Berlin, Haus des Rundfunks: Europa-Premiere der ersten Oper Namibias
Copyright: Stefan Höderath
„Chief Hijangua“ heißt die erste Oper Namibias und erlebte am 9. September 2022 im National Theater Namibias in der Hauptstadt Windhoek eine bejubelte Uraufführung. Fast ebenso heftig wurde dieses Namibisch-Deutsche Gemeinschaftswerk bei der dreitägigen Europa-Premiere in Berlin im Haus des Rundfunks vom Publikum gefeiert.
Doch das ist nicht alles. Das Humboldt Forum in Berlin bietet nun vom 21. – 23. September noch eine namibisch-deutsche Musikerzählung für Kinder ab 6 Jahren: „Hijangua – eine Reise in die Wüste“.
Zuvor, im Haus des Rundfunks, wurde das Werk „Chief Hijangua“ auf Otjiherero, einer namibischen Sprache, und auf Deutsch sehr gut von südafrikanischen Sängerinnen und Sängern, die bereits Opernpraxis haben, gesungen. Eingefügt waren auch Volkslieder aus Namibia.
Einfach war das Entstehen dieser Oper nicht. Auch Pandemie bedingt hat es rund 4 Jahre bis zur ihrer Fertigstellung gedauert. Doch Eslon Hindundu (27), ein Chorleiter und Komponist, ist offenbar ein beharrlicher Liebhaber klassischer deutscher Musik.
Zusammen mit der Regisseurin Kim Mira Meyer und Co-Regisseur Michael Pulse hat er sich seinen Opernwunsch erfüllt. Außerdem dirigierte er an den Berliner Abenden sachkundig und temperamentvoll die rd. 30 Instrumentalisten des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, das gerade sein 100. Jubiläum feiert. Für strahlenden Klang sorgten außerdem die Chöre Vox Vitae Musica und Cantus Domus.
Das Libretto verfasste Nikolaus Frei, ein Historiker, und der geht wie alle anderen dieses Teams den Weg der Versöhnung und Zusammenarbeit von Namibia und Deutschland. Der Prinz Chief Hijangua ist eine erfundene Person. Mit der Zusammenarbeit von namibischen, südafrikanischen und deutschen Künstlern wird so bewusst ein neues Kapitel aufgeschlagen.
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Die Story spielt in der Zeit, als Deutschland von 1884 bis 1919 die Kolonialmacht in Deutsch-Südwestafrika war und bereits missionierte. Sie spielt aber vor der Schlacht am Waterberg, die in den Genozid an den Herero und Nama mündete.
Offensichtlich wollten der Komponist und die gesamte Crew die deutschen Schreckenstaten nicht zum Inhalt dieser ersten Oper Namibias machen. Hier geht es bewusst um ein Miteinander beideer Staaten. Wer als Deutsche oder Deutscher heutzutage durch Namibia reist, erlebt dort freundliche und hilfsbereite Menschen, die sogar das deutsche Erbe bewahren und pflegen. So meine Eindrücke im Jahr 2019.
Zugestanden sei, dass mich als Zuhörerin anfangs diese doch deutlich deutsch klingende Musik in Namibias erster Oper etwas irritierte. Ich hatte mehr hörbare afrikanischen Einflüsse erwartet. Die waren jedoch alsbald vor allem bei den Baritonen und dem Bass zu bemerken.
Die kleine Rauheit, die den tiefen Männerstimmen eigen ist, gefiel mir durchaus. Der junge Titelheld Chief Hijangua, gesungen von Sakhiwe Mkosana, Bariton, hat dieses gewisse Timbre und ebenfalls Galilei Uajenenisa Njembo, Bariton, in der Rolle von Hijanguas Bruder Nguti. Der studiert übrigens gerade in Montreal, und ich hoffe nur, dass im Ausland keine Versuche gemacht werden, diese besonderen Stimmen den deutschen oder europäischen anzugleichen.
Bei Monde Masimini als Hangane, dem Regenten des Stamms, mit seinem schwarzen Bass und Solist an der Oper Kapstadt, ist solches wohl nicht zu befürchten. Die klangschönen afrikanischen Soprane wirken schon etwas europäischer. Die Frauen hätten das Singen in Chören gelernt, erzählte die Sopranistin Katasha Kitavi .
Auf der Berliner Bühne ist Chief Hijangua (Sakhiwe Mikosana), der noch gar nichts in seinem Stamm zu sagen hat, ein junger Mann, der sich enttäuscht und zornig auf den Weg macht, als er Matjua (Janice van Rooy, Sopran) die er liebt, nicht heiraten kann, weil die bereits für seinen Bruder Nguti, den künftigen Herrscher des Volkes, „reserviert“ ist.
Copyright: Stefan Höderath
In der Wüste wird er, schon halb verhungert, von Maria (Katasha Kitavi) gerettet und in einer deutschen Mission untergebracht. Dort ist er ein Schüler des Pastors. Maria, die (ungern) mit einem Soldaten verheiratet ist, versucht Hijangua zu verführen.
Das missfällt dem Pastor sehr, und trickreich rät er Hijangua, in sein Heimatdorf zurückzukehren, um Matjua für sich zu gewinnen und selbst dort der Chief zu werden. Der junge Mann wird also getauft, bekommt aber auch ein Gewehr von den großartig singenden Soldaten (afrikanischen und deutschen Sängern!) in die Hand gedrückt. Die Rollen in „Chief Hijangua“ wurden bewusst nicht nach den Nationalitäten besetzt!
Hijanguas Gier ist geweckt, und nun ballt sich alles zusammen. Die Musik braust zusammen mit dem Chor auf. Hijangua fordert die geliebte Matjiua für sich, heftiger Streit entsteht, und schließlich erschießt Hijangua sogar seinen Vater Hangane .
Wie der wütende Schütze selbst endet, wird nicht gezeigt, doch die nun gewalttätigen Klänge beseitigten alle Zweifel. Musikalisch ist der tragische Schluss der Opernhöhepunkt, der sofort mit heftigem Applaus gefeiert wurde. Die Kinder-Version im Humboldt Forum wird hoffentlich sanfter enden.
Ursula Wiegand
Veranstalter war die Momentbühne e.V., Die Fotos machte Stefan Höderath