Berlin/ Haus der Berliner Festspiele: „KÖRPER“ von Sasha Waltz, 30.03.2017
Copyright: Bernd Uhlig
Diese frühe Stück von Sasha Waltz, uraufgeführt im Januar 2000 in der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin, war und ist eine Sensation. Wenn das jetzt – nach der ausverkauften Wiederaufnahme Ende 2016 – wirklich die allerletzten Darbietungen sind, ist das sehr zu bedauern und sollte überdacht werden.
Der Körper wird hier zum Thema, das Werkzeug der Tänzerinnen und Tänzer. Doch inhaltlich geht es um Menschen wie Du und ich, die sich – auch verbal – in vier Szenen mit ihrem Körper beschäftigen, seinem Aussehen und seinem Funktionieren. Die sich dabei ihre Alltagskleidung (Kostüme: Bernd Skodzig) abstreifen, und sich halbnackt herzeigen, die die Muskeln spielen und die Arme kreisen lassen. Die sich begutachten, sich eher hässlich als schön empfinden und sich fragen, ob sie, geplagt von Schwindelgefühlen und Schmerzen, noch gesund sind oder infolge starken Rauchens gar Krebs haben.
Was Sasha Waltz, verantwortlich für Regie und Choreographie, an Ideen und Überraschungen vor rd. 17 Jahren einfiel, ist noch immer aktuell und nach wie vor verblüffend. Eine einmalige Leistung, die sie berühmt machte und bisher nicht übertroffen wurde. Akribisch und mit spürbarem Engagement wird dieses Körper-Thema durch die 13 Interpreten von Sasha Waltz & Guests umgesetzt: mit Lust am Ausdruck für das Normale/Anormale sowie mit totalem Körperereinsatz. (Dramaturgie: Jochen Sandig).
Bis auf eine Person sind es dieselben Tänzerinnen und Tänzer, die die Uraufführung zum Erfolg führten und bald mit dieser Choreografie zusammen mit Sasha Waltz um die Welt tourten. Jetzt sind sie wieder auf der von Thomas Schenk, Heike Schuppelius und Sasha Waltz gestalteten Bühne, nun im Haus der Berliner Festspiele, sind 100 Minuten lang ohne sichtliche Ermüdungserscheinungen im pausenlosen Dauereinsatz, rollen immer wieder und in manchmal skurrilen Posen übers Parkett, angeheizt durch die Geräuschkulisse von Hans Peter Kuhn.
Bestenfalls als moderne Musik lässt sich diese Assemblage von Knarrtönen oder das die Ohren attackierende rhythmische Dröhnen bezeichnen. Abgesehen von heftigem Beat, bei dem alle in eine wilde Tanzorgie verfallen, lassen diese Klangfetzen vermutlich die Geräusche der Gedärme und das Schlagen der Herzen hören.
Einige Bilder bleiben besonders im Gedächtnis, so die Personen, die sich anfangs nach und nach in einem Rahmen zusammendrängen, sich verknäueln und schließlich einer Darstellung wie auf manch alten Altären ähneln. Oder die Szene, die wohl den Drill in einer Ballettschule veranschaulicht, dem sie alle wie außer sich Folge leisten. Oder der Skiläufer mit dem Uralt-Equipment, der – allerdings an einer Sicherheitsleine – eine senkrechte Wand betont langsam hinunterfährt, die hinterher krachend umfällt.
Last not least faszinieren die im Doppelpack auf der Bühne getanzten Pas de deux von zwei Männern sowie von Mann und Frau. Letztere zelebrieren ein außergewöhnliches Liebesduett, untermalt von melancholischen Bandoneon-Klängen.
Insgesamt ein Ausnahme-Abend, getanzt von Davide Camplani: Lisa Densem, Clémentine Deluy, Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola, Luc Dunberry, Nicola Mascia, Jérôme Marchand, Michal Mualem, Virgis Puodziunas, Claudia de Serpa Soares, Xuan Shi, Takako Suzuki und Niannian Zhou.
Ursula Wiegand
Letzte Aufführungen am 31. März und am 1. April 2017