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BERLIN/ Komische Oper: BARRIE KOSKYS ABSCHIED MIT „ALL SINGING, ALL DANCING YIDDISH REVUE“

18.06.2022 | Operette/Musical

Berlin/ Komische Oper: Barrie Koskys Abschied mit „All-Singing, All-Dancing Yiddish Revue“, 15.06.2022

barrie koskys yiddish revue, foto monika rittershaus., 1
Copyright: Monika Rittershaus

Tschüss mit „Sag’ zum Abschied leise Servus“ – das ist bei Barrie Kosky nicht drin. Mit einer schwungvoll-frechen Yiddish Revue in eigener Regie sagt der Deutsch-Australier – nach 10jähriger, höchst erfolgreicher Intendanz an der Komischen Oper Berlin – dem Publikum nun auf seine Art Ade, um fortan, wie lange angekündigt, wieder ganz als Künstler zu arbeiten.

Doch eigentlich sollte niemand deswegen in Tränen ausbrechen. Viele Stücke, die er inszeniert hat, laufen in der nächsten Saison munter weiter. Außerdem wird Barrie Kosky in jeder Spielzeit – nun für die Intendanz-Doppelspitze Susanne Moser / Philip Bröking – zwei neue Stücke inszenieren. Für 2022/2023 sind es „La Cage aux Folles“ („Ein Käfig voller Narren“) und „Rusalka“, ein bekanntlich ernstes Stück, das allenthalben gefragt ist.

Doch wo genau ist beides zu erleben ? Das wurde bisher noch nicht bekannt gegeben. Vielleicht im Schiller Theater, das schon der Staatsoper Berlin während der siebenjährigen Sanierung als Ausweichquartier diente. Bekanntlich sind solche Maßnahmen auch bei der Komischen Oper dringend nötig und sollen nach einigen Verzögerungen in Kürze beginnen.

Also geschwind nochmals hinein ins jetzige Haus und zu Barrie Koskys Yiddish Revue. Dabei sind auch diejenigen, die er mit ins Boot geholt und weiter vorangebracht hat. Show-Experten sind ebenso von der Partie (Party), wie diejenigen, die sonst Opern- und Operetten-Rollen interpretieren. Kess, gekonnt und mit Spaß an der Freud’ begeistern sie sofort das Publikum.

Von denen an Barrie Koskys Seite sei zunächst der Dirigent Adam Benzwi erwähnt, der auch bei dieser Revue für den authentischen Klang sorgt. Zusammen mit Barrie Kosky hat er die Stücke ausgewählt, die nun lustvoll vorbeirauschen.

Fündig wurden Kosky und Benzwi in den Catskill Mountains nördlich von New York, wo das jüdische Leben in den 1950er und Anfang der 1960er Jahre nach der Flucht der Verfolgten aus Hitler-Deutschland wieder aufblühte. In diesem „Las Vegas der Ost-Küste“ prägten Jazz und Swing, Rock’n Roll und Klezmer-Klänge die Shows und eroberten Spielstätten im ganzen Land.

Genau wie damals haben nun Barrie Kosky, Adam Benzwi und Otto Pichler als geübter „Haus-Choreograph“ eine sexy Revue kreiert, die komplett in jiddischer Sprache gesungen wird.

Wie gewohnt hat Klaus Bruns die diesmal besonders schicken Kostüme entworfen. Die Chöre des Hauses, einstudiert von David Cavelius, machen wie immer einen überzeugenden Job, und eine rasante Tanztruppe darf „natürlich“ auch nicht fehlen.

barrie koskys yiddish revue, foto monika rittershaus, 2
Copyright: Monika Rittershaus

Wer nun denkt, all’ das ließe sich aus dem Handgelenk schütteln, irrt sich gewaltig. „Adam Benzwi und ich steckten etwa anderthalb Jahre die Köpfe zusammen. Wir gingen hunderte von Liedern durch und überlegten, wer welches davon singen könnte“, äußert Kosky in einem im Programmheft abgedruckten Interview.

Die Revue sollte, so seine Idee, ein fröhliches Abschiedsgeschenk für das Haus (die Komische Oper) sein und andererseits auch ein Geschenk der Künstler/innen an Berlin. Seinen langjährigen Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern ist das perfekt gelungen.

Es waren und sind Dagmar Manzel, Helmut Baumann, Max Hopp, Ruth Brauer-Kvam, Katharine Mehrling, Helene Schneiderman, Barbara Spitz, Sigalit Feig, Tobias Bonn, Christoph Marti, Andreja Schneider, Alma Sadé, Ivan Turšić, Peter Renz, Philipp Meierhöfer und Dominik Köninger. Glücklicherweise werden wir wohl viele der Damen und Herren bald wiedersehen.

barrie koskys yiddish revue, foto monika rittershaus, 3
Copyright: Monika Rittershaus

Doch eines sei auch betont: Diese staunenswerte Revue ist von billigem Remmi-Demmi weit entfernt und bietet mitunter auch Raum für Trauer und Melancholie. Den Anfang macht der 83jährige Sänger und Schauspieler Helmut Baumann mit „Bei mir bist du schejn“, woraus die Berliner einst machten: „Bei mir bist du schön, für eine Mark und zehn.“

Und wie traurig klingt es, wenn Dagmar Manzel als kränkliche Mutter mit leiser Stimme berichtet, dass sie jede Woche ein Briefchen an ihren nach New York ausgewanderten Sohn schreibe. Dass es ihm und seiner Familie dort gut geht, muss sie erfahren haben, doch nicht ein einiges Mal hat sie von ihm Post erhalten.

Ein anderer, der so manches Stück bestens aufgemotzt hat, darf auch nicht fehlen: Max Hopp, der „Hans Dampf in allen Gassen“, hier in Cowboy-Kleidung. Sein Witz über die „männliche Ausstattung“ und was die sonst noch kann, den er im Berliner Jargon erzählt, sei hier nicht verraten.

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Copyright: Monika Rittershaus

Zuletzt brummt die Bude, alle sind auf der Bühne und drehen nochmals auf. Kunterbunt, mit Jubel, Trubel, Heiterkeit und Barrie Kosky im ersten Rang sowie „standing ovations“ des Publikums endet diese großartige jiddische Abschiedsrevue. Und draußen mit einer Spendenaktion für Ukrainische Flüchtlinge, –   

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 18., 21., 23. 26. (nachmittags und abends), 29. 06, 02.06., 10. Juli (auch nachmittags und abends). Und das kommt in der nächsten Saison nicht wieder!

 

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