einen persönlichen Triumph einfahren kann.

hol1
Daniela Köhler (Senta), Jens Larsen (Daland), Günter Papendell (Holländer). Foto: Monika Rittershaus

Außer den völlig adäquat agierenden, beeindruckend stimmmächtigen Chören gibt es nur zwei vokale Spitzenleistungen an dem Abend: Caspar Singh ist ein wunderbar lyrischer Steuermann, mit frischem Tenor, sauberen schlanken Spitzentönen und schönen Piani. Daniela Köhler ist eine veritable Jugendlich-Dramatische. Ihre Senta scheint in den Akuti keine expansiven Grenzen zu kennen und überstrahlt im Finale selbst das im Fortissimo dröhnende Orchester noch mit Leichtigkeit.

Dirk Kaftan, Generalmusikdirektor des Beethoven Orchester Bonn und der Oper Bonn, dirigiert das Orchester und den Chor der Komischen Oper, um das Vocalconsort Berlin aufgestockt. Es geht die Sache markig an und holt alle Dramatik und knallig blechbläsernen Stürme aus der Partitur. Mir gefällt das, ich kann mir aber vorstellen, dass es einige gibt, die das Orchester zu laut und derb fanden.

Fazit: Ein Abend für Kinder und Teenies. Mir ist das flippige Gehusche, Gezapple und Grimassenschneiden zu viel des Guten. Zwar ist Wagners Musik so stark, dass sie den Manga-Unsinn überlebt. Auch hat am Ende des Holländer-Monologs, des Duetts Holländer-Senta oder am Schluss die Regie gegen den Orchestergraben keine Chance. Ich hätte aber lieber eine Deutung gesehen, die die Musik ernst nimmt und sich nicht nur von Gag zu Gag hantelt.

Gespielt wird ohne Pause. Die nächsten Vorstellungen finden am 3., 6., 10., 14., 17. und 25.12. statt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

 

Diese Seite drucken